IMMODESTIA. Philipp Spiering
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Philipp Spiering
Immodestia
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ISBN: 978-3-9820396-2-6
Prolog
„Meistens merkt man erst, dass man ein Versager war, wenn man keiner mehr ist.
Die meisten Menschen sind Versager. Sie halten sich für einzigartig, sind aber nichts weiter als Marionetten des Systems. Sie gehen jeden Morgen zur Arbeit, gründen vielleicht eine Familie und leben ihr eintöniges Leben bis zu dem Tag, an dem ihr Herz aufhört zu schlagen.
So ein Leben wollte ich nicht.“
„Was hast du stattdessen getan?“
„Es gibt sicher Leute, die behaupten würden, ich hätte meine Seele an den Teufel verkauft, um dem Hamsterrad der Gesellschaft zu entkommen.“
„Deals mit Satan sind niemals eine gute Idee.“
„Halten Sie es für eine bessere Idee, sein Leben lang ein Sklave zu sein?“
„Wenn die Alternative ein Pakt mit dem Teufel ist, würde ich die Sklaverei vorziehen.“
„Dann sind Sie genauso ein Narr, wie all die anderen Marionetten da draußen. Sie kennen meine Welt nicht, deshalb urteilen Sie darüber.“
„Erzähl mir von deiner Welt. Was ist sie für ein Ort?“
„Ein Ort, an dem man alles haben kann, was man sich jemals erträumt hat. Respekt, Geld, Frauen. Alles.“
„Welchen Preis zahlst du für den Respekt, das Geld, die Frauen?“
„Viele zahlen mit ihrem Leben.“
„Und du? Womit hast du gezahlt?“
„Wie ich schon sagte: mit meiner Seele.“
Teil 1: Die Ruhe
Niro
Es war kalt.
Daniel Niro drehte sich auf die Seite und zog die Decke bis unter das Kinn. Er musste nicht nachsehen, um zu wissen, dass die Heizung kaputt war. Sein Vermieter würde sich mit der Reparatur Zeit lassen, so wie er sich Zeit mit allem ließ, was Arbeit für ihn bedeutete.
Daniels Wohnung glich mehr einer schäbigen Kammer, als einem Zuhause. In einer Ecke stand ein Bett, das unpraktisch groß war für die kleine Räumlichkeit. In einer anderen Ecke befand sich ein Kleiderschrank mit ein paar Shirts, zwei Jeans, ebenso vielen Pullovern, Unterwäsche, einem einzigen Hemd und einer schwarzen Lederjacke, die Daniel sehr mochte und für deren Anschaffung er einige Zeit Geld beiseite hatte legen müssen.
Die winzige Küche hinter einer Trennwand war kaum der Rede wert und das Bad, das eigentlich durch eine Tür vom Wohnraum getrennt sein sollte, die aber schon bei seinem Einzug gefehlt hatte, verfügte nur über Wasser, dessen Temperatur mit gutem Willen vielleicht als lauwarm bezeichnet werden konnte.
Daniel schaute auf den Wecker - es war kurz nach fünf Uhr. In einer knappen Stunde würde er aufstehen und zur Arbeit gehen müssen. Er war angestellt bei einer Spedition, für die er, für einen bescheidenen Lohn, im Lager Ware sortierte und vollgepackte Paletten auf Lastwagen lud.
Er merkte, dass er nicht mehr einschlafen würde und zuckte aufgrund der Kälte zusammen, als er die Decke zur Seite und sich aus dem Bett schwang. Er stieg hastig in seine Hausschuhe, streckte sich, um den von der Kälte verspannten Körper zu lockern und schleppte sich dann in die Küche. Auf dem Herd stand noch eine halbe Tasse Kaffee vom vorigen Tag, von der er einen großen Schluck nahm und den Mund daraufhin angewidert verzog. Das Koffein würde trotzdem seinen Zweck erfüllen, weshalb er sich entschloss, auch den Rest in wenigen großen Schlucken herunter zu kippen.
