Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt
Читать онлайн книгу.Mittel oder auch nur zur Kränkung des Galerius eintreten lassen, und Galerius selber hatte dann in seiner furchtbaren letzten Krankheit (311) jenes höchst auffallende Duldungsedikt gegeben (s. oben S. 387). Constantin brachte also mit seinen zwei Toleranzedikten von Rom und Mailand (312 und 313) nichts ausschliesslich Neues und benützte die Toleranzfrage zunächst auch nicht gegen die übrigen Kaiser, vielmehr vermochte er den inzwischen mit ihm verschwägerten Licinius in Mailand (Winter 312/313) zur Teilnahme an jenen Beschlüssen, und beide unterhandelten sogar mit Maximinus Daza um seine Beipflichtung, die denn auch in beschränktem Sinne erfolgte. – Somit wäre die Christenduldung einfach eine Sache der Notwendigkeit gewesen und bedürfte keiner weitern Erklärung. Das von Licinius mitunterzeichnete Edikt von Mailand ging allerdings sogleich sehr weit; es sprach zum erstenmal die unbeschränkte Freiheit aller Kulte, tatsächlich auch der zahlreichen christlichen Sekten aus; in betreff der staatlichen Anerkennung wurde das Christentum dem alten Götterglauben völlig gleichgestellt; es erhielt den Charakter als Korporation und bekam die an den Fiskus oder in Privatbesitz übergegangenen Kirchen und Korporationsgrundstücke zurück.
Es ergab sich aber eine Gelegenheit, da der neue Herr des Abendlandes einigermassen sein wirkliches Verhältnis zur römischen Staatsreligion, und zwar als ein indifferentes verriet. Nach der Schlacht an der milvischen Brücke hatten ihm Senat und Volk nebst andern Ehrenbezeigungen einen Triumphbogen zuerkannt, der ziemlich rasch, zum Teil mit den schönen Bruchstücken eines Bogens des Trajan, zusammengebaut wurde. Vielleicht wusste man ohnehin, dass Constantin den Trajan wegen der vielen Inschriften, worin er verewigt war, nur »das Unkraut an der Mauer« zu nennen pflegte621; man wird sich um so viel weniger besonnen haben. Die nunmehrige Inschrift des Bogens lautet gegenwärtig dahin, Flavius Constantinus Maximus habe über den Tyrannen und seine ganze Partei gesiegt usw. »auf Eingebung der Gottheit«; allein unter diesen Worten schimmert eine frühere Lesart durch: »auf den Wink des höchsten und besten Juppiter622«. Wahrscheinlich wurde die Änderung zu der Zeit angebracht, da der Kaiser die (ohne sein Vorwissen verfasste) Inschrift zum erstenmal sah, nämlich bei seinem Besuche zu Rom im Jahre 315, als seine religiöse Stellung schon deutlicher bestimmt war. Die erste Lesart bewiese dann nur, dass man unmittelbar nach dem Siege noch nichts anderes wusste, als dass der Imperator römischer Heide sei. Die Korrektur leugnet dies nicht und stellt ihn noch weniger als Christ dar, sie entzieht ihn nur jedem direkten Glaubensbekenntnis und behält ihm allenfalls den Monotheismus frei. Die Bildwerke des Bogens stellen bekanntlich zum Teil heidnische Opfer dar, an Apoll, Diana, Mars und Silvanus, nebst Suovetaurilien.
Und Maxentius hiess also nicht bloss bei Euseb, sondern auch an offiziellster Stelle der Tyrann, d. h. im damaligen Sinne der Unberechtigte, der Usurpator! Dies Wort hätte ganz ebensogut auf Constantin gepasst, allein die Leute redeten sich ein, Maxentius sei doch nur ein untergeschobenes Kind gewesen, und seine Mutter gestehe dies selber zu. Man wünscht das Erbrecht herbei und sehnt sich nach einer Dynastie, sobald man wählen darf und nicht mit bösartigen Prinzen von Geblüt vorliebnehmen muss. Fortan gibt sich die ganze Panegyrik überhaupt das Wort, von Constantin als von dem allein Rechtmässigen, von allen andern aber als von Tyrannen zu sprechen623.
