Sophienlust Classic 46 – Familienroman. Bettina Clausen
Читать онлайн книгу.erkannte, revidierte sie dieses innerliche Misstrauen wieder.
»Gegen einen väterlichen Freund habe ich bestimmt nichts einzuwenden«, sagte sie.
»Und das ist alles, was ich erwarte«, antwortete er darauf schnell. Als Cindy an seiner Seite das Café verließ, rollte die große Limousine fast unhörbar heran. Der Chauffeur sprang heraus und öffnete die Tür.
Auf dem Rückweg berührte Walter Bromann ganz sacht Cindys Arm. »Ich möchte Sie um etwas bitten, Frau Haller. Sollten Sie irgendwann einmal in Schwierigkeiten kommen und Hilfe benötigen, ganz gleich, ob es Sie oder Ihre Geschwister betrifft, dann wenden Sie sich bitte an mich. Ich bin ganz sicher in der Lage, Ihnen zu helfen. Wollen Sie mir das versprechen?«
Cindy zögerte. »Ich werde es zumindest versuchen, Herr Bromann.«
Als der Wagen vor ihrem Haus hielt, sprang Walter Bromann heraus und öffnete Cindy selbst die Tür. »Darf ich Sie in zwei Stunden zusammen mit Ihren Geschwistern abholen?«
»Gern.« Damit verabschiedete Cindy sich. Sie ging durch den Garten und betrat das Haus. Im Wohnzimmer wurde sie sofort von ihren Geschwistern umringt und musste erzählen, was sie erlebt hatte. Als sie die feinen Törtchen beschrieb, stellte Peter erschrocken fest, dass er entsetzlichen Hunger verspürte. Er erkundigte sich ängstlich bei Cindy, ob es am Abend bei Herrn Bromann auch wirklich etwas zu essen gäbe.
»Ganz bestimmt«, versicherte Cindy ihm. Dann überwachte sie persönlich Peters und Alices Ankleiden und prüfte schließlich noch einmal, ob sie auch wirklich saubere Hände und Fingernägel hatten.
Sie selbst bürstete sich nur das Haar, wusch die Hände und trug einen Hauch Puder auf die glänzende Nasenspitze auf.
»Hoffentlich holt er uns auch mit seinem großen Wagen ab«, wünschte sich Peter und presste die Nase an die Fensterscheibe.
Bald darauf fuhr Walter Bromann vor dem Haus vor. Er kam selbst zum Gartentor, um die Kinder abzuholen. Zusammen mit Cindy und Alice nahm er dann auf dem Rücksitz Platz. Peter durfte sich mit Chris vorn hinsetzen. Während der Fahrt stellte der kleine Junge dem Chauffeur so viele Fragen, dass Cindy ihn schließlich ermahnen musste, ruhig zu sein.
In Walter Bromanns Haus, das am anderen Ende der Stadt in einem ausgedehnten Park lag, wurde Cindy mit ihren Geschwistern von einer freundlichen älteren Frau empfangen, die Walter Bromann als seine Haushälterin vorstellte.
Das teuer eingerichtete Haus bestärkte Cindy in ihrer Meinung, dass Walter Bromann ein sehr vermögender Mann sein musste. Um Peter vor einem eventuellen Missgeschick zu bewahren, nahm sie ihn sicherheitshalber bei der Hand. Zu viele Vasen und zerbrechliche Gegenstände standen in der Halle herum.
Die empfindsame Alice, die einen ausgeprägten Sinn für alles Zarte besaß, ging langsam von einer Vase zur anderen und betrachtete sie eingehend. Schließlich trat Walter Bromann zu ihr und erklärte ihr geduldig und in verständlichen Worten, um was es sich jeweils handelte.
Inzwischen hatte die Haushälterin Cindy, Peter und Chris in den Speiseraum geführt. Walter Bromann hatte bei seiner Köchin ein Menü bestellt, das in erster Linie auf den Geschmack der Kinder abgestimmt war. Besonders die Nachspeise stellte ein kleines Meisterwerk aus verschiedenen Eistorten, Sahne und Früchten dar. Peter verdrehte vor Freude die Augen, als die Haushälterin den kunstvoll verzierten Becher vor ihn hinstellte. »Kann man das wirklich essen?«, vergewisserte er sich.
Walter Bromann bestätigte es ihm lächelnd und tauchte zum Beweis seinen Löffel tief in die weiche Sahnekrone. Sofort ahmte Peter es nach. Dann war er für den Rest der Mahlzeit unansprechbar – so sehr genoss er die Nachspeise.
