Rückruf Null. Джек Марс
Читать онлайн книгу.sagte Maria plötzlich. Greg hatte lange genug aufgehört, zu reden, um etwas Eintopf zu löffeln und Maria nahm die Gelegenheit beim Schopfe. „Maya. Hast du in letzter Zeit mit deiner Schwester gesprochen?”
Die Frage überraschte sie. Sie hatte sie von ihrem Vater erwartet, aber nicht von Maria. Dennoch war es eine gute Gelegenheit, die Fähigkeiten auszuprobieren, die sie entwickelt hatte. Sie bekämpfte den Instinkt, jeglichen verräterischen Gesichtsausdruck zu unterdrücken und lächelte stattdessen leicht.
„Das habe ich”, antwortete Maya. „Gerade erst gestern sogar. Ihr geht es gut.” Nur die Hälfte davon war eine Lüge.
„Du hast eine Schwester?” fragte Greg.
Maya nickte. „Zwei Jahre jünger. Sie ist in Florida bei einem Ausbildungsprogramm. Sehr beschäftigt.” Eine weitere Lüge, doch sie ging ihr leicht von den Lippen. Sie wurde immer besser dabei und erfand oft kleine Lügen, nur um zu üben - und weil es ehrlich gesagt ein bisschen aufregend war.
„Und äh...” Ihr Vater räusperte sich. „Kommt sie klar? Hat sie alles, was sie braucht?”
„Ja ja”, erwiderte Maya kurz, ohne ihn anzublicken. „Der geht’s toll.”
Greg lächelte gekünstelt, als er sich an ihren Vater wandte. „Sie fragen, als ob sie nicht mit ihr sprächen, Mr. Lawson.”
„Wie Maya schon sagte”, gab ihr Vater leise zurück, „Sara ist sehr beschäftigt.
Maya wusste, dass ihr eigener plötzlicher Umzug ihn verletzt hatte. Doch wenn dies der Fall war, dann war Saras Abschied der Todesstoß.
In diesem ersten Sommer, nur ein paar Monate nachdem ihr Vater Präsident Piersons Leben gerettet hatte, nachdem er ihnen die Wahrheit über ihre Mutter gesagt hatte und die Anspannung zu Hause sehr stark war, hatte Maya ihre Pläne ihrer Schwester anvertraut. Sie sagte Sara, dass sie das letzte Jahr High School übersprungen und sich für West Point beworben hatte.
So lange sie lebte, vergäße sie nicht den panischen Gesichtsausdruck ihrer kleinen Schwester. Bitte. Bitte nicht, bettelte Sara. Lass mich nicht allein hier mit ihm. Ich kann das nicht.
So sehr es ihr auch das Herz brach, Maya hatte ihre Pläne geschmiedet und hatte vor, sie durchzuziehen. Also machte Sara ihre eigenen Pläne. Sie ging ins Internet und fand einen Anwalt, der ihren Fall ehrenamtlich übernähme. Dann stellte sie einen Antrag auf Emanzipierung. Sie wusste, dass dies nur wenig Chance hatte. Es gab keine Beweise für Vernachlässigung, Misshandlung oder ähnliches.
Beide Schwestern waren jedoch schockiert, dass der Vater den Antrag nicht bekämpfte. Weniger als zwei Wochen, nachdem Maya zur Militärakademie in New York gezogen war, erschien ihr Vater zum Gerichtstermin und sagte seiner damals fünfzehnjährigen Tochter in Anwesenheit eines Richters, dass wenn sie so sehr erpicht darauf war, ihre Freiheit von ihm zu erlangen, dass sie ihn deshalb vor Gericht zog, sie ihre Freiheit haben könnte.
In derselben Nacht gab es noch ein weiteres Ereignis, das Maya nicht so schnell vergessen konnte. Ihr Vater rief sie an. Sie ignorierte ihn. Sie hasste ihn damals noch. Er hinterließ eine Nachricht auf ihrer Mailbox, die sie für zwei weitere Tage nicht abhörte. Als sie es schließlich tat, bereute sie ihre Entscheidung. Seine Stimme schwankte, brach fast. Er sagte ihr, dass Sara gegangen war. Er gab zu, dass er all das und noch mehr verdient hatte. Er entschuldigte sich drei Mal und sagte ihr dann, dass er sie liebte.
Es würde weitere sechs Monate dauern, bis sie wieder sprachen.
Doch Maya blieb in Kontakt mit ihrer Schwester. Nach der Emanzipation. Sara packte ein, was sie tragen konnte und stieg in einen Bus. Sie blieb schließlich in Florida und nahm den ersten Job an, den sie fand, als Kassiererin in einem Secondhandladen. Sie arbeitete dort immer noch. Sie lebte in einer Wohngemeinschaft, einem gemieteten Haus mit fünf weiteren Leuten. Sie teilte sich ein Schlafzimmer mit einem Mädchen, das ein paar Jahre älter als sie war und das Bad mit allen.
