Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert Stifter
Читать онлайн книгу.»ich werde mir einen Platz finden.«
Nach diesen Worten setzte er sich auf einen Stuhl, und Witiko setzte sich wieder zu seiner Mutter.
»Er ist jetzt zurückgekehrt, der uns vor fünf Jahren verlassen hat«, sagte Wentila.
»Er hat wohl schon in früherer Zeit dieses Häuschen verlassen, da er ein Dienstknabe des Bischofes von Passau geworden ist«, sagte die Base.
»Der Bischof ist ein milder Herr gewesen«, antwortete Wentila, »und hat ihm oft erlaubt zu uns und zu dem hochehrwürdigen Vater Benno zu gehen, der ihn zu ihm geführt hatte, und hat ihm erlaubt, oft lange Zeit bei uns zu bleiben, und mir ist er erst fort gewesen, da er in das Land Böhmen geritten war.«
»Ich habe ihn, da er empor wuchs, alle Tage hier gesehen«, entgegnete die Base, »und als er nach Passau gegangen war, ist mir das Häuschen zu groß geworden.«
»Es ist nun so, daß Knaben von der Mutter fort gehen, um sich ein Leben zu gründen«, sagte Benno.
»Ich konnte nichts mehr tun, als für ihn beten«, sprach die Base.
»Das hast du ja auch früher getan«, sagte Wentila.
»Wir haben für ihn gebetet«; sprach die Base, »wie wir für alle die Unsrigen beten, und für andere Leute und für die, auf welche niemand in einem Gebete denkt.«
»Und du hast auch in allen anderen Dingen auf ihn gedacht«, sagte Wentila, »schon da er geboren wurde, und du in Pric bei uns als Gast warest, und ich seiner wegen Krankheit nicht warten konnte, und dann, als mein lieber Ehegatte gestorben war, und wir als Gäste bei dir in Landshut lebten. Du hast in jeder Sache für ihn geschaltet.«
»Ich bin es schuldig gewesen, und dann, da er fort war, konnte ich es nicht mehr tun, und es ist mir die Zeit leer geblieben«, sagte die Base. »Er ist auch immer so gut in seinem Gemüte gewesen.«
»Ich bin für dich noch gut in meinem Gemüte, und werde es in der Zeit meines ganzen Lebens sein«, sprach Witiko.
»Ich glaube, du bist auch sonst gut in deinem Gemüte«, sagte Wentila.
»Ich meine einen guten Sinn gegen alle Menschen zu tragen«, antwortete Witiko.
»Und als er dann mit dem hochehrwürdigen Vater Benno lernen mußte, hättest du ihm gerne Honigscheiben gegeben, daß er sich nicht zu sehr kränke«, sagte Wentila.
»Hast du die lateinische Sprache nicht vergessen, Witiko?« fragte der Vater Benno.
»Wenn ich eine Schrift des Heiligen Vaters in der lateinischen Sprache sähe, würde ich sie wohl verstehen«, antwortete Witiko, »und dann hat uns ja der hochehrwürdige Bischof Regimar in Passau sehr zur lateinischen Sprache angehalten, und ich habe manches in meinen Habschaften bei mir, das ich mit dir, hochehrwürdiger Vater Benno, gelernt habe.«
»Das Beste hat doch der fromme Vater Benno für Witiko getan«, sprach die Base, »er hat ihm Gottesfurcht und schöne Sprachen und gute Sitten und Kenntnisdinge und Lebensart und, was sich in der Welt zugetragen hat, in das Herz gepflanzt, und er hat ihn auch dorthin geführt, wo er den Waffenbrauch und das Reiten und das Schwimmen und das Laufen und andere Geschicklichkeiten lernen konnte. Es ist wohl recht lieblich gewesen, da der fromme Vater Benno mit euch von Pric gekommen war, da wir alle mit einander hier lebten, da wir zu manchen guten Leuten gingen, und am liebsten wieder bei einander zu Hause waren. Es wäre schön gewesen, wenn es so geblieben wäre.«
»Es wird jetzt wieder so sein«, antwortete Witiko, »ich bin gekommen, euch alle, wie ich zu meiner Mutter auf dem Kahlenberge gesagt habe, nach Pric zu geleiten, und wenn der hochehrwürdige Vater Benno auch mit uns geht, so werden wir dort noch näher bei einander leben als hier, da wir alle in dem Hofe von Pric wohnen werden.«
»Der fromme Vater Benno ist so oft von seiner Wohnung in unser Häuschen zu dir gekommen, daß ich meinte, er sei immer hier«, entgegnete die Base. »Und es wird auch in Pric nicht dauern.«
»Die Menschen trennen sich, und haben Schmerz«, sagte Benno, »und sie kommen wieder zusammen, und haben Freude.«
