Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert Stifter

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Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter - Adalbert Stifter


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ist und bei den großen Lechen und bei den Herren und bei denen, die es verstehen, und wer es versteht, dem müssen sie folgen, und ich sage euch, da redet ihr alle, bevor der Herr geredet hat, als ob ihr vornehmer wäret, erst redet der Herr und dann der Untertan.«

      »Du redest auch vor dem Herrn, und mehr als wir alle«, rief Zacharias, der Schenke.

      Die Menschen lachten; aber sie schwiegen.

      Da sprach Witiko: »Redet, es rede, wer da wolle.«

      Sie redeten aber jetzt nichts mehr.

      Da erhob Witiko seine Stimme, und rief: »Richter der Häuser und Orte meines Gebietes, ihr habt mir das Gelöbnis der Untertänigkeit für alle Menschen des Gebietes auf das Kreuz des Heilandes geleistet, ich nehme das Gelöbnis an, und leiste auf das Kreuz des Heilandes euch und allen Menschen des Gebietes das Gelöbnis der Treue eines Herren gegen seine Untertanen und der Erfüllung der Pflichten der Herrschaft entgegen. Ich beginne an dem heutigen Tage die Herrschaft, und sage: den zehnten Teil dessen, was ihr dem hocherlauchten Herzoge Wladislaw als Gebieter des Waldlandes gegeben habt, erlasse ich euch auf die Zeit meines Lebens. Das andere werdet ihr mir entrichten. Die Dienste für mich allein zu meinem Bedarfe und zu meinem Vergnügen werde ich nicht von euch erzwingen, meine Bauwerke, meine Wege, meine Stege und Brücken, meine Reisen, meine Jagden und meine Bewachung schöpfe ich aus meinem Eigentume. In den Diensten für das Gebiet und für den hocherlauchten Herzog werde ich euch nicht bedrücken, und werde euch, wenn die Notwendigkeit dazu kömmt, die Notwendigkeit darlegen. Den Guten werde ich gut sein, wie ein Genosse des Waldes dem Mitgenossen des Waldes ist. Die da fehlen, werde ich zu bessern suchen, und wenn Strafe sein muß, werde ich nach dem Erweise der Schuld milde aber sicher strafen. Wer Hilfe braucht, der komme zu mir, und ich werde nach meinen Kräften helfen. Die Tore meiner Wohnung werden offen stehen, daß keiner meiner Untertanen ausgeschlossen ist. Ich danke euch, daß ihr gekommen seid, gehet zu den Eurigen und verkündet, was ich gesagt habe.«

      Als er diese Worte mit lauter Stimme gerufen hatte, entstand ein Schreien in dem Volke, daß kein einziger Ruf zu verstehen war; aber es war ein Schreien der Zustimmung und ein Schreien der Freude. Sie drängten sich herzu, daß kein Raum mehr zwischen ihnen und Witiko war, und es stieß einer den andern. Und in dem Schreien des Volkes hörte man das Aufweinen von Kindern und das Kreischen von Weibern, die gedrückt wurden. Die Richter aber streckten ihre Hände gegen Witiko, und er reichte jedem die seinige. Und als das Schreien sich gemildert, und als man einzelne Rufe vernommen hatte: »Heil Witiko«, »Segen Witiko«, »das ist recht«, »das ist gut«, und als nur mehr die Stimmen durcheinander redeten, nannte Witiko jeden Richter mit seinem Namen, und sagte ihm, daß er seine Insassen und seine Angehörigen grüßen möge.

      Dann wurde das Kreuz des Heilandes in die Kirche getragen, Witiko und Wentislaw und der Pfarrer und der Richter von Plan bahnten sich einen Weg durch die Menschen, und gingen gegen das steinerne Häuschen Witikos.

      Alle Menschen, die vor der Kirche gewesen waren, gingen mit ihnen, und die zu Hause hatten bleiben müssen, standen jetzt auf der Gasse, und sahen dem Zuge nach, und immer dauerte das Rufen der Freude und das Jubeln. Witiko und seine Gefährten traten in das Häuschen, und verzehrten dort ein Mahl. Als das Mahl geendiget war, kamen junge Männer und Mädchen in ihrem Festtagputze auf die Gasse vor dem Häuschen, und sangen Lieder. Witiko und seine Gäste gingen zu ihnen hinaus, und hörten zu. Und als die Lieder zu Ende waren, dankte Witiko den Sängern und Sängerinnen herzlich, und es dankten die Gäste. Dann dankte Witiko auch den Menschen, die noch immer auf der Gasse versammelt waren, und sie zerstreuten sich nach und nach.

      Am nächsten Tage ritt Wentislaw mit seinem Geleite wieder gegen Daudleb zurück.

