Gesammelte Werke von Gottfried Keller. Готфрид Келлер

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Gesammelte Werke von Gottfried Keller - Готфрид Келлер


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von einem irgendwo ins Zentrum gesetzten sprühenden Feuertopfe spricht, und zwischen dem sterbenden Goethe, welcher nach mehr Licht rief, aber ein besseres Recht dazu besaß als jener, der nie sich um einen wahrhaften wirklichen Lichtstrahl bekümmert hat. Welch ein Ersatz für das hergebrachte begriffslose Wort Ewigkeit ist die Kenntnisnahme von der Entfernung der Himmelskörper und der Schnelligkeit des Lichtes, von der Tatsache, daß wir allaugenblicklich Licht, also Körper mit ihren Schicksalen, in ihrem Bestehen, wahrnehmen, welches vor einem Jahre, vor hundert, tausend und mehr Jahren gewesen ist, daß wir also mit einem Blicke tausend Existenzen tausend verschiedener Zeiträume auffassen, vom nächsten Baume an, welchen wir gleichzeitig mit seinem wirklichen augenblicklichen Dasein wahrnehmen, bis zu dem fernen Stern, dessen Licht länger unterwegs ist, als das Menschengeschlecht unsers Wissens besteht, und der vielleicht schon nicht mehr war, ehe dasselbe begann, und den wir doch jetzt erst sehen.

      Wo bleibt da noch eine Unruhe, ein zweifelhaftes Sehnen nach einer unbegriffenen Ewigkeit, wenn wir sehen, daß alles entsteht und vergeht, sein Dasein abmißt nacheinander und doch wieder zumal ist?

      Das Licht hat aber den Sehnerv gereift und ihn mit der Blume des Auges gekrönt, gleich wie die Sonne die Knospen der Pflanzen erschließt; es hat das Auge scheinbar selbständig sich gegenüber gesetzt, so daß, wenn das Auges des Tieres und des bewußtlosen Menschen sich schließt, für dasselbe auch kein Licht mehr in der Welt ist; aber im bewußten Menschen bleibt die Erfahrung, und durch die Generationen vereinigt die eingeborne Kunde wieder die Welle mit der Quelle, das Auge mit dem Lichte, so daß beide eines sind, und wenn ein Auge sich schließet, so weiß es noch ist das Licht da und genug Augen, es zu sehen. Das Licht hat den Gesichtssinn hervorgerufen, die Erfahrung ist die Blüte des Gesichtssinnes, und ihre Frucht ist der selbstbewußte Geist; durch diesen aber gestaltet sich das Körperliche selbst um, bildet sich aus, und das Licht kehrt in sich selber zurück aus dem von Geist strahlenden Auge. Denn der Geist, welchen die Materie die Macht hat in sich zu halten, hat seinerseits die Kraft, in seinen Organen dieselbe zu modifizieren und zu veredeln, alles mit »natürlichen Dingen«, und jeder Lebende, der mit Vernunft lebt und insofern er sich fortpflanzt oder erhebliche Geistestaten übt, hat im strengsten Sinne des Wortes seinen bestimmten Anteil z.B. an der Ausbildung und Vergeistigung des menschlichen Gehirnes, seinen ganz persönlichen, wenn auch unmeßbaren Anteil.

      Nur diesen Kreislauf können wir sehen und erkennen, und wir tun es; was darüber hinaus liegen sollte, das geht uns zunächst nichts an und darf uns nichts angehen; denn so erfordert es die große Ökonomie des Weltlebens und der Welterkenntnis. Sollte wider allen sinnlichen Anschein und alles sinnliche Gefühl ein übernatürliches geistiges Gottwesen der Urgrund der Natur und unser aller sein, so würde erst recht dieses Wesen selbst solche Ökonomie in die Welt gelegt und angeordnet haben, auf daß alles seinen Gang gehe und nichts vorweggenommen werde. Diese Ökonomie verlangt, daß wir an das Natürliche glauben, solange wir es nicht ausgemessen haben und mit unseren kleinen Schädeln an den Rand gestoßen sind, und sie ist es, welche uns zuruft Was wollet ihr aus der Schule laufen und suchet ein Verdienst darin, an das Übernatürliche zu glauben, welches der Tod des Natürlichen ist, solange eure kühnsten und erhabensten übernatürlichen Einbildungen und Vorstellungen noch tausendmal dunkler, ungewisser und kleiner sind als die natürlichen Wirklichkeiten, zu deren Erkenntnis und Begriff ihr ein sicheres Pfand in der Hand habt? Ist das Verdienst, Treue, Ausdauer und Weisheit? Nein, es ist Untreue, Feldflüchtigkeit und Torheit!

