Der Sufi-Weg. Osho

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Der Sufi-Weg - Osho


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Menschen bewusster geworden sind, werden Kleider nicht mehr so wichtig sein. Kleidung mag dann zwar noch ihren Zweck haben: wenn es kalt ist, muss man sich natürlich warm anziehen. Aber wenn das Wetter angenehm ist, und man einfach wie ein unschuldiges Tier leben kann, darf niemand und nichts es verhindern. Versteckt unter Kleidern, haben eure Körper ihre Feinfühligkeit verloren. Ihr habt die Sprache des Körpers völlig vergessen – wie es sich anfühlt, wenn die Sonnenstrahlen ihn streicheln, wie genussvoll das ist… den Wind auf eurem nackten Körper zu spüren, so wie die Bäume es fühlen und dabei tanzen – das habt ihr völlig vergessen. Nur euer Gesicht ist freigeblieben, nur euer Kopf. Aber den ganzen übrigen Körper habt ihr abstumpfen lassen.

      Diogenes lebte also nackt, und in seiner Nacktheit war er ausgesprochen anmutig – denn er war unschuldig. Man kann auch auf perverse Art nackt sein. Dann fehlt jede Anmut. Es ist dann Exhibitionismus – irgendein psychischer Schaden steckt dahinter. Diogenes lebte nackt, wie Gott ihn schuf. Und Alexander, so heißt es, wurde neidisch. Er selbst war in die denkbar prächtigsten Kleider gehüllt und wurde bei dem Anblick des nackten Diogenes, so wird berichtet, von Neid erfüllt. Wie herrlich Diogenes war! – Neid… Er fragte: „Wie kann ich so werden wie du? – so unschuldig, so schön?“

      Diogenes sagte lachend: „Da gibt es kein Wie!“ – und legte sich in den Sand am Ufer des Flusses. Es war Morgen und die Sonne ging eben auf. Er wollte sich nicht die Liebkosungen entgehen lassen, die heimlichen Botschaften, die der Sand seinem nackten Körper zuflüsterte, und die warmen Sonnenstrahlen, die auf ihn fielen.

      Diogenes sagte: „Du brauchst nicht nach dem Wie zu fragen. Dies Ufer ist für uns beide groß genug. Wirf deine Kleider ab und leg dich her zu mir!“

      Es gibt kein Wie. Warum nach dem Wie fragen? Das Wie ist eine List des Verstandes, damit er aufschieben kann. Wer nach dem Wie fragt, möchte aufschieben. Man tut so, als müsste erst noch viel geübt werden. Und Übung braucht Zeit. Und natürlich kannst du nicht gleich jetzt üben. Das Morgen tritt auf den Plan. Und wenn erst einmal das Morgen wichtig wird, kannst du gleich einpacken.

      Diogenes also: „Da gibt’s kein Wie! Leg dich einfach her und ruh dich aus. Dies Ufer ist breit genug für zwei.“ Alexander antwortete: „Eines Tages – ich träume immer davon, dass es eines Tages möglich sein wird – wenn ich die ganze Welt erobert habe. Auf den Tag warte ich, dann kann ich mich entspannen und ausruhen.“

      Diogenes lachte und sagte: „Dann bist du ein Narr, denn Diogenes kann sich auch ausruhen und entspannen, ohne erst die Welt erobert zu haben. Warum stellst du die Bedingung, dass du erst die ganze Welt erobern musst, bevor du dich entspannen und ausruhen kannst? Und das kann ich dir sagen: unter der Bedingung kann es nie dazu kommen, denn du wirst immer nur noch mehr fordern. Und selbst wenn du diese ganze Welt beherrschst, wird dein Verstand fragen: „Gibt es nicht noch andere Welten zu erobern?“

      Und es wird berichtet, dass Alexander bei der Vorstellung, keine andere Welten außer dieser einen erobern zu können, plötzlich sehr traurig wurde. Die Traurigkeit war im gleichen Augenblick da, wie er gewahr wurde, dass es keine andere Welt zu erobern gab. Was tun, wenn diese Welt erobert ist? Eine andere Welt gibt es nicht zu erobern. Der Verstand findet diesen Gedanken unerträglich.

      Der Verstand verlangt nach mehr und mehr und mehr. Ihm ist gleichgültig, was du schon hast; du magst ein Bettler sein, er fragt nach mehr; du magst ein Kaiser sein, und er fragt nach mehr. Das ist die Natur des Verstandes: immer mehr zu fordern. Was du schon hast, ist irrelevant. Der Verstand kann nicht anders, als mehr zu fordern. Ein reicher Mann will mehr, trotzdem bleibt er arm. Er möchte immer mehr haben, aber bleibt arm. Es ist wirklich nicht leicht, einen wahrhaft reichen Mann zu finden.

