Der Sufi-Weg. Osho

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Der Sufi-Weg - Osho


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er einen hohen Rang in der verborgenen Hierarchie einnahm,

      war er als ‚Präsident der Welt‘ bekannt.

      Solche Titel übertragen die Sufis oft auf ihre Bettler: „Präsident der Welt“. Missversteht das nicht. Er ist nicht in dem Sinn ein Präsident, wie jetzt Ford oder früher Nixon. Das sind die Allerärmsten, die Allerletzten; Opfer der abgrundtiefen Illusion, die Ersten zu sein. Nein – dieser Mann muss sich selber zum Allerletzten gemacht haben. Nur diejenigen, die mit der Welt fertig sind, können sich ganz hinten in der Schlange anstellen. Sie können zu den Letzten werden. Und Jesus sagt: „Diejenigen, die die Letzten in dieser Welt sind, werden die Ersten sein im Königreich meines Vaters.“

      Jesus muss dabei an solche Männer gedacht haben, Männer, die reich und freigebig waren. Denn das kann ich euch versichern: bist du freigebig, dann bist du auch reich. Und bist du nicht freigebig, dann magst du dich zwar in dem Glauben wiegen, reich zu sein, aber du bist trotzdem arm.

      Freigebigkeit ist wirklicher Reichtum. Und um freigebig zu sein, um zu teilen, brauchst du nicht viel, brauchst du nur das zu teilen, was du hast. Du magst nur wenig haben – darum geht es nicht. Wer hat schon viel? Wer kann je genug haben? Es ist nie viel, nie genug. Du magst überhaupt nichts haben, du magst ein Bettler sein, der auf der Straße lebt, aber freigebig kannst du trotzdem sein.

      Kannst du nicht wenigstens lächeln, wenn ein Fremder vorbei geht? Lächeln kannst du doch, und wenn du so dein Dasein mit einem Fremden teilst, bist du freigebig. Oder kannst du nicht singen, wenn jemand traurig ist? Du kannst jederzeit freigebig sein. Lächeln und Singen kostet nichts. Aber du bist so geizig, dass du es dir dreimal überlegst: soll ich nun lächeln oder nicht? Soll ich singen oder nicht? Tanzen oder nicht? Ja – letzten Endes – sein oder nicht sein?

      Teile dein Dasein mit andern, wenn du sonst nichts hast. Und das ist der größte Schatz, jeder wird damit geboren. Teile dein Dasein mit andern: Breite die Arme aus, geh auf den andern zu, mit Liebe im Herzen. Niemand ist ein Fremder – niemand! Oder jeder ist es. Wenn du offen bist, ist niemand ein Fremder. Wenn du verschlossen bist, dann ist jeder einer.

      Du kannst steinreich sein und doch ein Geizkragen – einer, der nicht geben kann. Dann werden dir deine eigenen Kinder fremd und auch deine Frau – denn wer kann schon an einen Geizigen herankommen? Er ist verschlossen. Er ist bereits gestorben und begraben. Wie kann man sich einem Geizigen nähern? Wenn er dich kommen sieht, ergreift er die Flucht. Er lebt beständig in Angst, denn sobald ihm jemand zu nahe kommt, heißt es teilen. Für einen Geizigen ist selbst ein Händedruck schon gefährlich, denn – wer weiß? – das könnte ja zu einer Freundschaft führen, und dann ist sein Besitz in Gefahr.

      Ein Geizhals ist immer auf der Hut, er hat immer ein wachsames Auge, damit ihm nur ja keiner zu nahe kommt. Er hält die andern auf Abstand. Schon ein Lächeln ist gefährlich; es könnte die Distanz brechen. Wenn du einem Bettler auf der Straße zulächelst, ist der Abstand gebrochen. Er ist jetzt kein Bettler mehr, sondern ein Freund. Ist er hungrig, musst du jetzt etwas unternehmen. Besser geht man also ohne Lächeln weiter. Das ist sicherer, man spart sein Geld und setzt sich keinem Risiko aus.

      Es geht nicht darum, was du teilst, sondern darum, dass du teilst – gleich, was du hast. Wenn du nichts hast als deinen warmen Körper, kannst du dich neben einen andern setzen und ihm deine Wärme geben. Du kannst lächeln, du kannst tanzen, du kannst singen; du kannst lachen und den andern zum Lachen bringen. Und wenn zwei Menschen zusammen lachen, gehen sie für einen Augenblick lang ineinander auf. Wenn sich zwei anlächeln, verschwindet jeder Abstand, und eine Brücke entsteht.

      Macht euch also nicht vor, dass ihr erst reich sein müsstet, um geben zu können. Es ist nämlich genau umgekehrt: wenn du reich sein willst, sei freigebig. Und an Schätzen fehlt es nie: Du bringst ungeheuren Reichtum ins Leben mit, und nimmst ihn wieder fort, wenn du stirbst! Hättest du ihn ausgeteilt, wäre dir dadurch bewusst geworden, wie reich du geschaffen wurdest, und wie armselig du trotzdem lebst. Je mehr du gibst, desto mehr fängt dein Leben zu fließen an. Und je mehr es fließt, desto mehr Quellen entspringen, die den Fluss immer von Neuem speisen. Und so bleibst du frisch und klar.

