Bilanzierung case by case. Jens Wüstemann

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Bilanzierung case by case - Jens Wüstemann


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bb) Kriterium „Zuverlässige Bestimmbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten“

       (1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums

      Gemäß IAS 38.40 reichen hypothetische Anschaffungskosten einer gedachten Transaktion zu regulären Marktbedingungen aus, die zudem gemäß IAS 38.41 durch „Verfahren der indirekten Schätzung“ ermittelt werden dürfen; dazu zählen, „soweit angemessen“, Bewertungen mithilfe von aktuellen marktorientierten Multiplikatoren sowie Bewertungsmodelle zum Barwert. Zwischen dieser denkbar schwachen Konkretisierung zuverlässiger Bewertbarkeit und dem Idealfall der Existenz eines aktuellen Angebotspreises auf einem aktiven Markt existiert eine Reihe von Möglichkeiten zuverlässiger Bewertbarkeit.

       (2) Anwendung auf den Fall: Beurteilung der zuverlässigen Bestimmbarkeit der Anschaffungskosten des Domain-Namens

      Im vorliegenden Fall sind die Anschaffungskosten des Domain-Namens durch das gezahlte Entgelt zuverlässig bestimmbar; das Kriterium ist mithin erfüllt.

       3. Ergebnis nach IFRS

      Im Ergebnis erfüllt der Domain-Name sowohl die Definition eines Vermögenswerts als auch die zusätzlichen Ansatzkriterien des IAS 38. Folglich handelt es sich um einen aktivierungspflichtigen Vermögenswert.

       4. Fallergänzung: selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte

       a) Konkretisierung der allgemeinen Ansatzkriterien für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte

      IAS 38.63 bestimmt, dass „selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte“ nicht als immaterielle Vermögenswerte angesetzt werden dürfen, da Ausgaben in diesen Fällen nicht von den Ausgaben für die Entwicklung des Unternehmens als Ganzes unterschieden werden können (IAS 38.64).

       b) Anwendung auf die Fallergänzung: Prüfung der Ansatzkriterien sowie des Ansatzverbots bei selbst geschaffener Webseite

      Darüber hinaus weist eine selbst erstellte Webseite keine Ähnlichkeit mit den unter das Ansatzverbot des IAS 38.63 fallenden Sachverhalten auf. Da über die selbst erstellte Webseite in der vorliegenden Fallergänzung auch Dienstleistungen nachgefragt werden können, handelt es sich bei der Webseite um einen anzusetzenden Vermögenswert, der bei Erfüllung der Kriterien in IAS 38.57 i.V.m. SIC 32.8 bereits während der Entwicklung anzusetzen ist.

       III. Gesamtergebnis

      1. Für eine Lösung des vorliegenden Falls nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung sind die zentralen Aktivierungsprinzipien des Vermögenswertprinzips sowie objektivierend des Greifbarkeitsprinzips und des Prinzips selbstständiger Bewertbarkeit zu prüfen.

      2. Das Vermögenswertprinzip ist erfüllt. Durch die Präsenz im Internet kann die Werbeagentur ihre Dienstleistungen einer Vielzahl potenzieller Kunden anbieten; dies lässt zukünftige Einnahmenüberschüsse in Form von Mehrerlösen erwarten.

      3. Das Greifbarkeitsprinzip in seiner Ausprägung als Übertragbarkeit mit dem gesamten Unternehmen ist ebenfalls erfüllt, weil der Domain-Name im Rahmen eines gesonderten Geschäfts übertragen wurde und die nur aus formalen Gründen zwischengeschaltete DENIC zum Abschluss eines Registrierungsvertrags mit der Werbeagentur verpflichtet ist. Es handelt sich gemäß BFH um einen abgeleiteten Erwerb, der die Übertragbarkeit im wirtschaftlichen Sinne belegt.

      4. Auch das Prinzip der selbstständigen Bewertbarkeit ist bei dem einzeln erworbenen Domain-Namen durch das gezahlte Entgelt zweifelsfrei zu bejahen.

      5. Nach IFRS sind für den Fall des Domain-Namens die Regelungen des IAS 38 zu beachten. Die Definition des Begriffs „Vermögenswert“ sowie die Festlegung von Ansatzkriterien für Vermögenswerte des Rahmenkonzepts sind formal nicht relevant; faktisch können sie jedoch zur Konkretisierung herangezogen werden.

      6. Die Definition des Vermögenswerts gemäß IAS 38 ist im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen, da ein erwarteter künftiger wirtschaftlicher Nutzen aus einer Ressource vorliegt, der aufgrund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht.

      7. Auch die zusätzlichen Definitionsmerkmale des immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38 sind erfüllt. Die Webseite ist vom Geschäfts- oder Firmenwert abgrenzbar, weil sie einzeln verkehrsfähig und somit separierbar ist und auch die exklusive Nutzung der Webseite durch den Registrierungsvertrag mit der DENIC rechtlich abgesichert ist (sog. Contractual-Legal-Kriterium).

      8. Die objektivierenden Ansatzkriterien der Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses sowie der zuverlässigen Bestimmbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind aufgrund des gesonderten Erwerbs des Domain-Namens im vorliegenden Fall typisierend erfüllt.

      9. Als Gesamtergebnis handelt es sich bei dem Domain-Namen um einen Vermögensgegenstand i.S.d. Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung. Auch nach IFRS liegt ein aktivierungspflichtiger Vermögenswert vor.

      10. Während nach Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung der Ansatz der selbsterstellten Webseite während der Entwicklung wahlrechtsweise möglich ist, sieht die Interpretation SIC 32 den Ansatz während der Herstellungsphase in diesem Fall verpflichtend vor.

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