Antisemitismus. Achim Bühl

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Antisemitismus - Achim Bühl


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von einem siebenjährigen Turnus der Opferung eines Griechen berichtete. In seiner Schrift Gegen Apion gibt Flavius Josephus den hellenistischen Geschichtsschreiber mit folgenden Worten wieder:

      »[Der Grieche im Tempel habe erfahren], dass es ein geheimes Gesetz der Juden gebe, dem zulieb er genährt werde, und sie thäten das jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit. Sie fingen nämlich einen fremden Griechen auf, mästeten ihn ein Jahr lang, führten ihn dann in einen gewissen Wald, schlachteten ihn, opferten seinen Leib unter herkömmlichen feierlichen Ceremonien, genössen etwas von seinen Eingeweiden und schwüren bei der Opferung des Griechen einen Eid, dessen Landsleute zu hassen.« (Josephus 1993: 160)

      In hellenistischer Zeit war der alexandrinische Antisemitismus mit seinen Behauptungen, die Juden brächten ihrem Gott Menschenopfer dar und zettelten stets neue, blutige Verschwörungen gegen die Griechen an, die aggressivste judenfeindliche Variante. Insbesondere ihr verschwörungstheoretischer Kern sollte Schule machen.

       1.6Das vorchristliche Rom

      Eine jüdische Gemeinde existierte in Rom seit Mitte des 2. Jh.s v. Chr. Die Juden waren dem „Fremdenrecht“ unterstellt, die Ausübung ihrer Religion war ihnen gestattet, durfte indes nicht „die öffentliche Ordnung“ stören. Im vorchristlichen Rom gelang es der jüdischen Religion Anziehungskraft zu entwickeln, sodass Spannungen zwischen heterogenen Kulten aus Konversionen in größerer Zahl resultierten. Dieser Tatbestand führte zu einer Konfliktlage, in der die noch junge jüdische Gemeinde Roms unterlag. Im Jahr 139 v. Chr. kam es zur ersten Vertreibung der Juden aus Rom, um gemäß offizieller Sichtweise die „öffentliche Ordnung“ wiederherzustellen. Mit der Etablierung des „Imperium Romanum“ und der Ausweitung des römischen Herrschaftsgebiets auf den gesamten Mittelmeerraum gelangten Diaspora-Juden gegen Ende des 2. Jh.s v. Chr. sowie im Jahr 63 v. Chr. ebenso die Juden Palästinas unter römische Herrschaft. Die Juden durften ihre Religion praktizieren und waren vom römischen Militärdienst oder zumindest vom Dienst in nicht-jüdischen Kompanien befreit. Die jüdischen Gemeinden erhielten ein begrenztes Jurisdiktionsrecht, um innere Konflikte zu regeln, Sabbatheiligung sowie Versammlungsrecht wurden gewährt, ebenso wurden weitere Ausnahmeregelungen erlassen, sodass die Juden nicht allen Staatsbürgerpflichten nachkommen mussten. Die relativ umfassende Rechtegarantie ermöglichte erstmals eine Integration im Sinne sozialer Gleichstellung. Während eine gewisse Sympathie für die Juden im vorchristlichen Rom anfangs dem Sachverhalt geschuldet war, dass diese gegen Antiochos IV. gekämpft hatten und der gegen den Seleukiden-Herrscher gerichtete Makkabäer-Aufstand in das politische Kalkül Roms passte, welches sich anschickte, das hellenistische Athen politisch zu beerben, resultierte der in literarischen wie in politischen Schriften offen zutage tretende spätere Antisemitismus aus dem Tatbestand jüdischer Aufstände gegen Rom, die das römische Imperium militärisch wie prestigemäßig empfindlich trafen.

      Der siegreiche Aufstand der Makkabäer führte zur Etablierung des Herrschergeschlechts der Hasmonäer, dem es gelang, vom zweiten bis zum ersten Jh. v. Chr. die Selbstständigkeit des jüdischen Staates zu wahren. Der römische Politiker und Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus (106–48 v. Chr.) benutzte im Jahr 64 v. Chr. politische Unruhen als Vorwand, um Judäa dem Imperium Romanum einzuverleiben. Zwar gestatteten die Römer anfangs den Tempelkult, doch das Verhältnis war von Beginn an dadurch belastet, dass Pompeius in das Allerheiligste des Tempels eingedrungen war. Zu einer relevanten Verschlechterung kam es unter dem ersten römischen Kaiser Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.) als dieser von der bislang eher toleranten Religionspolitik Roms abwich, um seine eigene Verehrung durchzusetzen. Im Jahr 6 n. Chr. annullierte Augustus die Privilegien der Juden, was den Mob zu antijüdischen Plünderungen verleitete. Unter der Regentschaft des Kaisers Tiberius (42 v. Chr.–37 n. Chr.) kam es im Jahr 19 n. Chr. zur erneuten Vertreibung der Juden aus Rom. Die Problematik des Kaiserkultes sorgte auch in der Folgezeit immer wieder für Spannungen. Zwar war das Judentum als anerkannte Religion prinzipiell von den damit verbundenen Praxen befreit, im Jahr 41 beabsichtigte Kaiser Caligula indes die Aufstellung von Kaiserstatuen im Jerusalemer Tempel. Im Jahr 66 n. Chr. kostete der Pogrom von Caesarea sowie Ausschreitungen in Askalon, Akko und Skythopolis Tausende Juden das Leben. Im Kontext des jüdischen Aufstands gegen die römische Herrschaft kam es im Jahr 70 n. Chr. zur Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels. Der römische Kaiser Titus (39 n. Chr.–81 n. Chr.) ließ den Tempelschatz, u. a. die Menora (den siebenarmigen Leuchter), rauben und in einem Triumphzug durch Rom führen. Das Siegesszenario stellt der Titusbogen, der älteste erhaltene Triumphbogen des antiken Roms, der den Eingang zum Forum Romanum schmückt, in seiner Innenwand dar. Unzählige Juden wurden nach dem militärischen Sieg Roms versklavt. Nach der Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstands im Jahr 135 n. Chr. erließen die Römer ein Ansiedelungsverbot für Juden in Jerusalem sowie in Judäa und zerschlugen so die territorialstaatliche Identität des Judentums. Mit Ausnahme der Jahre 135–138 n. Chr. unmittelbar nach dem Bar-Kochba-Aufstand wurde das Judentum im Römischen Reich indes von einzelnen Phasen abgesehen weitgehend toleriert. Die Situation änderte sich indes grundlegend, als das Christentum im Römischen Imperium zur Staatsreligion avancierte.

