Das Leben der galanten Damen. Pierre de Brantôme

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Das Leben der galanten Damen - Pierre de Brantôme


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so trägt er doch noch zweierlei persönlich hinein, ein schmunzelndes Vergnügen an den amüsanten Begebenheiten und ein merkwürdiges, literarisches Talent. Es kann sogar so sein: Brantôme kann sich am Anfang ganz neutral gegen seinen Stoff verhalten haben, näher, als etwa Memoiren, ließ er ihn sich nicht kommen. Was wir aber gut erzählen können, was wir besonders fein und gut niederschreiben können, dem kommt auch die Freude an unserm Können zugute, wir strömen unser eignes Vergnügen mit hinein, und es wird im Handumdrehen zu einem Vergnügen an den Dingen selbst. Das Leuchten unserer Seele glüht sie an, und dann sehn die Dinge selbst wie Gold aus. Aber Brantôme durchbricht nicht einmal häufig die Unverbindlichkeit seiner Berichte. Mit der eignen Meinung über die Handlungen der großen Herren und vornehmen Damen hält er meistens zurück, er überläßt es den kompetenten »grands discoureurs«, über diese Dinge zu urteilen. Man darf ja auch, wenn man z. B. über den Hof Heinrichs II. und Katharinas von Medici etwas erfahren will, nicht gerade auf Brantôme hören; von ihm bekommt man den Eindruck, als wäre der Hof das Muster einer moralischen Anstalt: »Sa compagnie et sa court estait un vray paradis du monde et escole de toute honnesteté, de vertu, l'ornement de la France,« sagt er einmal irgendwo in den Dames illustres (S. 64). Dagegen berichtet z. B. L'Etoile aus dem Monat Mai 1577 über ein Bankett, das die Königin-Mutter in Chenonceaux gab: »les femmes les plus belles et honnestes de la cour, estant à moitié nues, et ayant les cheveux épars comme espousées, furent employées à faire le service.« Auch andere Zeitgenossen wissen über die am Hof herrschende Unzucht nicht genug zu berichten. So haben wir kuriose Berichte über die Schwangerschaft der Limeuil, die ihre Wehen in der Garderobe der Königin in Lyon bekam (1564), der Vater war der Prinz von Condé. Zum Überfluß kann auch Johanna d'Albret ihren Sohn, den späteren Heinrich IV., nicht genug vor der »Korruption« des Hofes warnen; als sie ihn einmal in Paris besuchte, entsetzte sie sich über die Sittenlosigkeit am Hofe ihrer Schwiegertochter, der späteren Königin Margot, die in der »verfluchtesten und verdorbensten Gesellschaft« lebte (Brantôme pflegte eine Art Vetternschaft mit ihr, und sie antwortete auf den Panegyrikus, den er ihr in seinen Rodomontaden zollte, in ihren »Memoiren«, die sie ihm widmete). Brantôme fühlte allerdings nicht die Mission in sich, der Savonarola der Valois zu werden. Zu seiner Betrübnis rückte ihm aber die »Kultur« auch noch in der eignen Familie auf den Leib. Er bekam immer mehr Ursache, mit seiner jüngsten Schwester Madeleine sehr unzufrieden zu sein, der Lebenswandel des galanten Hoffräuleins erfüllte ihn mit Entrüstung. Er ließ sie aus dem Haus werfen und zahlte sie aus. Nach allem wird man von Brantôme eine strenge, historische Genauigkeit gar nicht fordern. Die Historiker halten ihn wieder aus anderen Gesichtspunkten in seinen Nachrichten für wenig exakt. Ranke zieht ihm de Thou und d'Aubigné vor. Gewisse Moraltrompeter der Geschichtswissenschaft verdenken es Brantôme sehr, daß er die »Schändlichkeiten« der Höfe der Valois aufdeckte. Seine Eitelkeit mag ihn zu manchen Modifikationen der Geschehnisse geführt haben, meistens werden sie aber dem Drang, zu unterhalten, auf Rechnung zu setzen sein. »Bien vous dirai-je,« redete er die Königin Margot in der Dedikation der Rodomontades espaignoles an, »que ce que j'escrits est plein de verité: de ce que j'ay veu, je l'asseure; de ce que j'ay sceu et appris d'autruy, si on m'a trompé n'en puis mais; si tiens-je pourtant beaucoup de choses de personnages et de livres très véritables et dignes de foy.« Er übte aber doch eine primitive Methode; bei den persönlichen Schilderungen hatte er ja den Faden, an dem er seine Erinnerungen aufreihen konnte; dadurch bekamen sie wenigstens einige Pragmatik. Man braucht es aber auch nur seinen historischen Werken gegenüber im Gedächtnis zu behalten, daß er in seinen eingaben nicht absolut zuverlässig ist, daß man ihm nicht ohne Zaudern vertrauen kann. In den »Galanten Damen« tritt das Einzelfaktum zurück und gewinnt mehr eine Art symbolische Gültigkeit. Es sind Kulturbilder, die aus einer verwirrenden Fülle von Anekdoten zusammengesetzt sind. Diese Kulturschilderungen haben auch einen unbedingten Wert. Vielleicht verlangte schon der Gegenstand die gehäufte und bizarre Darstellungsart. Margarete von Navarra war in ihrem Heptameron doch schon allzu kunstvoll und preziös. Brantôme war ein Mann des Schwerts und ein Höfling, kein Hofmann zwar, sondern einer, dem zwischen den Witzworten auch gern die Hand an den Degen fuhr. Gerade in dieser Verfassung war er ein vortrefflicher Plauderer, seine Anekdoten und Geschichten haben daher auch die Aktualität und die frische, lebendige Komposition naiv vorgetragener Erzählungen.