Maya rief ihre Schwester mindestens einmal pro Woche an, noch öfter, wenn ihr Stundenplan es zuließ. Sara sagte immer, dass es ihr gut ginge, doch Maya war sich nicht so sicher, dass sie das glaubte. Sie hatte die High School verlassen und versprochen, dass sie zurückginge, doch das war nicht der Fall. Dieser Tage versuchte Maya nicht einmal mehr, sie zu einer Rückkehr zu überreden. Stattdessen drängte sie Sara dazu, wenigstens ein generelles Bildungszertifikat zu erlangen. Ein weiteres der Dinge, die Sara versprach, zu tun. Irgendwann.
Maya lebte das ganze Jahr über in der Akademie und bekam jedes Semester ein Stipendium für Uniformen, Bücher, Essen und so weiter. Normalerweise blieb ihr nicht viel, doch sie schickte ihrer Schwester ein wenig Geld, wenn sie es konnte. Sara wusste das immer zu schätzen.
Keine der beiden brauchte noch etwas von ihm. Sie wollten nichts mehr von ihm.
Sie hatten wirklich einen Tag zuvor gesprochen, der Teil war keine Lüge. Sara war jetzt sechzehn und eine der Mädchen in ihrer Wohngemeinschaft brachte ihr das Autofahren bei. Es tat Maya weh, dass sie bei solch wichtigen Dingen in Saras Leben nicht dabei war, doch sie hatte ihre eigenen Ziele und war entschlossen, sie zu erreichen.
Einfach gesagt, die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter und die Lügen ihres Vaters hatten nicht einen Keil zwischen ihn und sie getrieben, sondern auch zwischen die zwei Mädchen. Sie waren auf unterschiedlichen Wegen, und wenn sie auch in Kontakt blieben und einander so weit wie möglich hälfen, so war doch keine der beiden dazu bereit, ihr eigenes Leben zu stark für die andere zu unterbrechen.
„Möchte jemand noch mehr?” bot Maria an. „Es ist noch viel übrig.”
Mayas Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Abendessen. Sie war in ihren eigenen Gedanken verloren und als sie um sich blickte, bemerkte sie, dass alle anderen schon zu Ende gegessen hatten. Sie legte dennoch den Löffel nieder. Sie wollte einfach nur, dass dieser Besuch vorbei wäre, ihnen danken und hier endlich verschwinden. „Nein danke. Es war sehr lecker.”
„Das stimmt”, sagte Greg enthusiastisch. „Einfach köstlich.” Und dann öffnete der blonde Idiot schon wieder seinen Mund. „Danke Ihnen, Frau Lawson.”
Blitzartig explodierte Zorn in ihr. Die Worte sprangen aus Mayas Mund, bevor sie überhaupt über sie nachdenken konnte. „Sie ist nicht Frau Lawson.”
Maria blickte erstaunt. Ihr Vater starrte weiter, doch jetzt waren seine Augen vor Überraschung geweitet und sein Mund stand ihm ein wenig offen.
Greg räusperte sich nervös. „Tut mir leid”, murmelte er, „ich nahm nur an...”
Weiterer Zorn brodelte in ihr auf. „Ich habe dir das auf dem Weg hierher erklärt. Du müsstest nichts annehmen, wenn du einfach mal für nur fünf Minuten aufhören würdest, über dich selbst zu reden!”
„Hey”, sträubte sich Greg, „So kannst du nicht mit mir reden -”
„Warum nicht?” forderte sie ihn heraus. „Kommt sonst deine Mami? Ja Greg. Ich weiß, sie war die Bürgermeisterin von Baltimore für zwei Jahre. Das sagst du ständig. Niemand interessiert sich auch nur die Bohne dafür!”
Er schluckte und sein Gesicht wurde rot, doch er antwortete nicht.
„Maya”, sagte Maria sanft, doch streng, „ich weiß, dass du wütend bist, aber es war nur ein Unfall. Kein Grund, unhöflich zu werden. Wir sind hier alle Erwachsene -”
„Oh.” Maya schnaubte verächtlich. „Ich finde, es gibt jeden Grund, um unhöflich zu sein. Soll ich sie für dich aufzählen?” Sie war klug genug, um zu wissen, was da vor sich ging, doch wütend genug, damit es ihr egal war. Die Wahrheit war offensichtlich. Sie war immer noch sehr verärgert mit ihrem Vater, obwohl sie sich sagte, dass dem nicht so sei. Doch sie hatte all die Feindlichkeit und Wut in ihre Schule und ihre Ziele kanalisiert. Hier und jetzt, wo nichts davon da war und sie dem Mann gegenübersaß, der ihr das angetan hatte, kam wieder alles zurück an