      In meinem ganzen Leben ist mir nur ein einziger Reicher begegnet, der wirklich reich war. Mir sind viele, viele Reiche begegnet, aber nur einer von ihnen war wirklich reich. Und was machte ihn wirklich reich? Er war reich, weil er die Sinnlosigkeit allen Reichtums einsah. Als wir zum ersten Mal zusammentrafen, schüttete er mir Tausende von Rupien vor die Füße. Ich sagte zu ihm – „Im Augenblick brauch ich das Geld nicht, aber wenn ich es brauche, dann geb ich dir Bescheid.“

      Der Alte weinte und schluchzte. Ich fragte, was los sei, und er antwortete mir: „Bitte sag das nicht, ich bin so arm! Ich hab nichts, was ich dir sonst geben könnte – nur mein Geld.“ Er sagte – hört genau hin – „ich bin so arm, ich habe nichts, was ich dir sonst geben könnte – nur mein Geld. Und wenn du mein Geld zurückweist, dann hast du mich zurückgewiesen, denn ich habe sonst nichts. Geld kann ich dir geben. Nur das habe ich – sonst nichts.“ Dieser Mann hatte verstanden, dass Reichtum nicht wirklicher Reichtum ist, dass der Mensch immer arm bleibt.

      In Bokhara lebte einst ein reicher und freigebiger Mann

      „Freigebig“ besagt, dass er seinen Reichtum genügend ausgekostet und die Welt erfahren hatte und nun zu dem Schluss gekommen war, dass sie nichts anderes ist als ein Traum. Dass Reichtum dir nur die Illusion gibt, reich zu sein, aber dich nicht wirklich reich macht. Dieser Mann hat keine Illusionen mehr. Und so konnte er freigebig werden. Jetzt kann er mit andern teilen; jetzt kann er alles weggeben. Das ist für ihn kein Problem. Er will nicht noch mehr dazu. Im Gegenteil, jetzt verteilt er alles, was er hat, an andere.

      Da er einen hohen Rang in der verborgenen Hierarchie einnahm…

      Und so ein Mann nimmt sofort einen hohen Rang in der Welt des Bewusstseins ein. Wenn du mit andern teilen kannst, egal, was du hast, steigst du plötzlich in der unsichtbaren Hierarchie auf. In den Augen der Welt magst du nur ein Bettler sein, aber in der ‚andern‘ Welt bist du zum ersten Mal Kaiser.

      Buddha verzichtete auf seine Paläste, sein Reich, seine Schätze und wurde Bettler. Als er zur Hauptstadt zurückkehrte, war sein Vater sehr böse mit ihm – wie alle Väter. Es ist nicht leicht, einen Vater zu finden, der nicht auf seinen Sohn böse ist, ganz egal, was der Sohn im Einzelnen macht. Wird der Sohn kriminell, ist der Vater böse. Wird er zum Heiligen, ist der Vater auch böse. Selbst wenn du zum Buddha wirst. Der Vater war also böse. Denn die Erwartungen eines andern kannst du nie erfüllen. Wie soll das geschehen? Er kann sie selbst nicht erfüllen, und nun erwartet er es von dir. Du kannst also anstellen, was du willst, es ist immer verkehrt.

      Der Vater war bitterböse. Buddha war inzwischen erleuchtet; er war als vollkommen veränderter Mensch, als ‚Auferstandener‘ zurückgekehrt. Unendliches Licht umstrahlte ihn, er war von tiefer Stille umgeben. Man sagt von Buddha, dass die Bäume, wo er auch ging und stand, seine Gegenwart spürten und blühten, selbst wenn es nicht die Jahreszeit dafür war. Wo immer Buddha sich aufhielt, ging von ihm im Umkreis von zwölf Meilen eine tiefe Stille aus. Aber ein Vater ist eben eine Ausnahme.

      Der Vater war böse. Er konnte nicht die Stille spüren, nicht das Licht, das ihn umgab – er sah nur den Landstreicher, den Bettler. Und er sagte: „Jetzt ist es aber genug! Du hast dich jetzt lange genug herumgetrieben. Komm heim! Meine Türen stehen dir immer noch offen. Sieh dich doch an: der Sohn eines Kaisers, der in der eigenen Hauptstadt sein Essen erbettelt. Sieh dir deine Bettelschale an, deine zerrissenen Kleider, geradezu Lumpen. Was tust du dir selber an? Ich schäme mich für dich, abgrundtief. Aber ich habe ein Herz, das Herz eines Vaters, und meine Türe ist dir nicht verschlossen. Du hast mich zutiefst verletzt, aber mein Vaterherz schlägt noch. Komm zurück! Streife nicht wie ein Bettler durch die Lande – sei ein Kaiser!“

      Und Buddha soll geantwortet haben: „Solange ich Prinz war, war ich ein Bettler. Jetzt erst bin ich ein Kaiser. Aber wie soll ich mich dir verständlich machen? Ich war ein Bettler hier im Palast. Damals, als du noch glaubtest, dass ich einmal dein Erbe antreten würde, war ich ein Bettler und saß gefangen. Jetzt bin ich vollkommen frei. Und zum ersten Mal begreife ich überhaupt, was es bedeutet, ein Kaiser zu sein. Aber wie soll ich dir das klar machen?“

      Vom Augenblick an, wo du anfängst, mit andern zu teilen, zeigst du damit, dass sich dein Bewusstsein zu einem bestimmten Grad erhoben hat, dass du gewachsen bist. Ein erwachsener Mensch teilt immer mit andern. Wer an seinen Sachen festhält, ist unreif, ist kindisch. Warum? Weil du ein Ding erst dann besitzt, wenn du es mit andern teilst. Einen anderen Besitz gibt es nicht. Wenn du dich an ein Ding klammerst, dann zeigt das nur, dass das Ding größer ist als du, größer als deine Liebe, größer als dein


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