Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
Читать онлайн книгу.bei der Lieferung von wirkungsvollem Zauberschutz für Die von unserm Departement angewendet. Fühlt an Euern Hals, Ihr findet da ein kleines silbernes, sehr billiges Amulett. Das ist Unseres. Versteht Ihr?«
»O–a, ja – hawa–dilli,« sagte Kim, an seinen Hals fühlend.
»Huneefa macht sie für zwei Rupien, zwölf Annas, eingeschlossen – o, alle Arten von Exorcismus. Sie sind ganz allgemein, ausgenommen, daß sie meist von schwarzer Email sind und inwendig ein Zettel liegt mit Namen von einheimischen Heiligen und solchem Zeug. Das ist Huneefas Werk, seht Ihr? Huneefa liefert sie nur für uns und tut sie es einmal nicht, so legen wir, bevor wir sie ausgeben, ein kleines Stück von einem Türkis hinein. Mr. Lurgan liefert das; eine andere Hilfsquelle gibt es nicht. Ich aber habe dies alles erdacht. Es ist geradezu unoffiziell, natürlich, aber paßt gut für Untergeordnete. Oberst Creighton weiß nichts davon. Er ist Europäer. Der Türkis ist in Papier gewickelt… ja, dies ist der Weg zur Station … Nun, vermutlich geht Ihr mit dem Lama, später, hoffe ich, mit mir oder mit Mahbub. Nehmt an, wir gerieten in eine verdammt kritische Lage. Ich bin ein ängstlicher Mann – sehr ängstlich – aber ich sage Euch, ich bin öfter in verdammt kritischen Lagen gewesen als ich Haare auf dem Kopf habe. Dann sprecht Ihr: ›Ich bin Sohn des Zaubers‹ – Sehr gut.«
»Ich verstehe nicht ganz. Man darf auch hier nicht hören, daß wir Englisch sprechen.«
»Sehr wohl. Ich bin nur ein Babu, der mit seinem Englisch prahlt. Wir Babus sprechen alle Englisch, um damit zu prahlen,« sagte Hurree, sein Schultertuch flott schwenkend. »Was ich sagen wollte: ›Sohn des Zaubers‹ bedeutet, daß Ihr Mitglied der Sat Bhai – der Sieben Brüder sein könntet – was Hindi und Tantric (Lehre der Tantras) ist. Es wird allgemein angenommen, daß es eine erloschene Genossenschaft ist, ich aber habe Berichte geschrieben, um zu beweisen, daß sie noch existiert. Ihr seht, es ist alles mein Gedanke. Sehr wohl! Sat Bhai hat viele Mitglieder und vielleicht – ehe sie Euch flott die Gurgel abschneiden – geben sie Euch eine Chance zum Leben. Das ist jedenfalls nützlich. Und überdies, diese närrischen Eingeborenen – wenn sie nicht gar zu exaltiert sind – besinnen sich, ehe sie einen Mann töten, wenn er sagt, daß er irgend einer spezifischen Organisation angehört, seht Ihr? Ihr sprecht also, wenn Ihr in kritischer Lage seid: ›Ich bin Sohn des Zaubers‹ und Ihr gewinnt – vielleicht – ah – günstigen Wind. Das ist nur für außergewöhnliche Gelegenheiten oder wenn Ihr Unterhandlungen mit einem Unbekannten anknüpfen wollt. Versteht Ihr ganz genau? Seht wohl! Nehmt nun an, ich, oder ein anderer von unserm Departement, träte in ganz fremder Kleidung zu Euch. Mich würdet Ihr nicht erkennen, wenn ich wollte, was wettet Ihr? Ich werde es Euch eines Tages beweisen. Ich komme also als Ladakhi-Händler – o, als irgend etwas – und ich spreche zu Euch: »Ihr wollt kostbare Steine kaufen?« Ihr antwortet: »Sehe ich aus, wie einer, der kostbare Steine kauft?« Und ich spreche: »Selbst ein sehr armer Mann kann Türkisen oder Tarkeean kaufen.«
»Das ist Kichree» (Kedjeree, ind. Gericht aus Reis, Erbsen, Zwiebeln usw. Mischmasch) sagte Kim – »Pflanzen-Curry.«
»Natürlich ist es das. Ihr sprecht: »Laß mich das Tarkeean sehen.« Ich sage: »Es ward von einem Weibe gekocht und ist vielleicht nicht gut für Deine Kaste.« Dann sprecht Ihr: »Es gibt keine Kaste, wenn Männer Tarkeean sehen – wollen.« Ihr pausiert ein wenig zwischen den Worten »sehen – wollen.« Das ist das ganze Geheimnis. Die kleine Pause zwischen den Worten.« Kim wiederholte versuchsweise diese Worte.
