Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman - Christine von Bergen


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Hinsehen bemerkte er jetzt ein neuen, ungewohnten Ausdruck in ihren Augen, den Ausdruck von Lebendigkeit, Entschlusskraft.

      »Also …«, begann Angela nach einem tiefen Seufzer endlich, »es ist schon seltsam bei mir. Manchmal tut mir der Bauch weh, manchmal die Brust, dann die rechte Körperseite oder der Nacken. Die Schmerzen spazieren durch den ganzen Körper. Heute dies, morgen das. Mal ist mir schwindelig, und heute Morgen zum Beispiel bekam ich sofort nach dem Aufwachen wieder Kopfschmerzen, wie meistens in letzter Zeit.« Hilfe suchend sah sie ihn an. »Kein Wunder eigentlich, dass meine Familie denkt, ich wäre eine Hypochonderin, nicht wahr?«

      Matthias hielt seine Patientin keinesfalls für eine solche. Er sah ihr ja schon seit Langem die Überforderung an.

      Er schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. »Ich bin weit davon entfernt zu denken, du würdest dir diese Beschwerden nur einbilden. Ich finde es sehr gut, dass du zu mir gekommen bist. Um dir helfen zu können, möchte ich zuerst einmal eine Anamnese erstellen.«

      Er nahm seinen Füller und zog einen Anamnesebogen aus der Schreibtischschublade. Dann fragte er Angela nach ihren früheren Krankheiten. Bei ihm war sie bis heute nur ein paar Mal wegen einer Erkältung in Behandlung gewesen.

      »Ich war bisher eigentlich immer gesund«, antwortete sie.

      Er nickte zufrieden. »Es hätte ja sein können, dass du während deiner Zeit in Freiburg krank gewesen wärst.« Dann sah er sie bedeutsam an und sagte: »Du hast vor zwei Jahren deinen Beruf als Apothekenhelferin aufgegeben, um zu Hause einzuspringen.«

      Sie lächelte ein wenig wehmütig. »Es ging ja nicht anders. Mutti hat es allein nicht mehr geschafft, Papa kann ihr kaum helfen, und Jenny will unbedingt Abitur machen, was ich auch gut und richtig finde.« Mehr sagte sie nicht dazu. Keine einzige Klage kam über ihre Lippen, obwohl er sicher war, dass der Grund für ihre Beschwerden in ihrer häuslichen Situation lag.

      »Dann würde ich dich jetzt gern untersuchen«, fuhr er fort. »Reine Routine.«

      Tatsächlich konnte er bei dieser Untersuchung nichts Auffälliges feststellen. Er rief Schwester Gertrud ins Sprechzimmer, die Angela ein EKG anlegte. Dieses zeigte jedoch nur einen leicht erhöhten Blutdruck an, der an der Aufregung liegen mochte, die fast jeder Patient beim Arztbesuch spürte.

      »Hast du heute Morgen etwas gegessen?«, erkundigte er sich.

      Sie schüttelte verneinend den Kopf. »Ich musste mich so beeilen.«

      »Okay, dann kann dir Gertrud auch sofort Blut abnehmen, damit du deswegen nicht noch einmal wiederkommen musst. Wenn ich das Ergebnis habe, besprechen wir die Diagnose.« Er reichte Angela die Hand. »Ganz wichtig zunächst ist, dass du dir zukünftig ein wenig Ruhe gönnst. Das kann ich jetzt schon sagen, ohne das genaue Ergebnis der Untersuchung zu kennen.«

      Angelas Lächeln tat ihm weh.

      »Ich werde es versuchen«, antwortete sie in einem Ton, der verriet, dass ihr dies sowieso nicht gelingen würde.

      *

      Obwohl der Landdoktor seiner Patientin noch keine Medikamente verschrieben hatte, fühlte sich Angela auf dem Heimweg schon ein wenig besser. Allein das Verständnis, das sie bei Dr. Brunner gefunden hatte, tat ihr gut. Nein, schwer krank konnte sie nicht sein, was sie schon einmal beruhigte. Denn was sollte Christian mit einer kranken Frau anfangen?

      Sie lächelte vor sich hin, strich sich eine Strähne aus der Stirn, als wollte sie mit dieser Geste auch diesen Gedanken wegschieben.

      Ich tu so, als wären wir schon ein Paar, sagte sie sich kopfschüttelnd. Dabei hatten sie sich gerade erst kennengelernt, wussten noch kaum etwas voneinander. Und dennoch hatte sie den Eindruck, als wären sie füreinander bestimmt.

