Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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mittränke.«

      »Bitte um Verzeihung,« sagte Pfeffer, »wenn ich auf etwas Derartiges anstieße, so wäre es höchstens auf die »beste Brille«; der Teufel soll die schönen Augen holen, wenn man Abends nicht mehr damit lesen kann.«

      »Hahaha, Freund Pfeffer, immer giftig!«

      Graf George rückte jetzt mit zum Tisch und das Gespräch wurde allgemeiner; nur Handor war merkwürdig einsilbig geworden, und so ausgelassen lustig er im Anfange geschienen, so schweigsam zeigte er sich jetzt, daß es sogar den Tischgenossen auffiel. Wie er aber nacheinander ein paar Gläser des feurigen Trankes hinuntergestürzt, wurde er etwas lebendiger; doch lagen ihm immer noch die paar Worte auf dem Herzen, welche ihm der junge Graf vorher gesagt. Was wollte der von ihm? Eine Geschäftssache? War er dem Liebesverhältniß mit dessen Schwester auf die Spur gekommen und wollte ihn jetzt vielleicht gar fordern? Die Cavaliere nannten das eine Geschäftssache. Das Gefühl wurde ihm zuletzt so unbehaglich und drückend, daß er aufstand, hinter Graf George's Stuhl ging und, leise seine Schulter berührend, sagte: »Mein lieber Herr Graf, Sie wollten mir vorhin etwas mittheilen; wenn ich bitten dürfte, ich kann nicht mehr lange bleiben.«

      »Ach ja,« rief George, indem er aufsprang und nach seiner Uhr sah, »meine Zeit ist ebenfalls um; sagen Sie einmal, lieber Handor,« fuhr er dann leise fort, indem er ihn unter dem Arm nahm und etwas bei Seite führte, »ich habe eine Bitte an Sie.«

      »An mich?«

      »Zuerst muß ich Ihnen die Mittheilung machen, daß wir morgen über acht Tage, also am Freitag, die Verlobung meiner Schwester Paula in unserem Hause...«

      »Ihrer Schwester Paula....?«

      »Bst, nicht so laut, die Sache ist noch Geheimniß, soll wenigstens nicht vor der Zeit öffentlich bekannt werden, und ich ersuche Sie auch deshalb um Ihre Discretion; also daß wir dann in unserem Hause Paula's Verlobung feiern, und ich wollte sie gern zu dem Tage, unter anderen Sachen die ich mir ausgedacht, mit der Aufführung irgend eines hübschen Stückes auf unserem kleinen Liebhaber-Theater überraschen. Haben Sie etwas recht Hübsches, Neues, das wir bis dahin noch lernen können, und sind Sie vielleicht selber im Stande, uns bei der Inscenesetzung und den Proben zu unterstützen? Aber es muß natürlich Alles heimlich betrieben werden, denn weder Braut noch Bräutigam dürfen etwas davon erfahren.«

      »Herr Graf,« sagte Handor, und er mußte sich Mühe geben, die Worte heraus zu bringen, so hatte der Schreck über die all' seinen Hoffnungen drohende Nachricht seine Zunge gelähmt, »ich – ich glaube gewiß, daß ich etwas Passendes finde, und stehe Ihnen mit Vergnügen zu Diensten.«

      »Danke Ihnen, lieber Handor,« sagte der junge Mann, indem er ihm die Hand drückte, »Sie werden uns dadurch unendlich verbinden; Sie wissen ja selber, wie meine Schwester das Theater liebt und dafür schwärmt. Irgend ein hübsches neues Lustspiel von Scribe vielleicht und nicht zu lang; aber Sie können am besten beurtheilen, was dafür passend ist.«

      »Gewiß, Herr Graf, gewiß, ich – ich finde sicher etwas; nur – nur in diesem Augenblick...«

      »Nun, natürlich läßt sich das nicht so Knall und Fall bereden,« sagte Graf George; »überlegen Sie sich die Sache, und bitte, geben Sie mir morgen Abend spätestens Nachricht. Ich muß jetzt fort, denn ich bin zu einer Whistpartie engagirt. Also, adieu Handor, auf Wiedersehen!« und damit reichte er ihm die Hand. »Guten Abend, meine Herren!«

      Handor trat zum Tisch zurück und mußte sich merklich zwingen, seine ruhige Fassung zu bewahren. Er bestellte noch eine Flasche Champagner und trank hastig; aber die Gedanken ließen ihm nicht Ruhe, er mußte allein sein und stand endlich auf, die Gesellschaft, der seine Aufregung nicht entgehen konnte, zu verlassen.

      Ein paar Gäste wollten ihn noch mit seiner Zerstreutheit necken; aber er ging nicht auf ihre Scherze ein und verließ endlich nach einer unbestimmten Entschuldigung das Zimmer.