      Trotz der Gegnerschaft der Historiker enthalten die Dames galantes immer noch viel Geschichtliches; fast alle alten Adelsgeschlechter treten mit Namen auf, über Navarra, Parma, Florenz, Rom, Toulouse fallen Streiflichter, auch die Hugenotten tauchen auf, von der Bartholomäusnacht (1572), die eigentlich schon im Rüchen lag, fällt immer noch ein düsterer Schein her, die Laufgräben vor La Rochelle spielen eine große Rolle, Brantôme kämpfte stets gegen die Hugenotten, vielleicht war er deshalb bei dem Bourbon Heinrich W. nicht mehr beliebt. Animosität kann man ihm aber nicht nachsagen. Der freie, offne, reformfreundliche Sinn hatte wohl auf ihn abgefärbt. Ohne Interesse an religiösen Streitigkeiten, haßte er wohl auch die Mönche und Pfaffen. So möchte man denn dem zelotischen Geist, der gegen Brantôme eifert, sagen: Wenn von Schuld und Verantwortung die Rede sein kann, dann ist es das Zeitalter, das sie zu tragen hat, Brantôme war nur der Chronist der Sitten seiner Zeit; das Material bekam er geliefert, er schrieb es nur nieder. Er ist ebensowenig für sein Buch verantwortlich, wie ein Redakteur für den Bericht eines Berliner Lustmordes oder eines Bombenattentates in seiner Zeitung. Ranke sagte einmal über die Zeit Heinrichs II.: »Will man Gedanken und Meinungen des damaligen Frankreich kennen lernen, so muß man Rabelais lesen« (Franz. Gesch. I. 133). Wer die Zeit Karls IX. und Heinrichs III. kennen lernen will, muß Brantôme lesen.

      Der schlechten Mode, sich über die Schwierigkeiten seiner Übersetzung zu verbreiten, möchte ich hier nicht zu frönen scheinen. Dennoch muß ich sagen, daß Brantôme unglaublich salopp schreibt. Seine Schachtelsätze könnten berühmte Schulbeispiele sein, wenn nur ihr Inhalt für die Bedürfnisse der Schule trockener und langweiliger wäre. Dieser Stil ist ganz persönlich, ganz individuell; wer der Übersetzung auch nur einen Schimmer des sprachlichen Glanzes des Originals geben will, muß versuchen, dieser knorrigen Individualität gerecht zu werden. Seine langatmigen Perioden muß man ihm allerdings zerbrechen und in Einzelsätze zerlegen. Freilich, es ist der plaudernde Hofmann, und bei aller Lässigkeit bringt er noch in die kühnsten Verschachtelungen eine gewisse Frische des lebendigen Gesprächs mit hinein. Es galt in der Übertragung vor allem die prachtvolle Gauloiserie Brantômes mit zum, Ausdruck kommen zu lassen. Gerade der literarische Charakter dieses Autors verlangt, daß, bei allen Hemmungen, die wir heute der unmittelbaren Natürlichkeit seiner Sprache gegenüber empfinden, die Wiedergabe seines Werkes nicht verwaschen oder abgeschliffen herauskomme. Die Vollständigkeit unserer Ausgabe blieb von den eben angedeuteten Rücksichten unberührt.

      Georg Harsdörffer

      An Seine Gnaden Den Herzog von Alençon Von Brabant und Graf von Flandern, Den Sohn und Bruder unserer Könige

       Inhaltsverzeichnis

      Monseigneur,

      Da Ihr mir am Hofe oft die Ehre erwiesen habt, in vertrautester Weise mit mir über verschiedene Anekdoten und Geschichten zu plaudern, die Euch so vertraut und zur Hand sind, daß man sagen möchte, man sieht sie Euch im Munde wachsen, so groß, rasch und fein ist Euer Geist, so fein und köstlich Eure Rede, habe ich es übernommen, diese Gespräche, wie sie geführt wurden, nach meinem besten Können aufzuzeichnen, damit sie Euch, wenn einige darunter Euch gefallen, die Zeit vertreiben und Euch wieder ins Gedächtnis rufen, daß ich bei Euren Gesprächen zugegen war, mit denen Ihr mich beehrt habt wie nur einen Edelmann am Hofe.

      Ich widme Euch also, gnädiger Herr, dieses Buch und bitte Euch, es mit Eurem Namen und Eurer Autorität zu decken, Ihr dürft erwarten, daß ich mich mit ernsten Dingen befasse. Ich zeige Euch noch ein anderes an, das ich sozusagen vollendet habe, in dem ich ausführlich vergleichend von sechs großen Prinzen und Feldherren erzähle, deren Ruf heute in der Christenheit verbreitet ist, nämlich: König Heinrich III., Eurem Bruder, Eure Hoheit, Eurem Schwager, dem König von Navarra, Herrn von Guise, Herrn von Maine und Sr. Erlaucht dem Prinzen von Parma, indem ich vor allen andern Eure Tapferkeit, Eure Tüchtigkeit, Eure Verdienste und edlen Taten rühme, worüber ich den Schluß jenen überlasse,


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