Sophienlust Classic 42 – Familienroman. Judith Parker
Читать онлайн книгу.noch ein Weilchen unter der Tür, um den beiden Wagen nachzublicken. Als sie sich umdrehte, um ins Haus zu gehen, hörte sie ein Auto. Es war der Wagen von Denise von Schoenecker. Frau Rennert wartete auf die junge, bildhübsche und schwarzhaarige Besitzerin von Sophienlust.
Nach der Begrüßung begaben sich die beiden Damen ins Büro, um die wichtigsten Tagesfragen zu erörtern.
»Wie still es ist«, stellte Frau Rennert plötzlich fest.
»Ja, so ist es. Man empfindet die Stille besonders stark am ersten Schultag«, erwiderte Denise. »Frau Rennert, ich fahre nachher in die Stadt. Würden Sie bitte so freundlich sein, mir eine Aufstellung von den Sachen zu machen, die ich besorgen muss? Ich möchte in etwa einer halben Stunde abfahren.« Sie erhob sich vom Schreibtisch. »Ich gehe inzwischen zu den Ställen. Nick erzählte mir gestern ganz begeistert von dem neugeborenen Ponyfohlen. Ich möchte es mir gern anschauen.«
»Das Fohlen ist wirklich bildhübsch«, sagte Frau Rennert, »und die ganze Freude der Kinder.«
Denise lächelte und stieg wenig später die Stufen der Freitreppe hinunter. Tief atmete sie die klare Luft ein. Was für ein herrlicher Tag, dachte sie und blickte sich mit leuchtenden Augen um.
Da kamen die Spanielhunde Bim und Bam und Malus Wolfsspitz Murkel angelaufen. Mit freudigem Gebell begrüßten sie Denise, die Mühe hatte, die stürmischen Hunde abzuwehren.
»Bim, Bam!«, rief sie lachend. »Ihr macht mich ja ganz schmutzig. Murkel, pfui, jetzt ist mein Rock tatsächlich schmutzig geworden von deinen dicken Pfoten.« Sie versuchte den Fleck abzuklopfen.
»Bim! Bam! Murkel!« Justus rief die Hunde, die ihm aufs Wort folgten. »Sie sind halt heute außer Rand und Band«, entschuldigte sich der alte Mann. »Guten Morgen, gnädige Frau«, sagte er dann, froh darüber, dass sich für ihn eine so schnelle Gelegenheit ergab, mit Denise von Schoenecker über die Riedls zu sprechen. »Da wär noch was«, begann er und drehte seine Mütze verlegen in den Händen.
»Ja?« Denise sah ihn freundlich an.
Justus brachte sein Anliegen vor.
»Das Gärtnerhaus?«, fragte Denise. »Ja, eigentlich sollte es in diesem Sommer abgerissen werden. Aber damit könnte man auch noch ein Jahr warten«, überlegte sie laut. »Norbert Riedl? Ja, ich habe schon etwas von ihm gelesen. Drei Kinder hat er?«
»Ja, gnädige Frau, zwei Mädel und einen Jungen.«
»Also gut, Justus, schreiben Sie an Ihre Schwester. Aber warten Sie noch damit, bis ich mit meinem Mann gesprochen habe. Die Riedls möchten sich dann bitte an mich wenden.«
»Vielen Dank, gnädige Frau. Also dann warte ich halt noch, bis Sie mit dem gnädigen Herrn gesprochen haben.«
»Kommen Sie bitte in einer halben Stunde zu mir ins Büro. Dann kann ich Ihnen endgültigen Bescheid geben. Aber nun würde ich gern unser jüngstes Fohlen bewundern.«
»Es ist ganz allerliebst. Die Kinder wollen es Othello taufen.«
Denise lachte. »Über den Namen werden wir noch sprechen.«
Denise blieb ein Weilchen bei dem Fohlen und seiner Mutter Judy, dann kehrte sie ins Haus zurück, um Alexander anzurufen.
»Denise, was gibt’s?«, fragte er mit seiner klangvollen warmen Stimme.
»Alexander, es handelt sich um das Gärtnerhaus.« Sie erzählte ihm von der Bitte des ehemaligen Verwalters.