      Draußen an der Treppe, die hinauf auf die Straße führte, traf er Trauvest, an dem er mit einem kurzen Gruß vorüber wollte.

      »Hören Sie, mein lieber Handor,« redete ihn dieser an.

      »Ja, Trauvest?«

      »Sie nehmen es mir nicht übel,« fuhr der Wirth freundlich fort, »aber ich muß Sie wirklich bitten, daß Sie mir wenigstens einen Theil Ihrer schmählich aufgelaufenen Rechnung zahlen. Ich selber habe meine letzte Weinsendung in den nächsten Tagen zu berichtigen und bin wirklich in Verlegenheit, wo ich das Geld hernehmen soll; ich würde Sie sonst doch noch nicht belästigen.«

      »Hm, ja, Trauvest, wie viel bin ich Ihnen denn eigentlich so ungefähr schuldig?«

      »Nun, es werden ohne das Heutige immer so eine dreihundert und einige siebzig Thaler sein.«

      »Dreihundert, alle Teufel, das hat sich merkwürdig aufsummirt!«

      »Ja, lieber Gott,« sagte Trauvest achselzuckend, »billige Weine trinken Sie nicht, und eine hübsche Zeit ist ebenfalls verstrichen, seit Sie die letzte Abzahlung machten.«

      »Sie haben Recht, Trauvest,« sagte Handor, indem er seinen Paletot zuknöpfte; »den Wievielten schreiben wir heute?«

      »Der Monat geht auf die Neige.«

      »Am Ersten sollen Sie bedacht werden, Sie gehen vor.«

      »Vergessen Sie's nur nicht, Herr Handor.«

      »Gewiß nicht, alter Freund; guten Abend!« Und er stieg die Treppe hinauf, die hinaus in's Freie führte.

       Jeremias.

       Inhaltsverzeichnis

      Ehe sie nur das kaum zweihundert Schritt von dort gelegene neue Wohnhaus des Grafen Rottack erreichten, waren Jeremias und die kleine lebendige französische Bonne, die aber ziemlich gut Deutsch sprach, schon die besten Freunde geworden, und selbst das kleine Helenchen schien sich so wohl bei ihrem neuen Wärter zu befinden, der auch fortwährend mit ihr lachte und plauderte, daß sie nicht die mindeste Furcht mehr vor ihm hatte. Nur der kleine Günther betrachtete ihn noch immer ein wenig scheu und mißtrauisch von der Seite – er konnte augenscheinlich noch nicht recht klug aus ihm werden, und dann war Jeremias doch auch eine von allen denen, mit welchen er bis jetzt verkehrt, so verschiedene Persönlichkeit, daß sich der kleine Bursche fast unwillkürlich von ihm zurückhielt.

      Jeremias hatte aber jetzt auch in der That genug mit sich selber zu thun, denn so unbefangen er sich sonst in allen Lebensverhältnissen benahm, so fühlte er sich doch, als er in diesem Augenblick die neue und sehr elegante Wohnung des Grafen Rottack betrat, in einer so vollständig ungewohnten Sphäre, daß er einige Zeit brauchte, um sich hinein zu finden.

      In Brasilien hatte er allerdings verschiedene Male mit Grafen und Gräfinnen verkehrt, aber das waren auch ganz andere Verhältnisse gewesen. Titel und Namen mochten sie allerdings gehabt haben, aber der äußere Glanz fehlte ihnen dort, der im alten Vaterland unter solchen Verhältnissen, wenn auch oft auf das Künstlichste, doch stets gewahrt und beobachtet wird, und so unbefangen er anfangs die Einladung zum Diner von dem jungen Grafen angenommen hatte, dessen er sich noch recht gut erinnerte, wie er mit der Violine in Santa Clara herumlief und bei Bohlos an dem nämlichen Tische sein Bier trank, an dem er selber ab und zu einsprach – so befangen fühlte er sich jetzt plötzlich, als er die betreßten Diener sah, die herzusprangen, als Graf und Gräfin das Haus betraten, und die Ehrfurcht bemerkte, mit der das junge Paar von allen Seiten behandelt wurde. Ja, er kam in die größte Verlegenheit, als er Helenchen auf den Boden gesetzt hatte und einer der Diener zusprang und ihm den Hut abnahm, während ein anderer – was er eben an Graf Rottack gethan – auch zu ihm kam, um ihm den Oberrock auszuziehen.

      »Bitte,« sagte Jeremias erschreckt, »ich habe nur den einen an und kann doch...« – er hielt plötzlich inne, denn er sah, wie sich die Bonne nur mit Gewalt das Lachen verbiß, und der Diener selber trat etwas bestürzt zurück, weil er bemerkt, daß


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