Butler Parker 147 – Kriminalroman. Günter Dönges
Читать онлайн книгу.und entdeckte auf dem Teppich eine seiner Schätzung nach etwa vier Meter lange Boa, die ihn interessiert zu betrachten schien und hoffnungsfroh züngelte.
Parker war ein höflicher Mensch, bedachte auch die Boa mit einem Gruß und ließ sie nicht aus den Augen. Sie sah ihn sicher nur in vagen Umrissen, da die Augen einer Schlange nicht besonders gut ausgebildet waren, doch sie nahm seine Wärmeausstrahlung mit Gewißheit wahr und versuchte sich einen Eindruck von dem Besucher zu machen. Sie bewegte sich träge auf ihn zu und züngelte noch intensiver.
»Haben Sie Angst vor Schlangen?« fragte die Frau aus dem halbdunklen Zimmer. Die Besitzerin der Stimme hielt sich im Badezimmer auf, wie Parker inzwischen herausgefunden hatte.
»Meine Wenigkeit steht Reptilien mit einer gewissen Reserve gegenüber, wenn ich es so ausdrücken darf«, erwiderte der Butler und hakte seinen altväterlich gebundenen Regenschirm sicherheitshalber vom angewinkelten linken Unterarm.
»Ich komme sofort, Mr. Parker«, hieß es weiter, »noch einen Augenblick, bitte.«
»Mit einer Panik meinerseits dürfte kaum zu rechnen sein«, entgegnete Josuah Parker und betrachtete den mächtigen Kopf der Boa, die sich immer interessierter und näher heranschob. Das Züngeln verstärkte sich. Das Reptil schien Gefallen an Parker gefunden zu laben.
Der Butler war inzwischen zu einem Ergebnis gekommen. Das Reptil war gut und gern fünf Meter lang und ein besonders schönes Exemplar seiner Gattung. Parker wußte inzwischen, daß die Besitzerin der Stimme ihn mit Sicherheit beobachtete. Sie wollte wohl herausfinden, wie er auf Schlangen reagierte.
Es gab da nämlich noch ein zweites Reptil, das sich in sein Blickfeld schob. Diese Boa mochte etwa einen Meter kürzer sein, hatte jedoch immer noch eine bemerkenswerte Größe. Die zweite Boa kam unter einer Couch hervor und wollte den Anschluß nicht versäumen. Sie beeilte sich, ihre Vorkriecherin einzuholen.
Die erste Boa befand sich nur noch einen Meter entfernt von Parkers linkem Schuh. Der Butler, der von den wahren Absichten der Würgeschlange natürlich nichts wußte, brachte die Spitze seines Universal-Regenschirms in eine gewisse Abwehrstellung, unternahm jedoch nichts, um die Neugier des Reptils zu stoppen.
»Noch einen Augenblick, Mr. Parker«, wiederholte die Frau, »ich bin gleich soweit.«
»Man sagte meiner Wenigkeit, Sie besäßen insgesamt vier Boas«, antwortete Parker.
»Das ist richtig«, lautete die Antwort, »sie haben gerade ihre Freistunde, Mr. Parker.«
»Meinem Blick bieten sich im Augenblick nämlich nur zwei Schlangen«, erwiderte Parker.
»Dann müssen die beiden anderen wohl hinter Ihnen sein«, vermutete die Artistin, die Parker hier aufgesucht hatte. Der Butler nahm diesen Hinweis ungerührt zur Kenntnis und dachte nicht daran, sich ängstlich und blitzschnell umzuwenden. Er blieb gelassen stehen und beobachtete die Aktivitäten der beiden Boas. Sie befanden sich nun dicht vor seinen Schuhspitzen und trafen Anstalten, eine erste Umschlingung der Beine des Butlers vorzunehmen. Josuah Parker wich keinen Zentimeter zurück und staunte über die Dicke der Schlangenleiber. Die Tiere schienen übrigens gefüttert worden zu sein, wie er bemerkte. Die Schlangenkörper zeigten Ausbuchtungen, die der Größe eines Kaninchens entsprachen.
»So, jetzt bin ich soweit, Mr. Parker«, teilte ihm die Frau mit, »ich hatte mich nämlich hingelegt. Sie wissen, ich habe am Abend und gegen Mitternacht je eine Vorstellung, und die sind sehr anstrengend.«
Die beiden Boas zogen inzwischen ihre Kreise um Parkers Beinpaar und schienen sich in Spiellaune zu befinden. Parker hatte dagegen im Grund absolut nichts einzuwenden, doch er wollte nicht als Spielmaterial dienen.
Unmerklich für die beiden Boas und auch für die Artistin irgendwo im Halbdunkeln hatte Parkers schwarz behandschuhte Hand nach einer kleinen Spraydose gegriffen, die kaum größer war als ein normales Wegwerf-Feuerzeug. Parker ließ seine rechte Hand sinken und bedachte die Schlangen mit je einer Dosis.
Das Resultat war frappierend!
