Toni der Hüttenwirt 248 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.solchen Tagen kann ich liegen gebliebene Arbeiten erledigen. Ich habe die ganze Wäsche weggebügelt. Die Kinder haben mir geholfen, die Schränke aufzuräumen und die Möbel in den Kinderzimmern umzustellen.«
»Die beiden scheinen ganz zufrieden zu sein. Sie liegen auf den Betten und lesen«, sagte der alte Alois.
In dem Augenblick erhob sich Bello und ging langsam in den Wirtsraum.
»Bello hat etwas gehört. Vielleicht kommen doch noch Tagesgäste, die das Wetter nicht abschrecken konnte«, bemerkte Toni.
Er ging hinaus und wartete unter dem Vordach.
Eine Gestalt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, kam über das Geröllfeld. Als sie Toni sah, lief sie schneller. Es war eine junge Frau. Sie rannte die Stufen zur Terrasse hinauf und suchte Schutz.
»Grüß Gott, Toni!«, strahlte sie und streifte die Kapuze zurück.
»Mei, das ist eine Überraschung! Grüß Gott, Liesel! Komm rein, und hänge deine Jacke über einen Stuhl am Kamin! Dass du dich bei dem Wetter auf den Weg machst?«
Liesel ließ ihren kleinen Rucksack von den Schultern gleiten.
»Hier! Sei vorsichtig! Ich habe euch etwas mitgebracht, was zerbrechlich ist.«
Liesel hängte ihre Jacke über einen Stuhl, dann streichelte sie Bello. Sie folgte Toni in die Küche.
Anna und der alte Alois begrüßten sie herzlich.
Toni packte den Rucksack aus. »So viele Eier?«, staunte er.
»Ja, die Hühner von Tante Doris und Onkel Franz legen fleißig.«
Anna holte einen Becher und einen Teller. Sie schnitt Liesel ein Stück Strudel ab und schenkte ihr Kaffee ein.
»Ich verstehe es nicht«, sagte Liesel. »Drunten in Waldkogel ist bekannt, dass die beiden in Urlaub sind. Tante Doris hat aber allen vor der Abreise gesagt, dass ich für die Zeit auf dem Hof bin und die Hühner versorge und den Garten. Doch niemand kommt vorbei. Da dachte ich mir, ich bringe euch einen Schwung Eier rauf. Und wenn ihr Gemüse wollt, dann komm vorbei, Toni, und hole es ab. Es wäre schade, wenn ich es auf den Kompost werfen müsste.«
»Das mache ich gerne, Liesel. Vielen Dank!«, sagte Toni. »Ich komme gleich morgen früh vorbei.«
»Super! Als Tante Doris und Onkel Franz in Rente gingen, kauften sie den alten Aussiedlerhof. Selbstversorgung war das magische Wort. Der Rest der Familie hatte sich amüsiert, denn die beiden waren reine Stadtmenschen und hatten vom Landleben überhaupt keine Ahnung. Aber welch eine Überraschung, es stellte sich heraus, dass sie den grünen Daumen haben. Jetzt könnten sie einen Hofladen aufmachen. Ich bin froh, wenn sie wieder da sind. Es sprießt und gedeiht alles, und die Hennen legen um die Wette.«
Liesels Verwandte waren vor vier Jahren nach Waldkogel gezogen. Seitdem kam sie in jedem Jahr mehrmals zu Besuch. Niemals versäumte sie, einen Abstecher auf die Berghütte zu machen. Sie war eine begeisterte Bergwanderin.
»Und wie geht es sonst?«, fragte Toni.
»Alles im grünen Bereich«, lachte Liesel, »beruflich wie privat.« Sie trank einen Schluck Kaffee.
»Oh, ›privat‹ hast du gesagt«, schmunzelte der alte Alois. »Dann hast einen Liebsten gefunden?«
»Alois, hör auf! Eine Frau kann doch auch ohne Mann glücklich sein. Ich habe einen schönen Beruf, kann mir meine Zeit frei einteilen, habe eine schöne Wohnung, treibe Sport und habe liebe Freunde.«
»Also nix mit Liebe!«, bemerkte Toni.
»Toni, nein, mit der Liebe hat es noch nicht geklappt. Ich bin eben wählerisch und gehe keine Kompromisse ein. Ich suche die Stecknadel im Heuhaufen. Besser keinen Mann, als den falschen Mann.«
»Und wenn du dich so richtig verliebst?«, fragte Toni.