Die glückstrahlenden Augen ihrer Geschwister entschädigten Cindy für alle Gewissensbisse, die sie sich noch am Nachmittag wegen dieser etwas ungewöhnlichen Bekanntschaft gemacht hatte. Sie fand jetzt, dass sie es ihren Geschwistern geradezu schuldig gewesen sei, sich von Herrn Bromann einladen zu lassen. Zu lange schon hatten Peter und Alice auf alle Leckerbissen verzichten müssen. Aber für derlei Dinge war in ihrem schmalen Haushaltsbudget einfach kein Platz.
Nachdem Walter Bromann die Haushälterin gebeten hatte, für Cindy und ihn selbst noch Kaffee zu servieren, wandte er sich ganz offiziell an Cindy und deren Geschwister. »Da wir uns jetzt schon kennen und gut verstehen, halte ich es nicht mehr für notwendig, dass ihr mich steif und formell mit ›Herr Bromann‹ ansprecht. Was haltet ihr von ›Onkel Walter‹?«
Peter und Alice nickten sofort begeistert.
»Natürlich gilt für dich, Chris, nur ›Walter‹. Ebenso für Sie, Cindy. So alt fühle ich mich nun doch noch nicht, dass ich mich von einer fast erwachsenen jungen Dame mit Onkel ansprechen lassen möchte.«
Cindy senkte die Lider mit den langen, dichten Wimpern. Was hätte sie darauf auch erwidern sollen? Sie war ihm für alles, was er den Geschwistern bot, so dankbar, dass sie ihm den kleinen Wunsch einfach nicht abschlagen konnte.
Nach dem Kaffee mahnte Cindy zum Aufbruch. Es war reichlich spät geworden, und Alice drohte schon am Tisch einzuschlafen. Walter Bromann verstand das sofort. Vorsichtig nahm er die schlaftrunkene Alice auf den Arm und trug sie selbst zum Wagen. »Wollen wir so einen netten Abend öfter wiederholen?«, fragte er die Kinder, als der Wagen vor dem Haller-Haus hielt.
»O ja!«, rief Peter begeistert und stieß Chris in die Seite, um ihn zur gleichen Antwort zu bewegen.
»Du brauchst mich nicht gleich umzubringen! Ich hätte auch so ›Ja‹ gesagt«, verteidigte sich Chris.
»Ich kann euch auch das nächste Mal in ein schönes Restaurant führen, zum Beispiel in das auf dem Rathausturm. Von dort aus kann man die ganze Stadt überblicken. Habt ihr Lust, morgen Mittag dort mit mir zu essen?«
Alle drei stimmten sofort begeistert zu, sodass Cindy gar keine Möglichkeit zu einer anderen Antwort blieb. »Ich gebe mein Einverständnis nur, wenn ihr jetzt ganz schnell und brav zu Bett geht«, forderte Cindy.
Schnell sprangen Peter und Chris aus dem Wagen. Die schlaftrunkene Alice wurde von Walter Bromann noch bis zur Haustür getragen. Dort stellte er sie sanft auf die Füße. Es war dabei leicht zu erkennen, dass ihr seine besondere Zuneigung gehörte.
Das schlaftrunkene Mädchen griff jetzt nach Cindys Hand und ließ sich ins Haus führen. »Es war ein wunderschöner Abend, nicht wahr, Cindy?«
»Ja, mein Liebling. Es freut mich, dass es euch gefallen hat.«
»Walter ist wirklich nett, Cindy, und gar nicht so verschroben wie alte Männer manchmal sind«, ereiferte sich Chris. »Man kann über alles mit ihm sprechen.«
Cindy fragte sich insgeheim, wie Walter wohl darauf reagieren würde, wenn er wüsste, dass Chris ihn einen alten Mann genannt hatte.
»Findest du ihn nicht nett?«, erkundigte sich Peter misstrauisch.
»Doch, natürlich! Wie kommst du darauf?«, fragte Cindy zurück.
»Weil du gar nichts Nettes über ihn sagst. Er hat dich immerzu angeguckt. Bestimmt findet er dich nett.«
»Er hat mich angesehen? Oft? Davon habe ich gar nichts gemerkt«, wunderte sich Cindy.
»Weil er dich immer nur dann betrachtet hat, wenn du mit irgendwas anderem beschäftigt warst«, grinste Chris. »Aber deswegen brauchst du doch jetzt nicht gleich so ernst zu werden. Ist es schlimm, wenn ein Mann eine Frau bewundert?«
Cindy musste lachen. »Also, bewundert hat er mich. Damit kommen wir der Sache schon näher.«
»Ja, richtig angehimmelt«, mischte sich nun auch Alice ein. »Mich hat er nicht so angehimmelt.«
Schmunzelnd schloss Cindy die kleine Schwester in die Arme. »Dich hat er noch viel mehr angehimmelt, nur auf eine andere Art. Schau, er hat dir alle seine Kunstgegenstände und Vasen erklärt und dich sogar bis zur Haustür getragen.«
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