»Ich weiß, daß es so ist«, sprach die Base, »und gebe den Scheidenden Segenswünsche auf den Weg, und freue mich, wenn sie wieder kommen.«
»Der hochehrwürdige Vater Benno hat gesagt, Witiko«, sprach Wentila, »daß er mit uns nach Pric gehen wird.«
»Ich werde dahin gehen«, sagte Benno, »und werde die Menschen wieder sehen, die ich dort kenne, und werde auf dem Grab deines Vaters beten, Witiko.«
»Es ist mir eine große Freude, daß du nach Pric gehst, Vater Benno«, antwortete Witiko, »ich werde sorgen, daß die Reise leicht ist.«
»Witiko, mein Kind«, sagte Benno, »du hast uns Nachrichten von dir geschickt, und das ist gut gewesen, wir lebten wie mit dir. Du hast nun in der Zeit, in der du fort gewesen bist, Dinge der Welt gesehen, wie sie Schicksale der Menschen gründen und stürzen.«
»Hochehrwürdiger Vater«, antwortete Witiko, »du hast an mir so Großes und Gutes getan, daß du mich unterwiesest, belehrtest und anleitetest, daß ich es erst jetzt, da ich diese Dinge der Welt gesehen habe, recht erkenne und besser erkenne als früher, und daß ich dir es erst jetzt danke und besser danke als früher, und daß ich es immer noch besser erkennen und danken werde. Du hast mir von dem erzählt, was zwischen Menschen in früheren Zeiten geschehen ist, und du hast mich die Taten, wie sie gut und böse sind, und wie sie erfolgreich sind, schauen lassen. Ich habe daher in den Dingen, bei welchen ich jetzt war, manches gelernt, und werde bei anderen Dingen wieder manches lernen.«
»Daß ich dir meinen armen Unterricht zu Teil werden ließ, Witiko«, sagte Benno, »das ist so, wie der Gärtner eine Blume zieht, daß sie schön werden soll, und wie er sich an der Pflanze freut. Und ich bin mit deinem Vater in Freundschaft gewesen, ich liebte ihn, und er liebte mich, wie ein Bruder den andern liebt, und da er gestorben war, dachte ich immer an dich, Witiko. Und wenn du in menschlichen Dingen gelernt hast, und noch lernen wirst, so ist es wie bei uns allen, die wir lernen müssen, bis wir in das andere Leben kommen.«
»Bist du noch mit Emsigkeit daran, die Geschicke der Kaiser aufzuschreiben?« fragte Witiko.
»Als ich nach einer langen Krankheit die Besorgung der Kirche meiner Gläubigen aufgeben mußte«, sagte Benno, »habe ich angefangen, in meiner Stube aufzuschreiben, was den hocherhabenen Kaisern begegnet ist, da sie noch lebten, und ich fahre darin fort, und werde darin fortfahren, bis ich auf den Kaiser unserer Zeit komme, wenn mir Gott das Leben so lange fristet.«
»Da können viele lernen, denen die Worte bekannt werden«, sagte Witiko.
»Ich habe daraus gelernt«, antwortete Benno, »die Menschen lernen aber nicht gerne aus den Schicksalen anderer.«
»Silvester sagte, sie handeln nach ihrer Lust«, sprach Witiko.
»Davon ist das Unglück des Landes Böhmen ein Zeuge«, antwortete Benno, »sie üben Rache und ergötzen sich an der Grausamkeit der Rache, sie reißen Güter mit Gewalt an sich, und genießen die Güter mit Übermut. Dann kömmt ein anderer, und rächt sich an ihnen und nimmt die Güter wieder, oder ein starker Herzog wirft die Empörer nieder, zieht ihr Gut an sich, und stürzt sie in Ohnmacht. Und die nach ihnen kommen, üben wieder Rache, üben wieder Gewalt, und werden wieder gestürzt. So ist es oft gewesen, und so wird es wieder sein, wenn nicht ein fester Brauch errichtet wird, wie der Herzog nach dem Tode des frühern Herzoges folgen soll, und wenn nicht der heilige Glaube tief gegründet, und in schönen Ordnungen durch das ganze Land geleitet wird, daß er die Herzen erleuchtet. Möge der Segen des Himmels auf Guido, dem Gesandten des Heiligen Vaters, ruhen, der erwartet wird.«
»Viele erwarten ihn mit Ungeduld«, sagte Witiko.
»Mögen sie aber auch seinem Tun entgegen kommen«, sprach Benno. »Mein Kind, wenn du nicht anders als in deiner frühen Jugend bist, so wirst du gewiß nicht Hochmut, Raub und Unterdrückung üben. Und dir wird ein großes Gut entstehen, die Liebe der Deinen, und dazu wird der Himmel sich freuen. Aber auch deine Macht wird sich vermehren, wenn man gleich