Liesel zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung, was dann passiert. Klar war ich schon verliebt. Doch das war eher oberflächlich. Der Richtige ist mir noch nicht über den Weg gelaufen.«
»Das ist schlimm«, sagte Alois. »Du bist doch so ein fesches Madl.«
»Danke für das Kompliment, Alois. Ich ziehe die Männer wohl auch an, aber es sind die Falschen. Na ja, irgendwann wird es schon passieren. Und wenn nicht, dann kann ich auch nichts machen. Ich habe eben genaue Vorstellungen, wie ein Mann sein sollte.«
»Und wie soll der Bursche sein?«, fragte Toni.
Liesel lachte verlegen.
»Toni, das ist, ehrlich gesagt, gar nicht so einfach. Ich kann dir eher sagen, wie er nicht sein soll.«
»Und wie soll er nicht sein?«, fragte Alois.
»Alois, du lässt nie locker, wie?«
»Nein, ich verstehe gern alles. Du bist ein fesches Madl. Seit du hierher auf die Berghütte kommst, bist du auf der Suche. In München muss es doch Tausende fescher Burschen geben.«
»Richtig! Doch die, die mir gefallen würden, scheinen alle schon vergeben zu sein.« Liesel seufzte. »Okay, reden wir offen. Alois, es ist nicht mehr wie früher. Die Zeiten haben sich geändert. Manchmal kommt es mir vor, als würden die meisten Männer nie erwachsen. Sie benehmen sich wie kleine Jungs. Sie spielen mit ihren Autos oder Computern. Sie sind immer hinter dem Neusten her. Sie sind so von der Technik bestimmt, dass die Gefühle verkümmert sind. Sie geben an, protzen mit dem, was sie haben, und balzen oberflächlich herum. Sie interessieren sich nur für sich selbst. Alles muss sich um sie drehen. Hart gesagt: Sie haben das ›Hotel Mama‹ nie wirklich verlassen. Und wenn sie allein wohnen, dann sind sie auf der Suche nach jemand, der um sie herumwirbelt und dafür sorgt, dass es ihnen gut geht. Ich will einen Mann, der mir zugetan ist und Rücksicht auf meine Gefühle nimmt. Der sich dafür interessiert, wie ich mir das Leben denke und welche Ziele und Wünsche ich habe. Sicher ist eine Ehe heute anders als früher. Doch die alte Rollenverteilung schwirrt bei vielen Männern immer noch im Kopf herum, auch wenn sie es nicht zugeben. Aber vielleicht ist es ihnen nicht einmal bewusst.«
Liesel überlegte kurz.
»Manchmal glaube ich, viele Männer haben Angst vor starken und selbstständigen Frauen. Sie suchen das Heimchen am Herd, das zu ihnen aufschaut. Gleichberechtigung, das ist nur Gerede. Wenn es darauf ankommt, wer zu wem zieht, in welcher Stadt man lebt und so weiter, dann sind es die Männer, die erwarten, dass sich die Frau anpasst. Ich habe da bittere Erfahrungen gemacht. Meinem letzten Freund wurde in einer anderen Stadt eine bessere Stelle angeboten. Am Tag, als er es erfuhr, lud er mich abends zum Essen ein, dabei eröffnete er, dass wir umziehen. Die Firma würde beide Umzüge bezahlen, das habe er ausgehandelt. Außerdem gäbe es dort eine schicke Eigentumswohnung. Wir müssten nur noch schnell heiraten. Er schlug auch gleich Termine vor. Leute, ich dachte, ich ersticke an dem Bissen, an dem ich gerade kaute.«
Liesel schaute in die Runde.
»Versteht ihr? Er hat mich nicht in die Entscheidung einbezogen. Er hat mich weder gefragt, noch es mit mir besprochen. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass er mich nur als Anhängsel sah.«
»Hast du ihn nicht zur Rede gestellt?«
»Oh ja, das habe ich. Er fragte, was ich dagegen hätte, wenn er Karriere macht? Wir gerieten in Streit. Er hat nicht begriffen, dass er mich hätte fragen sollen. So in etwa: ›He Schatz, mir ist heute eine tolle neue Stelle angeboten worden. Was hältst du davon? Wie können wir das gemeinsam meistern? Wärst du bereit, mit mir umzuziehen?‹ Das wäre für mich normal gewesen. Aber er war egoistisch und dachte nicht an mich, wie ich damit klarkommen würde. Warum hat er sofort zusagen müssen? Hätte er nicht sagen können, er wolle eine Nacht drüber schlafen? Er hätte sagen können, dass er das Angebot gern annimmt und dass er plant, demnächst zu heiraten und deshalb mit mir darüber sprechen möchte. Er hat es nicht getan. Er hat nur an sich gedacht.«
»Dann kriselte es bei euch?«
»Genau, Toni! Es kriselte nicht nur, wir argumentierten