      Dergleichen Dinge ließ der vortragende Lehrer, nicht in solchen Ausdrücken, aber mit solchen Eindrücken seine Zuhörer gelegentlich zwischen den Zeilen lesen. Heinrich gehörte zu denen, welche recht wohl zwischen den Zeilen zu lesen wußten, und zwar weil er einen natürlichen Sinn für das Erhebliche besaß, auf welches es ankommt, und mit der Aufmerksamkeit und dem raschen Instinkte der Autodidakten das Wesentliche ersah, das hinter den Dingen liegt. Er merkte auch bald, daß es sich um nichts Geringeres als um seinen Glauben an Gott und Unsterblichkeit handle; aber indem er denselben für lange geborgen und es nicht für nötig hielt, auf seine Rettung bedacht zu sein, war er um so freisinniger beflissen, alles aufzufassen und zu begreifen, was die innere Notwendigkeit, Identität und Selbständigkeit der natürlichen Dinge bewies; denn eine wahrhaft wahre und freie Natur steht nicht an, sondern sie sucht es geflissentlich, Zugeständnisse zu machen, wo sie nur immer kann, gleich jenem idealen Könige, der noch nie dagewesen ist und von welchem man träumt, daß er nicht aus Klugheit, sondern um ihrer selbst willen und rein zu seinem Vergnügen Konzessionen mache. Rechthaberei und Not sind die Mütter der Lüge; aber die Notlüge ist ein unschuldiges Engelskind gegenüber der Lüge aus Rechthaberei, welche eines ist mit Hochmut, Eitelkeit, Engherzigkeit und nackter Selbstsucht und nie ein Zugeständnis macht, eben um keines zu machen. So entstand aus der Lüge die Rechtgläubigkeit auf Erden und aus der Rechtgläubigkeit wieder die Lüge; freilich auch ein Kreislauf und eine Identität!

      Heinrich freute sich im Gegenteile, im Namen seines liberalen und generösen Gottes jedes Fleckchen Welt einzuräumen, das sich selbst bewirtschaften konnte, und er gab sich redlich Mühe, ein festes Bewußtsein von solcher freien Notwendigkeit oder notwendigen Freiheit zu gewinnen, nicht zweifelnd, daß alles zur größeren Ehre Gottes geschehe wie des Menschen, dessen Ehre mit der größeren Selbständigkeit und Verantwortlichkeit wachsen mußte.

      Er suchte sich daher auch außer den anthropologischen Stunden so gut als möglich zu unterrichten, und wie er z.B. durch die Lehre vom Auge zum ersten Male veranlaßt wurde, sich in das Wesen des Lichtes einen Blick zu verschaffen, dadurch in die unendlichen Räume der Außenwelt geführt ward und von da wieder in den selbstbewußten Punkt seines eigenen sehenden Auges zurückkehrte, so geschah es noch in manch anderer Hinsicht, und alles das ohne zu große Mühe noch Zeitaufwand. Die Ergebnisse der wahren Wissenschaft haben die gute Eigenschaft, daß sie sich auf den ersten Blick von allem Phantastischen und Willkürlichen unterscheiden und in kürzerer oder längerer Zeit zum überzeugenden festen Lehrsatz eignen ohne fortwährende Probe ihres besondern Rechenexempels. Der Satz, daß die Erde sich um die Sonne bewegt, wird in allen Kinderschulen gelehrt, und die Kinder nehmen ihn in ihr Wissen auf, ohne die physikalische Untersuchung seines Beweises anzustellen, während sie für ein einziges religiöses Dogma bis zu ihrer Mündigwerdung mit allem katechetischen Apparate unterwiesen werden, ohne am Ende mehr zu wissen als am Anfange und ohne wider den Zweifel geschützt zu sein. Noch nie hat es einen Krieg gegeben wegen verschiedener Meinungen über Naturgesetze, weil ihre Art friedfertig, rein und genügend ist, und es gelang den Theologen nicht einmal, eine wehrbare Sekte für die stehende Erde oder zum Schutze der mosaischen Schöpfungsgeschichte auf die Beine zu bringen; Religionskriege aber wird es geben, solange es Priester, Dogmen und Bekenntnisse gibt. Im Kleinen schaut man diesen Vorgang alle Tage hat jemand eine gute Wahrheit oder Tatsache geäußert, und sie wird ihm angezweifelt, so fällt es ihm nicht ein, darüber aufgebracht zu werden und sich ins Zeug zu werfen; wenn derselbe Mensch aber eine Sache erzählt oder vorgibt, von der er doch nicht so recht überzeugt und überführt ist, so wird er alsobald in die größte Hitze geraten und Ehre, Gut und Leben verpfänden, am liebsten aber demjenigen gleich an den Kragen gehen, der ihm einen Zweifel entgegensetzt. Wenn ein Bauersmann sagt Ich habe das Korn besehen; es ist reif! der Nachbar aber erwidert Ich glaube nicht, daß es reif ist! so wird er ruhig sprechen Das ist Eure Sache! Ich halt es für reif und werde es schneiden! Wenn derselbe Bauer aber sagt Ich sah vergangene Nacht einen Geist auf meinem Markstein sitzen, und der Nachbar spricht Das ist nicht möglich, denn es gibt keine Geister! so wird der Bauer einen großen Lärm erheben, erstlich weil man ihm abstreitet, was er mit eigenen Augen gesehen haben will, zweitens weil man die Geister leugnet, und endlich weil man infolgedessen wohl gar nicht an ein »anderes Leben« und an eine Wiedervergeltung nach dem Tode glaubt. Ia, er wird deswegen vielleicht dem Nachbar gar nicht antworten, aber demselben nichts mehr vertrauen und allen Umgang mit ihm abbrechen; und doch hätte er als Bauer mehr Grund, jenem zu mißtrauen, welcher die Reife des Kornes nicht zu beurteilen weiß, da derselbe in seinen Augen notwendig ein schlechter Landwirt sein muß. Aber er tut dies im Grunde auch ganz gewiß; nur macht er kein Aufhebens davon und läßt es sich nicht anmerken, da er über die Sache klar und ruhig ist, da er sie übersieht und weiß, daß Zank die Wahrheit nicht ändert, das Korn nicht unreif macht und die Regeln des Ackerbaues nicht aufhebt. Sein Lärm gegen den Gespensterleugner hingegen ist ein blinder Lärm und Trotz, der mehr gegen sich selbst gerichtet ist, gegen die Dunkelheit und


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