      Wenn dem nur so wäre, dachte sie sehnsuchtsvoll. Christian war für sie die beste Medizin. In den wenigen Stunden, die sie bisher miteinander verbracht hatten, fühlte sie sich gut. Sehr, sehr gut. Bei dem Gedanken an ihn wurde ihr wieder ganz warm ums Herz. Sie spürte, dass sie lebte. Innerlich lebte.

      Dieses Gefühl verlor sich jedoch sofort wieder, nachdem Angela ihr Elternhaus betreten hatte.

      *

      Monika Häferle saß im Fernsehsessel und sah sich eine der Talkshows an, die morgens im Fernsehen liefen. Sie empfing ihre Tochter mit vorwurfsvollem Blick.

      »Wo warst du denn so lange? Vater sagt, du hättest zu Dr. Brunner fahren wollen.«

      »Dort komme ich gerade auch her«, antwortete Angela tonlos.

      »Gut, dass du da bist. Ich konnte mir das Haar heute nicht selbst waschen. Irgendwie muss ich mir im Schlaf den Nacken verlegen haben. Machst du das bitte schnell? Dann musst du nämlich in die Tankstelle. Dein Vater ist auf einen Empfang zum sechzigsten Geburtstag eingeladen. Dorthin geht er zu Fuß, du brauchst ihn also nicht zu fahren, was auch schlecht ginge, weil wir die Tankstelle ja nicht unbeaufsichtigt lassen können.«

      Angela spürte, wie sich der Druck in ihrem Kopf verstärkte. Wie Donnerschläge schlugen die Worte ihrer Mutter auf ihn ein, obwohl diese gar keine laute Stimme besaß.

      Sie hat keine einzige Frage zu meinem Arztbesuch gestellt, ging es ihr fassungslos durch den Sinn, während sie die Decke zusammenfaltete, die ihre Mutter sich über die Füße gelegt hatte. Außer Mama, Papa und Jenny darf hier im Haus anscheinend niemand krank sein.

      »Kommst du?« Monika Häferle stand schon in der Wohnzimmertür und zeigte in Richtung Obergeschoss, wo sich das elterliche Bad befand. »Du hast nicht viel Zeit.«

      Angela blieb im Flur stehen, sah ihre Mutter an, mit einem Blick, den diese nicht deuten konnte. Mit verständnisloser Miene zog Monika Häferle die dunklen Brauen zusammen. »Was ist, Schatz?«, erkundigte sie sich ungeduldig.

      Fast war die junge Frau so weit zu sagen, dass sie ihr am nächsten Tag die Haare waschen würde. Ihrer Meinung waren sie noch völlig in Ordnung, aber dann besann sie sich anders und folgte ihrer Mutter.

      »Erzähl mal, wie war es denn gestern bei Claudia?«, forderte Monika ihre Tochter auf, während Angela ihr das Haar trockenrubbelte. »So oft habt ihr euch aber lange nicht mehr gesehen, oder?«

      Aus dem Spiegel traf die junge Frau ein fragender Blick, der zugleich auch einen misstrauischen Ausdruck besaß.

      Aber vielleicht bilde ich mir diesen auch nur ein, sagte sich Angela.

      »Ich war am Samstag bei Claudia, nicht gestern«, stellte sie ruhig richtig.

      »Nicht gestern? Wo warst du denn dann?«

      »Essen.«

      »Mit wem?«

      »Mit Claudias Vetter. Wir haben uns auf der Geburtstagsparty kennengelernt.«

      Schweigen breitete sich im Badezimmer aus. Ein unangenehmes Schweigen, das gerade deswegen so unangenehm wirkte, weil ihre Mutter währenddessen an ihren nassen Haarspitzen herumzupfte, als würde sie überlegen, wie sie sie zu einer neuen Frisur legen könnte. Angela wusste jedoch nur zu genau, wie sehr es jetzt gerade hinter der immer noch faltenfreien Stirn ihrer Mutter arbeitete.

      »Meinst du, mir würde ein Pony stehen?«, fragte Monika schließlich in arglosem Ton.

      Alles, was außerhalb der Wunschvorstellung ihrer Mutter lag, konnte diese hervorragend verdrängen. Dieses Mal griff dieses Muster dann wohl doch nicht. Ihre Mutter ließ die Hand sinken und sah sie im Spiegel an.

      »Claudias Vetter?«, fragte sie. »Ist das der, der die Spedition seines Vaters übernommen hat?«

      »Hmmm.« Angela griff zur Rundbürste und zum Fön.

      »Und?« Ihre Mutter lächelte sie auffordernd an. »Wie ist der so?«

      »Sympathisch.«

      »Wirst du dich in Zukunft häufiger mit ihm treffen?« Der Blick aus den dunklen Frauenaugen gewann bereits an Schärfe.

      »Ja, wahrscheinlich am Wochenende wieder«, gab sie nur zur Antwort, allerdings mit


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