Anne in Ingleside. Lucy Maud Montgomery

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Anne in Ingleside - Lucy Maud Montgomery


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– das zählt nicht!“

      „Na ja, so ungefähr. Aber eigentlich kann ja auch Anne-Cordelia das Essen machen. Sie kann mit ihren elf Jahren schon genauso gut kochen wie ich“, sagte Diana stolz. „Und sie sollte morgen sowieso einspringen, weil ich auf die Frauenversammlung gehen wollte. Also abgemacht, ich komme mit dir. Das wird traumhaft! Das Essen können wir morgen ja mitnehmen…“

      „Ja, laß uns in Hester Grays Garten picknicken – falls es den noch gibt“, schlug Anne begeistert vor.

      „Ich denke schon“ überlegte Diana. „Obwohl ich seit meiner Heirat nicht mehr dort gewesen bin. Anne-Cordelia macht zwar oft lange Spaziergänge, aber ich ermahne sie immer, in der Nähe zu bleiben. Einmal habe ich sie im Garten erwischt, wie sie Selbstgespräche führte. Als ich sie darauf ansprach, behauptete sie, sie unterhielte sich mit den Blumen. Erinnerst du dich an das Puppengeschirr mit den Röschen, das du ihr zum neunten Geburtstag geschickt hast? Es ist noch ganz heil, sie geht besonders vorsichtig damit um. Und sie benützt es nur, wenn die ‚Drei Grünen‘ zu ihr zum Tee kommen. Wer das sein soll, will sie mir absolut nicht verraten. Anne, ich finde wirklich, daß sie dir in mancher Hinsicht ähnlicher ist als mir.“

      „Vielleicht haben Namen doch mehr zu sagen, als man denkt“, meinte Anne. „Aber du solltest ihr die Phantasievorstellungen lassen, Diana. Mir tun Kinder immer leid, die nie spielen dürfen, wie sie wollen.“ Sie riß einen Grashalm aus und begann, traumverloren darauf herumzukauen.

      „Olivia Sloane ist da ganz anderer Meinung“, sagte Diana ernst. „Sie ist zur Zeit Lehrerin an unserer Schule, weißt du. Und sie sagt, Kinder sollten mehr mit der Realität vertraut gemacht werden.“ Man sah Diana an, daß sie an dieser Erziehungsmethode zweifelte.

      „Du wirst doch nicht im Ernst auf das hören, was eine Sloane behauptet, liebste Diana?“ fragte Anne auch gleich erstaunt.

      „Nein… nein!“ wehrte ihre Freundin ab. „Ich kann sie überhaupt nicht leiden. Die mit ihren blauen Kugelaugen, genau wie der ganze Clan. Und ich mache mir auch keine ernsthaften Gedanken über Anne-Cordelias Hirngespinste. Sie sind ganz nett, genauso wie deine früher. Die Realität wird sie noch früh genug kennenlernen.“

      „Also, dann ist ja alles in Ordnung“, lachte Anne und stand auf. „Komm so gegen zwei zu uns rüber, dann werden wir uns erst mal Manilas selbstgebrauten Johannisbeerwein zu Gemüte führen.“

      „Weißt du noch, wie du mich mal damit betrunken gemacht hast?“ kicherte Diana und klopfte ihr Kleid ab.

      „Ja. Wir werden so richtig in Erinnerungen schwelgen morgen. So, aber jetzt halte ich dich nicht länger auf, da kommt auch Fred gerade angefahren.“ Anne deutete auf die Straße.

      „Gut, wir sehen uns dann morgen, Anne.“ Diana küßte sie rasch und lief auf ihren Mann zu.

      Auf dem Rückweg zum Haus blieb Anne an ‚Dryads Blubberbach‘ stehen. Sie liebte diesen Bach über alles. Sein Glucksen war wie das helle Kinderlachen von früher. All ihre Kinderträume… sie konnte sie in dem klaren, gurgelnden Wasser wieder genau vor sich sehen… der Bach kannte all ihre Geheimnisse. Und im Geisterwald lauschten wie vor Jahren schon die weisen alten Fichten.

      Kapitel 2

      „Was für ein herrlicher Tag, wie für uns geschaffen“, sagte Diana am nächsten Nachmittag, als sie Anne abholte.

      „Ja, heute wollen wir Freundinnen sein wie früher, auch wenn wir uns morgen schon wieder trennen müssen“, rief Anne. „Sieh mal, das grüngoldene Licht auf den Hügeln und den blauen Dunst in den Tälern! Alles ist heute nur für uns da, Diana. Und bei Westwind bin ich immer besonders abenteuerlustig. Das wird ein aufregender Streifzug!“

