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Korbinian, aber ich will jetzt nicht mehr so viel an Uli denken, sondern versuchen, an Stepherl gutzumachen, was man ihm bisher angetan hat. Ich hätte zu Hause keine Ruhe gefunden, weil ich immer wieder daran hätte denken müssen, wie sehr er da oben verkümmert.«

      Sie mussten jetzt das Pferdegespann stehen lassen und den Steig zu Fuß hinaufgehen.

      Korbinian machte es nichts aus, nun Stepherl auf der Hucke zu schleppen.

      Unterwegs sagte er: »Wenn das Ulis ist, würde er eher zu Vater und mir auf den Stettner-Hof gehören als zu dir, Franzi.«

      Franzi blieb ruckartig stehen und sah ihn erschrocken an. »Du willst mir den Buben wegnehmen? Nein, das lass ich nicht zu. Mir ist er lieb geworden, ich will ihn aufpäppeln, damit er ein fröhliches Kind werden kann. Seine Mutter hat ihn mir übergeben, und ich werde die Pflegschaft für ihn beantragen.«

      »Beruhige dich, Franzi, ich nehm’ dir den Buben nicht weg, wenn dein Herz an ihm hängt. Ich mach’ mir nur Sorgen, dass du dir mit dieser Pflegschaft zu viel aufbürdest.«

      »Diese Sorgen brauchst du dir nicht zu machen. Nach dem, was ich erleben musste in der letzten Zeit, werd’ ich nun eine schöne Aufgabe haben. Aber einmal muss es ausgesprochen werden, dass ich für Uli nur ein Spielzeug war, eine von vielen, denen er nachrannte. Deshalb hat es auch Krach mit eurem Onkel gegeben.«

      »Warst du doch bei ihm, Franzi?«

      »Ja, ich hab’s geschafft, aber erinnere mich nicht daran, welche Ängste ich unterwegs ausgestanden hab’. Lass uns am besten nicht mehr davon reden. Ich bin ja nur dafür bestraft worden, was ich dir angetan hab’.«

      »Ich will dir das nie vorhalten, Franzi, so schwer es mich auch getroffen hat. Da, schau, dein Vater kommt uns entgegen.«

      Franzi lächelte. »Er wird neugierig auf Stepherl sein. Er weiß ja, dass ich ihn mitbringen wollte.«

      Josef Feistauer sah Korbinian erstaunt an und fragte: »Hast du den Buben mit Franzi geholt?«

      »Nein, Vater, Korbinian und ich haben uns nur zufällig im Ort unten getroffen. Das war gut, weil mir das Heraufsteigen mit Stepherl auf der Hucke sicher zu schwer geworden wär’. Unterwegs konnte ich Korbinian auch gleich erzählen, wessen Kind Stepherl ist. Aber lass uns doch schnell ins Haus gehen, der Bub muss auch müde sein.«

      Josef Feistauer hob Stepherl von der Hucke und nahm ihn auf die Arme. »Für einen Jungen aus den Bergen bist du aber zu bleichsüchtig, du Hascherl, aber wir werden dich schon auffüttern.« Aus seiner Stimme klang viel Mitgefühl.

      Korbinian blieb stehen. »Ich muss hinunter, Franzi, sonst werden mir die Pferde unruhig. Wenn du nichts dagegen hast, komme ich in den nächsten Tagen mal zu euch herüber.«

      »Ich hab’ nichts dagegen, Korbinian. Vergelt’s Gott für deine Mühe. Du hast mir sehr geholfen.« Franzi folgte ihrem Vater ins Haus.

      Dort schaute sich der kleine Junge verschüchtert um, aber er nahm, was ihm Franzi zu essen und zu trinken brachte. Nach einer Weile fragte er. »Muss ich hier auch ins Heu zum Schlafen?«

      Franzi tätschelte seine Wange. »Bei uns schläft niemand im Heu, also auch du nicht. Auf dem Speicher steht noch mein Kinderbett, das wird der Großvater dann herunterholen und in meine Kammer stellen. Da schläfst du ganz nahe bei mir.«

      »In einem Bett?«, fragte Stepherl verwundert.

      »Ja, genau, Bub, in einem Bett.« Josef Feistauer strich ihm über den Kopf. »Und du hast ja gehört, dass ich jetzt dein Großvater bin.«

      Stepherl musterte ihn. »Ich hatte schon einen Großvater, aber der war sehr bös.«

      »Das bin ich nicht. Nun, du wirst es ja sehen.« Josef Feistauer begriff jetzt immer mehr, warum seine Tochter dieses kleine Kind unbedingt hatte holen müssen. Es schien wohl in seinem ganzen Leben noch nichts Schöneres erlebt zu haben.