»Natürlich habe ich nichts dagegen, dass die Riedls eine Zeit lang im Gärtnerhaus wohnen. Weißt du, ich fände es schade, das Haus abzureißen. Als ich es vorige Woche mit einem Herrn von der Baufirma noch einmal besichtigt habe, war ich ganz begeistert von den Räumlichkeiten. Sogar ein Kaminzimmer gibt es dort.«
»Ich weiß, Alexander. Nicks Urgroßvater hat den Kamin einbauen lassen, weil der damalige Gärtner besondere Achtung bei ihm genoss und ihn darum gebeten hatte. Du weißt doch, dass ich das Tagebuch der Sophie von Wellentin mit großer Begeisterung gelesen habe. Sie hat so anschaulich geschrieben, dass man glaubt, einen spannenden Roman zu lesen. Gegen Mittag bin ich wieder bei dir, ich muss noch in die Kreisstadt.«
»Und ich ins Dorf. Auf Wiedersehen, mein Liebes. Fahr vorsichtig!«
»Das tue ich doch immer.« Denise legte lächelnd auf. Sie war in ihren Mann noch genauso verliebt wie am ersten Tag ihrer so glücklich gewordenen Ehe.
Manchmal glaubte sie, ein blutjunges Mädchen zu sein. Eine lächerliche Empfindung, sagte sie sich, aber trotzdem war es so. Dabei waren ihre beiden Stiefkinder Sascha und Andrea fast erwachsen und Nick bereits vierzehn Jahre alt. Der kleine Henrik war allerdings erst sechs.
Es klopfte, und Justus betrat das Büro mit erwartungsvollen Augen.
»Es geht in Ordnung, Justus«, sagte Denise. »Die Riedls können das Haus für einige Monate mieten.«
»Dann werde ich noch heute schreiben, gnädige Frau. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
»Ist schon gut, Justus. Sie wissen ja, dass ich jedem helfe, wenn es in meiner Macht liegt.«
Justus verabschiedete sich. Als er ging, erschien Frau Rennert mit der verlangten Liste. Wenig später fuhr Denise los.
Zwei Stunden später war sie wieder zurück und lieferte die Einkäufe ab. Da ihr noch ein wenig Zeit blieb, entschloss sie sich, auf einen Sprung zum Gärtnerhaus zu gehen, um es zu besichtigen. Carola Rennert, die Schwiegertochter von Frau Rennert, begleitete sie.
»Tante Isi, ich freue mich, dass das Gärtnerhaus in diesem Jahr noch nicht abgerissen wird.«
»Nachdem ihr alle so begeistert von dem alten Bau seid, werde ich mir die Geschichte noch einmal durch den Kopf gehen lassen.« Denise sah die junge Frau an. »Warst du denn schon mal drinnen?«
»Und ob!« Carola lächelte verschmitzt. »Vor vielen Jahren. Weißt du, schon damals war Nick sehr pfiffig. Er hatte herausbekommen, dass man durch eines der Kellerfenster leicht in das Haus eindringen konnte. Natürlich haben wir das weidlich ausgenützt«, bekannte sie fröhlich.
»Nick war schon immer ein rechter Schlingel«, stellte Denise mit mütterlichem Stolz fest.
Das Gärtnerhaus befand sich hinter den Wirtschaftsgebäuden, dicht an der alten Parkmauer. Ein kleiner, jetzt völlig vernachlässigter Garten umgab es. Die Gartentür war ebenso reparaturbedürftig wie der Zaun. Efeu rankte sich an den Hauswänden hoch.
Denise stieg die wenigen Stufen zum Eingang hinauf und schloss die Haustür auf. »Bitte, Carola, öffne doch die Fensterläden hier unten«, bat sie. »Ich werde das oben besorgen. Das Haus muss gelüftet werden.«
Carola befolgte die Bitte, während Denise nach oben stieg.
»Tante Isi!«, rief Carola nach einer Weile von unten. »Schau mal, was ich da gefunden habe.«
»Was denn?«
»Eine Puppe! Ich kann mich entsinnen, dass einmal ein Mädchen, das in Sophienlust war, ich glaube, es war die Susi, verzweifelt nach seiner Puppe gesucht hat. Sie hatte sie mit ins Gärtnerhaus genommen und dann hier liegen gelassen.«
Denise kam wieder die Treppe herunter. »Ja, nun erinnere ich mich auch. Damals habe ich dem Kind ein neues Püppchen geschenkt.«
»Ich nehme die Puppe mit. Nicht wahr, ich darf sie doch behalten? Weißt du, ich habe oft sentimentale Anwandlungen und denke viel an die Zeit, als ich als schüchternes Mädchen zu euch kam. Damals fing ich erst wirklich zu leben an und begriff, dass es nicht nur Böses auf der Welt gab.«
Gerührt betrachtete Denise das hübsche Gesicht der jungen Frau, die wie so viele Menschen auf Sophienlust ein wirkliches Glück gefunden hatte. »Natürlich darfst du sie behalten«, sagte sie weich. »Ich glaube, wenn man das Haus renovieren lässt, wird es sehr wohnlich werden. Auch liegt es sehr abgelegen, sodass Norbert Riedl in Ruhe hier arbeiten kann. Aber vielleicht gefällt ihm das Haus nicht«, meinte sie.
»Warum nicht,