      Und sie sollte recht behalten. Anne und Diana suchten all ihre alten Lieblingsplätze auf: die Liebeslaube, den Geisterwald, das Veilchental, den Birkenpfad und den Nymphenteich. Manches hatte sich verändert. Aus den Birkenschößlingen waren hohe Bäume geworden; der Birkenpfad war mit Farn überwuchert, und der Nymphenteich war versiegt und hatte nur eine feuchte, moosbewachsene Mulde hinterlassen. Das Veilchental dagegen war immer noch mit violetten Veilchen übersät, und der Apfelbaumkeimling, den Gilbert einmal weit draußen mitten im Gehölz gefunden hatte, war zu einem riesigen Baum mit winzigen Blütenknospen herangewachsen. Aber alles erinnerte sie an ihre Kindheit. Annes Haar schimmerte in der Sonne immer noch genauso mahagonifarben und Dianas genauso pechschwarz wie früher. Ihre Freundschaft war immer noch so fest und eng wie damals. Hin und wieder gingen sie einfach schweigend nebeneinander her, denn bei so guten Freundinnen waren Worte nicht immer nötig. Wenn sie aber sprachen, schwelgten sie in Erinnerungen: „Weißt du noch, wie wir uns über Tante Josephine lustig gemacht haben?“ „Weißt du noch, wie wir uns mit Kerzenlicht im Fenster gegenseitig verständigt haben?“ „Weißt du noch, was für einen Spaß wir auf Miss Lavendars Hochzeit hatten, und kannst du dich noch an Charlottas blaugeränderte Brille erinnern?“ Ihr Lachen von damals, es war ihnen so nah, daß sie es fast hören konnten.

      „Ich komme mir vor wie fünfzehn“, kicherte Anne mittendrin. „Es ist alles so hell, und ich fühle mich so leicht, als könnte ich fliegen.“

      „Mir geht es ganz genauso“, sagte Diana und vergaß, daß die Waage am Morgen noch hundertfünfundfünfzig Pfund angezeigt hatte. Aufatmend blieben sie auf einer kleinen Lichtung stehen.

      Alles um sie herum war wunderschön. Die Frühlingssonne sandte ihre Strahlen durch die jungen grünen Blätter, und von allen Seiten ertönte fröhliches Vogelgezwitscher. Es gab so viel zu entdecken: Einen kleinen Weg, der von wilden Kirschblüten verhangen war; ein brachliegendes Feld, das übersät war mit winzigen Fichtentrieben, die wie kleine Kobolde aus dem Gras hervorspitzten; lustig gurgelnde Bäche, Siebenstern, der versteckt unter den Tannen wuchs. Und schließlich fanden sie tatsächlich Hester Grays Garten. Er hatte sich nicht sehr verändert und stand wie früher voller Narzissen. Nur die Kirschbäume waren älter geworden, standen aber immer noch in dichter weißer Blüte. Sie suchten sich ein paar moosbewachsene Steine aus, auf denen sie ihren Picknickkorb ausbreiteten. Anne und Diana waren nach ihrem langen Marsch hungrig und langten tüchtig zu.

      „An der frischen Luft schmeckt alles gleich noch mal so gut“, seufzte Diana beglückt. „Dein Schokoladenkuchen, Anne – einfach unschlagbar. Du mußt mir unbedingt das Rezept geben. Fred wird begeistert sein. Der kann essen, was er will, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen. Und ich schwöre mir immer, keinen Kuchen mehr anzurühren, weil ich von Jahr zu Jahr dicker werde. Mir graut davor, so zu werden wie Großtante Sarah. Die war schließlich so fett, daß sie nicht mehr ohne Hilfe aus dem Sessel aufstehen konnte. Aber wenn ich dann einen Kuchen wie diesen hier vor mir stehen sehe oder den gestern abend auf dem Empfang… also, es wäre ja eine Beleidigung, wenn ich da nicht zugreifen würde.“ Sie biß ein großes Stück Kuchen ab.

      „Hat es dir gefallen gestern?“ fragte Anne.

      „Ja, einerseits schon. Bis ich Freds Kusine Henrietta in die Klauen geriet. Für die gibt es nichts Schöneres, als sich über ihre Operationen und über die neuesten Sensationen auszulassen. Aber Jim war lustig – na gut, ein winziges Stück noch —, er erzählte zum Beispiel, ihn hätte in der Nacht vor seiner Hochzeit eine solche Panik ergriffen, daß er am liebsten abgehauen wäre. Er meint, das ginge allen zukünftigen Ehemännern so, nur daß sie es nicht zugeben. Aber bei Gilbert und Fred war das doch sicher nicht so, was meinst du?“

      „Nein, sicher nicht.“ Anne wischte die Krümel von ihrem Schoß.

      „Ich hab Fred gefragt“, gab Diana zu, „und er sagte, er hätte bloß befürchtet, ich könnte im letzten Moment noch nein sagen, so wie Rose Spencer. Aber man weiß nie, was im Kopf eines Mannes so vor sich geht. Also, das war wirklich ein herrlicher Nachmittag heute! Schade, daß du morgen schon abfahren mußt, Anne.“

      „Hast du nicht Lust, mich diesen Sommer mal in Ingleside zu besuchen, Diana? Vorher – also, ich glaube, vorher wird mir nicht nach Besuch zumute sein.“ Anne zog die Stirn kraus.

      „Doch, ich würde furchtbar gerne kommen. Aber im Sommer kann ich wohl kaum von zu Hause weg, da gibt es immer so viel zu tun.“

      „Rebecca Dew kommt


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