      Als die Morgenstunden dieses Tages vergangen waren, kamen der Pfarrer und der Richter von Plan mit mehreren Männern zu Witiko, und brachten ihm die Huldigung von Plan dar. Er reichte ihnen Brot und Salz, und dankte. Dann sprachen sie von verschiedenen Dingen. Witiko sagte, er werde von Männern wie Lubomir und Bolemil lernen, was in dem Walde zu tun sei, es liege ein Schatz in dem Walde, der gehoben werden könne. Wenn er die Mittel wisse, werde er jedem, der es wünscht, in seinem Gebaren behilflich sein. Die Männer dankten, und sagten, sie würden sich folgsam erweisen. Witiko lud sie ein, an den Abenden, so lange er da sei, zu ihm zu kommen. Die Männer versprachen es.

      Und am Abende des Tages saß er mit vielen Männern vor dem Häuschen, und sie sprachen, bis die Zeit zum Nachhausegehen gekommen war.

      Witiko ging auch an Abenden in andere Häuser, und saß dort bei den Männern, die sich versammelt hatten.

      In diesen Tagen kamen noch Richter mit Männern aus Waldstellen nach Plan, um Witiko die Huldigungen darzubringen. Er sprach zu ihnen, wie er zu denen von Plan gesprochen hatte.

      Hierauf ritt er nach Friedberg, und wohnte in dem steinernen Hause. Da kamen auch noch Richter mit Männern zur Huldigung, und es wurde gesprochen, was in Plan gesprochen worden war.

      Eines Tages sandte Witiko Botschaft an den Brunnenmeister in Daudleb. Der Brunnenmeister kam nach einer Zeit zu ihm. Witiko ließ die Brunnenarbeiter, mit denen er bei seinem früheren Aufenthalte in Friedberg gesprochen hatte, kommen, und er ging dann mit allen durch den breiten Wald hinauf zur Stelle, auf welcher die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden war. Dort, sagte er, möchte er einen Brunnen graben lassen, wenn man gutes Trinkwasser finde. Der Brunnenmeister meinte, es werde reines Trinkwasser im Granitsteine gefunden werden. Und dann bestimmte er die Zeit, wann begonnen werden könnte, und machte die Vorbereitungen. An dem bezeichneten Tage begannen die Männer zu graben. In der Zeit, da sie gruben, ritt Witiko mit einem Geleite zu Lubomir, zu Rowno, zu Diet von Wettern, zu Osel und den anderen Herren, die in der Nähe seines Gebietes hausten. Diese Herren kamen dann auch mit Geleiten zu Witiko in das steinerne Haus nach Friedberg, und wurden von ihm bewirtet.

      Es kam auch der Richter von Friedberg mit mehreren Männern zu ihm, und sie baten ihn um Unterstützung zur Erweiterung des kleinen hölzernen Kirchleins. Witiko sagte die Unterstützung zu, und bald wurden die Anstalten zu dem Baue gemacht.

      An einem Tage kam auch Huldrik zu Witiko, und sagte, daß er eine Bitte habe.

      »So bitte, Huldrik«, sagte Witiko, »es wird nichts Ungebührliches sein, und ich werde es erfüllen.«

      »Es ist etwas Notwendiges«, sagte Huldrik.

      »So sprich«, sagte Witiko.

      »Ich bitte, erlaubet mir, daß ich auf dem steinernen Torbogen dieses Hauses, in dem Ihr wohnt, eine Rose mit fünf Blättern einmeißeln lassen darf«, sagte Huldrik.

      »Liegt dir viel daran, daß dies geschehe?« fragte Witiko.

      »Es ist ein Zeichen der Zeiten, und die Zeichen und die Zeiten werden wachsen«, antwortete Huldrik.

      »So lasse die Rose meißeln«, sagte Witiko.

      »Und die fünf Blätter werde ich ein wenig mit der roten Farbe bemalen lassen«, sprach Huldrik, »denn die Rose ist die rote Rose.«

      »Mir sind die roten Waldrosen einmal ein Zeichen geworden«, sagte Witiko.

      »Seht Ihr«, sprach Huldrik.

      »So mache sie rot, aber nur ein wenig«, entgegnete Witiko.

      »Nur so viel, daß die Rose die rote Rose ist«, sagte Huldrik.

      »So tue es, und mache deine Vorbereitungen, wenn du einmal anfangen willst«, sprach Witiko.

      »Es muß jetzt geschehen«, sagte Huldrik.

      »Wer wird die Rose machen?« fragte Witiko.

      »Elias, der Steinhauer von Plan«, antwortete Huldrik, »und er wird auch die rote Farbe bringen.«

      »So sei es«, sagte Witiko.

      Huldrik ging nun in den oberen Plan, und kam mit dem Steinhauer Elias zurück. Elias begann nun auf einem Gerüste an dem Torbogen zu meißeln, und meißelte fünf Tage, und Huldrik stand fünf Tage bei ihm. Dann wurde das Gerüste weggenommen, und man sah auf dem Scheitel des steinernen Torbogens eine fünfblättrige Rose mit schwacher roter Farbe.

      »Erlaubet,


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