Diocletian hatte also mit seinem System von Adoptionen, welches auf so viele Entsagung berechnet war, gegenüber so vielem Ehrgeiz unrecht behalten. Er gab sich um diese Zeit (313) freiwillig den Tod durch Hunger oder durch Gift624. Constantin und der unbegreiflich verblendete Licinius hatten ihm eine Falle legen wollen und ihn zur Hochzeit der Constantia nach Mailand eingeladen, welches er ohne Zweifel nicht mehr frei oder nicht mehr lebend verlassen hätte. Er tat ihnen den Gefallen nicht, sondern entschuldigte sich mit seinen achtundsechzig Jahren. Darauf sandten sie ihm Drohbriefe, worin ihm vorgeworfen wurde, er halte es mit Maximinus Daza und habe es mit Maxentius gehalten, als dieser noch lebte. Diocletian war zu lebensmüde oder von dem Ablauf seines Schicksals zu fest überzeugt, um sich etwa wirklich dem Daza in die Arme zu werfen, und ebensowenig wollte er sich von jenen erwürgen lassen. Obwohl er als Privatmann starb, wurde ihm doch (wahrscheinlich vom Senat) die Ehre der Apotheose zuerkannt, zum letztenmal im alten heidnischen Sinne. Wahrscheinlich ist der zierliche kleine Tempel im Palast zu Salona-Spalatro, welcher früher als Heiligtum des Aesculap galt, nichts anderes als das bei Lebzeiten errichtete Grabmal des grossen Kaisers625, und der jetzt noch in der Nähe befindliche Sarkophag mit den Reliefs der kalydonischen Jagd hat einst seine Leiche enthalten. Meleager aber, der hier gegen den Eber ausholt, ist Diocletian selber in einem entscheidenden Augenblicke seines Lebens (s. oben S. 53). Nicht jedermann konnte das Bildwerk sehen; noch ein Menschenalter später lag ein Purpurteppich über dem Sarge626.
Was wären die damaligen Herrscher gewesen ohne ihn? Höchstens Generale mit mehr oder weniger nahen Aussichten auf den Kaiserthron und auf die Ermordung durch Soldaten oder Verschwörer. Erst durch die Stetigkeit, welche er in die Thronverhältnisse gebracht, durch das entschiedene Halt, welches er dem schrankenlosen Caesarismus zugerufen, war es wieder möglich geworden, von einem Thronrecht und bald auch von einem Erbrecht zu reden, wenn es auch damit im einzelnen Falle nicht gar weit her war. Ohne Diocletian gab es keinen Constantin, d. h. keine Gewalt, welche mächtig genug gewesen wäre, das Reich unerschüttert aus dem alten Zustand in einen neuen hinüberzuführen und die Schwerpunkte der Macht an andere Stellen zu rücken gemäss der Notwendigkeit des neuen Jahrhunderts.
Das nächste Opfer, welches fallen musste, war Maximinus Daza. Ausschweifend, abergläubig über die Massen, besass er doch jene kühne Entschlossenheit, welche den Herrscher so wesentlich ziert, und welche wohl den Galerius zu seiner Adoption bewogen hatte; sonst erscheint seine Regierung, wie aus dem Benehmen gegen die Christen627 hervorgeht, herzlos und tückisch, lässt sich übrigens schwer im einzelnen beurteilen, weil er, wie später Julian, unter eine förmliche Mitherrschaft der Priester und Magier geraten war. Dem Ansinnen der beiden andern Kaiser um Teilnahme an den Toleranzmassregeln hatte er zwar nachgegeben, doch offenbar nur gezwungen, so dass die Christen, seiner frühern Zweizüngigkeit eingedenk, sich nicht ans Licht wagen wollten628.
Er hatte schon seit Jahren geahnt, dass er sich seiner Existenz werde zu wehren haben, und war deshalb einst in jenes geheime Bündnis mit dem Usurpator Maxentius getreten, so wie Licinius mit dem Usurpator Constantin. Doch half er jenem in der Stunde der Gefahr nicht, vielleicht weil er wusste, dass ihm überhaupt nicht zu helfen war; dafür sparte er seine Kräfte zu einem neuen, plötzlichen Angriff auf Licinius (313). Blitzschnell rückte er wieder aus Syrien durch Kleinasien nach Europa und nahm in dem Gebiete seines Gegners das feste Byzanz sowie Heraklea weg. Zwischen dieser Stadt und Adrianopel kam es zu einer Schlacht mit dem überraschten Gegner. Wider Willen der beiden handelte es sich hier ganz offenbar um Christentum oder Heidentum, weil man wusste, dass Maximin als Sieger die Christenverfolgung auf das furchtbarste erneuern würde; es ist aber sehr die Frage, ob die kämpfenden Heere sich dessen irgendwie bewusst waren, obschon Lactantius (Kap. 46) das licinianische Heer ein ganzes Gebet auswendiglernen lässt, welches ein Engel dem Imperator sollte im Traum eingegeben haben. Maximin unterlag wahrscheinlich der höhern Kriegskunst oder der kriegerischen Popularität seines Gegners, zu welchem ein Teil seines Heeres überlief. Auf der Flucht sammelte er sich erst in Kappadocien wieder und suchte die Pässe des Taurus durch Verschanzungen zu sperren, starb aber, wahrscheinlich natürlichen Todes629, zu Tarsus in Cilicien. Licinius, der bereits Nikodemien eingenommen und daselbst ein neues Toleranzedikt erlassen hatte, trat nun ohne weitern Widerstand in das Erbe von Asien und Ägypten ein.
Constantin