      Nur ein großzügiger Mensch bleibt ungetrübt; ein zurückhaltender, ein verschlossener Mensch, einer, der immer geizt, wird zum abgestandenen und fauligen Tümpel. Das ist unausweichlich so. Es ist wie bei einem Brunnen. Wenn niemand zu ihm kommt, weil der Brunnen sich weigert, sein Wasser herauszugeben – was passiert dann? Es kommt kein frisches Wasser nach, weil das alte bleibt; und so verschmutzt es immer mehr. So ein Brunnen ist bald tot. Keine frischen und lebendigen Quellen versorgen ihn mehr. Vielen von euch ist genau das passiert.

      Lade die andern ein, aus dir zu schöpfen. Lade die andern ein, dich zu trinken. Das meint Jesus, wenn er sagt: „Trinket und esset mich!“ Je mehr du von Jesus isst, desto mehr wächst er.

      Je mehr du ihn trinkst, desto mehr sprudeln seine Quellen. Die Reichtümer, mit denen dich das Leben ausgestattet hat, sind unbegrenzt. Aber dies erfährt nur einer, der mit vollen Händen gibt: sie sind wirklich unbegrenzt! Ihr seid keine GmbH, deren Kapital begrenzt ist. Euer Kapital ist unbegrenzt. In euch liegt das Göttliche verborgen. Niemand kann es erschöpfen. Sing so viele Lieder, wie du nur kannst, der Schatz wird nie ausgehen, im Gegenteil – es kommen nur immer noch bessere und schönere Lieder nach…

      Von Rabindranath Tagore, einem der größten Dichter Indiens, wird erzählt, dass er, als er im Sterben lag, von einem Freund, einem literarischen Freund und großen Kritiker, besucht wurde.

      Der Freund sagte: „Du kannst auf ein erfülltes Leben zurückblicken: du hast mehr Gedichte geschrieben als irgendjemand vor dir.“ Rabindranath hatte über sechstausend Lieder und Gedichte geschrieben. Bei dem großen englischen Dichter Shelley waren es nur zweitausend. Bei Rabindranath sechstausend. Und jedes Gedicht ist ein Wunderwerk, ein herrlicher, einmaliger Edelstein. Der Freund hatte Recht, wenn er sagte, dass Rabindranath nach einem erfüllten Leben zufrieden sterben könne. Dass er mit seinen so schönen und so vielen Gedichten selbst einen Kalidas oder Shelley in den Schatten stellte. Aber während er dies alles sagte, flossen Rabindranath die Tränen über die Backen. Der Freund konnte es nicht glauben: „Was? – du weinst? Hast du etwa Angst vor dem Tod? Du – der du dein ganzes Leben immer nur vom Tod als dem großen Freund gesungen hast – du hast Angst vor ihm?“

      Rabindranath antwortete, „Nein, es ist nicht Angst vor dem Tod. Der Tod ist schön, so schön wie das Leben. Ich muss weinen, weil mir in letzter Zeit immer schönere und bessere Gedichte eingefallen sind. Was ich bisher gemacht habe, ist nur Kinderkram. Jetzt ist endlich die Reifezeit gekommen, und Gott hat mich mit immer größeren Gaben beschenkt. Je mehr ich dichtete, desto reicher strömte es aus mir. Jetzt endlich war das Instrument richtig gestimmt – und jetzt muss ich gehen! Es ist ungerecht. Endlich bin ich soweit, dass ich wirklich meinen Gesang anstimmen könnte.“

      Aber ich kann euch sagen: Selbst wenn Rabindranath noch tausend Jahre länger gelebt hätte, am Ende wäre es genauso gewesen – weil der Schatz unerschöpflich fließt. Du teilst ihn an andere aus, teilst ihn andern mit, und er fließt ständig nach. Du singst und weißt: es hört nicht auf. Es gibt kein Ende. Selbst nach tausend Jahren wäre Rabindranath noch mit Tränen in den Augen gestorben, denn die Quelle hätte weiter gesprudelt. Keiner kann sie leeren. Gott ist unerschöpflich. Und ihr tragt Gott in euch. Warum also geizt ihr so?

      Wer geizt, wird arm. Wer gibt, wird reich. Und freigebig kannst du in diesem Augenblick werden, so wie du bist, denn mehr gehört nicht dazu. Du brauchst nur zu verstehen, worauf es ankommt – und schon bist du es! Es fehlt an nichts. Alles was du dazu haben musst, hast du bereits. Kein Wunder also: dieser Reiche war als ‚Präsident der Welt‘ bekannt.

      Jeden Tag verschenkte er Gold an eine bestimmte Gruppe von

      Leuten Gold – an die Kranken, die Witwen und so weiter.

      Aber wer den Mund auftat, bekam nichts.

      Nicht alle konnten den Mund halten.

      Sehr sehr bedeutungsvolle, tiefe Worte. Wenn du zur Kirche gehst und dafür betest, dass dir ein Wunsch in Erfüllung gehen möge, wird dein Gebet niemals erhört. Denn Beten ist nur möglich, wenn alles Wünschen aufgehört hat.


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