      Es dauerte nicht lange, bis er das alte Kinderbett vom Speicher geholt hatte und in Franzis Kammer aufstellte. Nachdem Franzi es gereinigt hatte, holte sie Bettzeug aus einer Truhe, und wenig später konnte sich Stepherl ausstrecken. Fast fielen ihm schon die Augen zu, als er sagte: »Franzi, bist du jetzt meine Mama?«

      Franzi beugte sich über ihn. »Ja, Stepherl.«

      Ein tiefer Atemzug hob noch die kleine Brust an. »Das ist gut«, war zu hören, dann schlief der Junge ein.

      *

      Xaver Stettner sah seinem Sohn verärgert entgegen und fragte: »Brauchst du eigentlich jetzt immer so lange, um einige Besorgungen im Ort zu machen? Du nutzt aus, dass ich krank bin, und tust so, als hättest du den Hof längst übernommen. Barbara weiß sich vor Arbeit keinen Rat und kümmert sich deshalb nicht um mich. Du aber könntest das tun. Wo hast du dich so lange herumgetrieben?«

      Korbinian blieb ruhig. »Herumgetrieben habe ich mich überhaupt nicht, Vater. Ja, ich bin aufgehalten worden, aber ich musste einspringen, um Franzi behilflich zu sein.«

      Der alte Stettner-Bauer lachte giftig. »Aha, jetzt, da Uli nicht mehr ist, nimmt dich wohl die Franzi wieder.«

      »Wir sind gute Freunde geworden, Vater. Außerdem ist es bei uns in den Bergen nun mal so, dass einer dem anderen beisteht, wenn es in seiner Macht liegt. Das soll auch immer so bleiben. Nur so können wir hier existieren.«

      »Belehr mich nicht, Bub«, herrschte ihn der Vater an. »Das kann ich gar nicht leiden. Hättest du bloß was von Uli mitbekommen, dann käm’ ich mit dir eher zurecht. Aber Uli ist für mich verloren, er wird mir fehlen.«

      »Er war immer dein Lieblingssohn, Vater. Gott sei es geklagt, dass du die Zügel bei ihm so locker gelassen hast. Ohne das wäre er vielleicht auch ein rechtschaffener Mann geworden.«

      Der alte Stettner beugte sich in seinem Lehnstuhl vor. »Sag mir nichts gegen Uli«, erklärte er ärgerlich.

      »Nein, Vater, das hab’ ich nicht vor, da kannst du beruhigt sein; er war mein Bruder. Aber er hat mir auch das Madl weggenommen, das ich über alles liebte und das hier eine tüchtige Bäuerin geworden wär’. Heute muss ich dir etwas anderes sagen: Der Uli hat ein Kind hinterlassen.«

      Nun sah es aus, als würde Xaver Stettner aus seinem Lehnstuhl kippen. »Was?«, schrie er heraus. »So red doch schon!«

      Korbinian erzählte, was er von Franzi wusste und dass sie sich des kleinen Stepherl angenommen hatte.

      Dem alten Stettner-Bauern fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Und das soll wahr sein? Ich hab’ einen Enkel? Ja, dann muss der aber schleunigst auf unseren Hof gebracht werden. Hier gehört er schließlich hin.«

      »Nein, Vater.« Korbinians Stimme klang entschieden. »Franzi hat den Buben sehr gern, er soll bei ihr bleiben. Uli hat sich nie zu seinem Sohn bekannt, die Mutter hat ihn vernachlässigt, soll er hier wieder nur fünftes Rad am Wagen sein? Du kannst dich nicht um ihn kümmern, Barbara auch nicht, und ich bin der Meinung, dass er einfach bei Franzi besser aufgehoben ist. Ich werde es nicht zulassen, dass du ihr den Buben nimmst. Von mir hat sie das Wort bekommen, dass er bei ihr bleiben kann. Er heißt Stephan und wird Stepherl gerufen. Ich habe ihn vorhin zu den Feistauers hinaufgetragen, deshalb hab’ ich mich so verspätet.«

      »Du bestimmst, ja, du nutzt es weidlich aus, dass ich nicht mehr so kann, wie ich möchte, aber ich sag’ dir, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Geh jetzt an deine Arbeit, ich muss nachdenken.« Xaver Stettner war zornig. Das war er immer, wenn etwas nicht nach seinem Willen ging.

      Korbinian verließ die Wohnstube, er hatte noch in den Ställen zu tun. Aber was er dort auch arbeitete, ihm ging Franzi nicht aus dem Sinn. Er liebte sie nach wie vor.

      *

      Stepherl gewöhnte sich bei Franzi und ihrem Vater so gut ein, wie sie es sich erhofft hatte. Er und der Großvater waren ein Herz und eine Seele. Sie tat ihre Arbeit jetzt wieder mit frohem Gemüt, und was sie für Stepherl tun musste, wurde ihr nie zu viel. In kurzer Zeit hatte sie für alles gesorgt, was er brauchte. Besonders für neue Kleidung. Inzwischen


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