Danach ging er ins Bad und schaltete das Licht ein. Es dauerte eine Weile, bis die Glühbirne an der Decke zu leuchten begann und er sich im Spiegel betrachten konnte. Er konnte nicht anders, als seine Erscheinung als unansehnlich zu bezeichnen. Augenringe, fettige Haut, unrasiert. Ein Besuch beim Friseur, dachte er, wäre auch nochmal eine gute Idee. Er war viel dünner, als er es gerne sein würde. Zwar war seine Muskulatur, dank Training im Fitnessstudio, gestärkt und funktional, aber wegen seiner fehlenden Motivation, ausreichend und vor allem sauber zu essen, konnte sein Körper sich nicht so entwickeln, wie er ihn gerne im Spiegel gesehen hätte. Aber was machte das schon? Er arbeitete sowieso den ganzen Tag und eine Frau hatte er auch länger nicht mehr gehabt, als es für einen Mann gesund war.
Daniel zog seine Shorts aus und stieg unter die Dusche. Als das Wasser seinen Körper besprenkelte, spürte er, wie die Müdigkeit ihn verließ. Er trocknete sich ab, putzte sich die Zähne und zog sich an. Dann verließ er die Wohnung und stapfte durch den Schnee zur Arbeit.
Dicke Flocken fielen sanft auf seine Lederjacke.
Jenke
Es war immer derselbe chinesische Imbiss, den Kommissar Lars Jenke montags in seiner Mittagspause besuchte. Er lebte allein und konnte nicht kochen, sodass ihm nichts anderes übrigblieb, als jeden Tag irgendwo essen zu gehen. Der Tisch, den er als seinen Stammtisch betrachtete, war besetzt, sodass er sich abseits an einen anderen setzen musste. Er bestellte bei der netten Asiatin eine Portion Bratnudeln und eine Cola. Als sie ihm sein Getränk brachte, nahm er einen großen Schluck und lehnte sich dann zurück. Sein Tag war bislang verdammt anstrengend gewesen, aber die Arbeit zahlte sich langsam aus.
Jenke leitete ein Team von Polizisten, das damit beauftragt war, Beweise für eine Verhaftung des Untergrundbosses Heinrich Kettler zu finden. Jeder in der Stadt kannte den Mann und jeder wusste, wer er war, aber es gab trotzdem keinerlei Indizien, die seine kriminellen Machenschaften bewiesen.
Kettler war in beinahe jeder illegalen Branche aktiv, die man sich vorstellen konnte. Drogen, Prostitution, Schutzgelderpressung. Darüber hinaus pflegte er Verbindungen zu wichtigen Wirtschaftsbossen, Juristen und Politikern, was ihn beinahe unantastbar machte.
Jenke hatte es sich dennoch zum Ziel gesetzt, diesen Mann hinter Schloss und Riegel zu bringen und er hatte in den letzten Wochen große Fortschritte gemacht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er Kettler vor Gericht stellen konnte.
Durch ein Fenster sah er, dass es draußen wieder schneite. Einen so kalten Winter hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Die Asiatin brachte ihm strahlend einen großen Teller mit Nudeln. Er lächelte dankbar und begann dann zu essen. Er dachte gerade über den sehr gelungenen Geschmack seiner Mahlzeit nach, als ein hochgewachsener, bulliger Mann in einem langen, grauen Mantel den Imbiss betrat und an ihm vorbei Richtung Toiletten ging. Kurz wunderte sich der Polizist noch, dass er das leichte Schleifgeräusch nicht vernahm, das die Toilettentür beim Öffnen sonst immer machte, dann drang eine 9-mm-Patrone in seinen Hinterkopf ein. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die anderen Gäste realisierten, was passiert war. Dann jedoch begannen die panischen Schreie.
Der Mann im Mantel war bis dahin schon wieder in den grau-weißen Schneewehen verschwunden.
Verzasca
Paulo Verzasca spürte die Sonne im Rücken, als er seine Bahnen durch den Pool der weißen Villa zog. Um ihn herum saßen ein paar Frauen, bekleidet mit Bikinis irgendwelcher Luxusmarken, auf Liegestühlen im Schatten der Palmen und schauten zu, wie sich seine Muskeln