       1.7Der Pogrom von Alexandria

      In der Antike war die von Alexander d. Gr. im Jahr 332 v. Chr. gegründete Stadt Alexandria eines der mächtigsten Stadtzentren im Mittelmeerraum. Josephus zufolge war es eine multikulturelle Stadt par excellence. Palästinensische Juden siedelten in Alexandria bereits seit ihrer Entstehungszeit. Die Ptolemäer gewährten den Juden etliche Vergünstigungen, sodass sich die Stadt zu einem Magneten für Juden entwickelte, die in der Diaspora lebten. Das Verhältnis des Judentums zu den ptolemäischen Herrschern scheint weitgehend ungetrübt gewesen zu sein bis auf die Zeit der Thronwirren unter Ptolemäus IX., in der jüdische Opfer zu beklagen waren. Die Nachfolger Alexanders d. Gr. wiesen den Juden ein eigenes größeres Stadtareal in Alexandria zu. Die meisten Juden wohnten an der Meeresküste abseits vom Hafen. Das jüdische Stadtquartier stellte kein Ghetto dar, was der Tatbestand verdeutlicht, dass jüdische Synagogen als auch jüdische Geschäfte sowie Wohnungen im ganzen Stadtgebiet existierten. Die alexandrinischen Juden verfügten nicht über das städtische Bürgerrecht, sie bildeten eine autonome, staatlicherseits anerkannte Gemeinde, die eine eigene Verwaltung besaß, über eine eigene Gerichtsbarkeit verfügte und von einem Ältestenrat geleitet wurde. Die Juden der Stadt besaßen meist griechische Bildung und teilten das hellenistische Gedankengut, sodass die hebräische Bibel („Septuaginta“) in Alexandria ins Griechische übersetzt wurde und Gebete wie Toravorlesungen in griechischer Sprache erfolgten. Spannungen mit anderen religiösen Kulten existierten bereits recht früh, zumal sowohl die Religion des Judentums als auch die jüdische Kolonie über große Ausstrahlung verfügte und Konversionen alltäglich waren. Ebenso scheinen Mischehen alles andere als eine Seltenheit gewesen zu sein.

      Zu den religiös motivierten Spannungen, die sich aus der Konkurrenzsituation einer monotheistischen Religion und ihres polytheistischen Umfeldes ergaben, gesellten sich „ethnische Erregtheiten“, die dem Sachverhalt geschuldet waren, dass Teile der Bevölkerung sich als „autochthone Ägypter“ betrachteten und in den meist bereits seit Generationen im Land anwesenden Juden noch immer Fremdlinge sahen, die erst mit den „griechischen Besatzern“ ins Land geströmt seien. Die antijüdische Stimmung besaß somit sowohl religiöse wie nationale Untertöne. Die spannungsgeladene ethnische Dreieckskonstellation zwischen Juden, Griechen und „autochthonen Ägyptern“, die über einen längeren Zeitraum vergleichsweise friedlich miteinander ausgekommen waren, verschärfte sich durch die als harte Unterdrückung wahrgenommene Herrschaft Roms. Die Juden wurden der Komplizenschaft mit den Römern bezichtigt und zogen den Hass der Bevölkerung als Stellvertreter der neuen Herren auf sich. Die Lage spitzte sich unter der Regentschaft Caligulas (12 n. Chr.–41 n Chr.) im Jahr 37 n. Chr. zu. Gegenstand der Auseinandersetzung, welche den heftigen Pogrom des darauf folgenden Jahres auslöste, wurde der Konflikt um die Frage, welche Bevölkerungsgruppen in Alexandria Bürgerrechte besitzen sollten und welche nicht. Die Juden hatten zwar bislang keine Bürgerrechte angestrebt, hofften nunmehr jedoch von Rom eine soziale Gleichstellung zu erhalten, zumal ihr Establishment hellenisierte und integriert war. Die Atmosphäre war durch die kontroverse Bürgerrechts-Debatte


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