»Sehr wohl! Dann, wenn Zeit dazu ist, zeige ich Euch meinen Türkis und Ihr wißt wer ich bin, und dann tauschen wir Ansichten und Dokumente und solche Dinge aus. Und so ist es mit jedem von uns. Zuweilen reden wir von Türkisen, zuweilen von Tarkeean, aber stets mit der kleinen Pause zwischen den Worten. Es ist ganz leicht. Zuerst: »Sohn des Zaubers«, wenn Ihr in kritischer Lage seid. Vielleicht hilft Euch das – vielleicht nicht. Dann: Das, was ich Euch von Tarkeean sagte, wenn Ihr offizielle Geschäfte mit einem Fremden verhandeln wollt. Jetzt, natürlich, habt Ihr keine offiziellen Geschäfte, Ihr seid – ah – ah! Supernumerar auf Probe. Ganz einziges Specimen. Wäret Ihr Asiate von Geburt, könntet Ihr frischweg verwendet werden; dies halbe Jahr Urlaub soll Euch entenglischen, seht Ihr? Der Lama erwartet Euch, denn ich habe ihn halb offiziell unterrichtet, daß Ihr alle Euere Examina bestanden und bald Regierungs-Anstellung zu gewärtigen habt. Oh, ho! Ihr seid jetzt auf Vergünstigungsration gesetzt, seht Ihr? Wenn Ihr aber angerufen werdet, um Söhnen des Zaubers beizustehen, so versucht es flottweg. Nun sage ich Euch Lebewohl, mein lieber Kerl, und ich hoffe, Ihr werdet Euch – ha – das Oberste zu unterst – gut herausziehen.«
Hurree Babu trat einige Schritte in das Gedränge am Eingang der Station zurück und – war verschwunden. Kim tat einen tiefen Atemzug und schüttelte sich. Er fühlte den nickelbeschlagenen Revolver auf seiner Brust, das Amulett an seinem Hals; Bettelschale, Rosenkranz, Geisterdolch (Mr. Lurgan hatte nichts vergessen) waren zur Hand, nebst Medikamenten, Tuschkasten und Kompaß; und in einem alten, abgenutzten, mit Schildkrötenschalen-Muster gestickten Geldgürtel lag der Sold für einen Monat. Könige konnten nicht reicher sein. Er kaufte von einem Hindu Zuckerwerk in einer Blattdüte und aß voller Entzücken, bis ein Polizist ihn von den Stufen verwies.
Kapitel 11.
Es folgte eine plötzliche, natürliche Reaktion.
»Nun bin ich allein – ganz allein,« dachte Kim. »In ganz Indien ist keiner so allein wie ich. Stürbe ich heute, wer würde davon sprechen – und zu wem? Lebe ich aber, und Gott ist gütig – dann wird ein Preis auf meinen Kopf gesetzt, denn ich bin ein Sohn des Zaubers – ich, Kim.«
Sehr wenige Weiße, aber viele Asiaten können sich in Verzückung versetzen durch fortgesetztes Wiederholen ihres eigenen Namens und indem sie den Geist ungestört sich versenken lassen in das, was persönliche Identität genannt wird. Wird man älter, so schwindet diese Gabe gewöhnlich, aber so lange sie vorhanden, kann sie in jedem Augenblick herbeigerufen werden.
»Wer ist Kim – Kim – Kim?«
Er hockte, die Hände im Schoß gefaltet, die Pupillen zu Stecknadelspitzen zusammengezogen, entfernt von jedem anderen Gedanken, in einem Winkel des geräuschvollen Warteraumes. In einer Minute, in einer halben Sekunde, das fühlte er, würde er an der Lösung des gewaltigen Rätsels sein; hier aber, wie es immer geschieht, fiel sein Geist herab von jenen Höhen mit der Schnelligkeit eines verwundeten Vogels und, die Augen mit der Hand bedeckend, schüttelte er den Kopf.
Ein Hindu mit langem Haar, ein Bairagi (heiliger Mann), der eben ein Billett gelöst hatte, hielt vor ihm still in dem Moment und starrte ihn aufmerksam an.
»Ich auch habe es verloren,« sprach er betrübt. »Es ist eines der Tore zu dem Weg, für mich aber hat es sich seit vielen Jahren geschlossen.«
»Was soll die Rede?« fragte Kim verlegen.
»Du wolltest da mit Deinem Geist ergründen, was für ein Ding Deine Seele sein möchte. Der Anfall kam plötzlich. Ich weiß. Wer sollte wissen, wenn nicht ich? Wohin gehst Du?«
»Nach Kashi« (Benares).
»Dort sind keine Götter. Ich habe sie geprüft. Ich gehe nach Prayag (Allahabad) zum fünften Male – den Pfad zur Erleuchtung suchend. Von welchem Glauben bist Du?«
»Ich auch bin ein Sucher,« sagte Kim, eines von des Lamas Lieblingsworten brauchend. »Obwohl,« er vergaß für den Augenblick seine nordische Kleidung – »obwohl Allah allein weiß, was ich suche.«
Der alte Mann schob die Bairagi-Krücke in seine Armhöhle und setzte sich auf ein Stück rötliches Leopardenfell nieder, als Kim beim Ausrufen des Zuges nach Benares gerade aufstehen mußte.
»Gehe in Hoffnung, kleiner Bruder,« sprach er. »Es ist ein langer Weg zu den Füßen des Einen; aber dahin wandern wir alle.«
Kim fühlte sich nicht mehr so verlassen nach diesen Worten, und ehe er zwanzig Meilen in dem gedrängt vollen Wagen hinter sich hatte, erheiterte