*
»Du lieber Himmel«, entsetzte sich die Artistin und kam schnell aus dem Baderaum. Sie blieb wie angewurzelt stehen und sah auf die beiden Boas. Eine von ihnen, das kleinere Exemplar, nieste im wahrsten Sinn des Wortes, und zwar derart heftig, daß ihr mächtiger Kopf gegen den Boden krachte.
Die zweite Boa zischte beeindruckt, um dann krampfartige Zuckungen zu produzieren. Aus ihren Augen rannen dicke Tränen. Dann hob das Reptil den Kopf und... nieste ebenfalls. Sie besorgte das mit einem Nachdruck, der einer kleinen Explosion gleichkam. Auch ihr Kopf schlug auf den Boden. Die Schlangenleiber entrollten sich und gaben Parkers Beinpaar umgehend frei. Das kleinere Reptil schielte aus tränengefüllten Augen beleidigt auf den Butler, um sich dann hastig zurückzuziehen. Das größere Exemplar hingegen schien eine gewisse Güterabwägung vorzunehmen und fragte sich offensichtlich, ob es einen Sinn habe, die schwarz bekleidete Gestalt anzugreifen. Das Reptil zischte deshalb sehr ungehalten, zeigte seine Fangzähne und wollte Eindruck schinden. Butler Parker aber blieb unbeeindruckt.
Die Boa war inzwischen zu einem Resultat gelangt. Sie entschloß sich, es mit einem blitzschnellen Vorstoß zu versuchen, um diesen unheimlichen Zweibeiner vielleicht doch noch in die Flucht schlagen zu können. Ja, sie rechnete sich augenscheinlich Chancen aus, ihren dicken Leib wenigstens um das Beinpaar dieses schwarz gekleideten Mannes rollen zu können, um ihn auf diese Art und Weise aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Der mächtige Kopf der Boa schoß blitzartig vor und verwandelte sich förmlich in einen Rammbock. Gleichzeitig schnellte der Leib der Würgeschlange peitschenartig zur Seite und wurde zu einer Art Lasso, das sich um Parkers Beine wickeln sollte. Doch es kam alles ganz anders. Ein Butler Parker war nicht der Mann, der sich in Verlegenheit bringen ließ.
Mit der Spitze seines Universal-Regenschirms zielte Parker nicht weniger genau und blitzschnell auf den breiten Kopf des Reptils. Die Boa zuckte fast angewidert zurück und legte sich auf den Rücken. Dann scharrte und schob sie den Kopf über den Belag des Fußbodens und versuchte, den kleinen, durchaus nur oberflächlichen Einstich zu verwischen.
»Lassen Sie das Tier in Ruhe«, rief Mandy Brock, wie die Artistin hieß. In ihrer Stimme war deutlich Besorgnis zu vernehmen, »bitte, lassen Sie meine Boas in Ruhe...«
»Möglicherweise sollten Sie sich in diesem Sinn auch mit den Schlangen verständigen«, gab Josuah Parker zurück und verfolgte den Rückzug der Tiere. Die kleinere der beiden Schlangen hatte von sich aus auf jeden zusätzlichen Angriff verzichtet und beeilte sich, ins schützende Halbdunkel zu gegangen. Die große Boa war noch schneller. Sie hatte ihre Lektion gelernt und drückte sich unter die Couch. Von dort war dann hin und wieder nachhaltiges Niesen und Zischen zu vernehmen.
»Angst scheinen Sie nicht zu haben, Ar. Parker«, stellte Mandy Brock fest und zeigte sich endlich in voller Lebensgröße. Sie war eine langbeinige, gertenschlanke Frau von höchstens dreißig Jahren, die attraktiv aussah. Sie trug einen leichten Schminkmantel und in Tuch, das sie um ihr langes, blondes Haar geschlungen hatte.
»Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit tief beeindruckt«, erwiderte der Butler, »darf ich mir gestatten, Sie zu diesen Boas zu beglückwünschen?«
»Was haben Sie mit den Tieren gemacht?« Mandy Brock schien ungehalten.
»So gut wie nichts, Miß Brock«, antwortete Parker, »es bedarf wohl einer großen Überwindung, mit diesen Boas allabendlich aufzutreten, oder sollte ich mich irren?«
»Man muß sehr aufpassen, Mr. Parker. Haben Sie die beiden anderen Schlangen gesehen?«
»Inzwischen schon«, lautete die Antwort des Butlers, »ein Exemplar hat sich auf der Gardinenstange wohnlich eingerichtet, das zweite Tier hängt im Garderobenständer, wenn ich so sagen darf. Ich möchte betonen, daß dies alles nicht dekorativ aussieht.«
»Sie interessieren mich, Mr. Parker«, gestand Mandy Brock, »ich habe selten einen Menschen erlebt, der so wenig Angst vor Schlangen hat wie Sie.« »Eine Frage der Haltung und Selbstherrschung«, faßte Josuah Parker zustimmen, »können wir möglicherweise jetzt zu