Metamorphosen. Ovid

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Metamorphosen - Ovid


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Stimme, die Welt nicht mit Finsternis zu überziehen; Iuppiter entschuldigt sich gar wegen des Blitzschlags und würzt nach Königsart die Bitten mit Drohungen. Da sammelt Phoebus seine besinnungslosen und immer noch völlig kopfscheuen Pferde und wütet in seiner Trauer mit Stachel und Peitsche. [400] Ja, er wütet, macht ihnen Vorwürfe und gibt ihnen die Schuld am Tod des Sohnes.

      Iuppiter und Callisto

      Doch der allmächtige Vater macht einen Rundgang um die gewaltigen Mauern des Himmels und prüft nach, ob nichts, durch die Macht des Feuers gelockert, von Einsturz bedroht sei. Nachdem er sich davon überzeugt hat, daß alles fest und haltbar ist, nimmt er die Erde samt aller Mühsal der Menschen [405] in Augenschein; besonders eingehend kümmert er sich freilich um sein geliebtes Arcadien. Er stellt dort die Quellen wieder her, die Flüsse, die noch nicht zu strömen wagen, schenkt der Erde Gras, den Bäumen Laub und befiehlt den verwüsteten Wäldern, wieder zu grünen. Während er geschäftig hin- und herging, verweilte sein Auge auf einem arcadischen Mädchen; [410] er fing Feuer und erglühte bis ins innerste Mark. Es war nicht ihre Sache, Wolle durch Ziehen gefügig zu machen oder ihr Haar immer wieder anders zu legen. Hatte nur die Spange ihr Kleid, die weiße Binde ihr loses Haar gebändigt, hatte ihre Hand bald den geglätteten Jagdspieß, bald den Bogen ergriffen, [415] so war sie Phoebes Soldat. Und keine, die den Maenalus betrat, war der Trivia lieber. Doch keine Macht ist von Dauer.

      Die Sonne stand hoch und war schon über die Mitte vorgerückt, als das Mädchen einen Wald betrat, der noch zu keiner Zeit gefällt worden war. Hier nimmt sie den Köcher von der Schulter [420] und lockert den geschmeidigen Bogen. Und schon lag sie auf dem mit Gras bewachsenen Boden, und ihr Nacken ruhte auf dem bemalten Köcher. Kaum sah Iuppiter die Erschöpfte unbewacht, sprach er: »Diesen Seitensprung wird meine Gattin bestimmt nicht erfahren, oder, wenn sie davon Wind bekommt – um diesen herrlichen Preis lohnt sich die Schelte.« [425] Alsbald nimmt er Gestalt und Tracht der Diana an und spricht: »O Jungfrau aus meiner Schar, auf welchen Bergen hast du gejagt?« Das Mädchen erhebt sich vom Rasenteppich. »Sei gegrüßt«, sprach sie, »Gottheit, die nach meinem Urteil größer ist als Iuppiter – mag er es nur selbst hören!« Er hört es lächelnd, [430] freut sich, daß er sich selbst vorgezogen wird, und gibt ihr Küsse, die weder maßvoll genug waren noch so recht zu seiner Jungfrauenrolle paßten. Sie will erzählen, in welchem Walde sie gejagt hat, doch er hindert sie daran durch seine Umarmung und verrät sich nicht ohne Vergehen. Sie wehrt sich zwar, soweit sie es als Frau vermag [435] – hättest du es mitangesehen, Saturnia, du wärest milder! –, sie wehrt sich, doch wen könnte ein Mädchen und wer könnte Iuppiter besiegen? Siegreich schwingt sich Iuppiter zum hohen Äther empor. Ihr aber sind Wald und Hain als Mitwisser verhaßt. Als sie den Ort verließ, vergaß sie beinahe, Köcher und [440] Pfeile mitzunehmen und den Bogen, den sie dort aufgehängt hatte.

      Siehe, da schreitet Dictynna daher über den hohen Maenalus, von ihrem Gefolge begleitet und stolz auf die blutige Jagdbeute. Sie erblickt das Mädchen und ruft es herbei: Die Gerufene wich zurück und befürchtete zuerst, Iuppiter verberge sich in der Göttin. [445] Doch nachdem sie gesehen hatte, daß die Nymphen mit ihr kamen, begriff sie, daß kein Trug im Spiele war, und gesellte sich zu der Schar. Ach, wie schwer ist es, Schuld nicht durch die Miene zu verraten! Kaum hebt sie den Blick vom Boden; sie geht auch nicht mehr wie früher unzertrennlich an Dianas Seite und steht nicht mehr an der Spitze des ganzen Zuges, [450] sondern sie schweigt und gibt durch Erröten zu erkennen, daß ihre Keuschheit verletzt ist. Wäre Diana keine Jungfrau, hätte sie an tausenderlei Anzeichen Callistos Verfehlung bemerken können – die Nymphen freilich sollen es bemerkt haben. Die Hörner des Mondes begannen sich zum neunten Male zum Kreise zu runden, als die Jägerin unter den Göttinnen, erschöpft von den heißen Strahlen ihres Bruders, [455] einen kühlen Hain betrat, aus dem sich murmelnd ein Bach hervorschlängelte, der den Ufersand bespülte und umpflügte. Sie lobte den Platz und berührte die Oberfläche des Wassers mit der Zehenspitze; sie lobte auch das Wasser und sprach dann: »Fern ist jeder Augenzeuge. Laßt uns die nackten Leiber mit Wassergüssen benetzen!« [460] Die Parrhasierin errötete; alle legen die Hüllen ab, eine nur sucht es hinauszuzögern; während sie noch zauderte, zog man ihr das Kleid aus. Nachdem es abgelegt war, trat zugleich mit dem entblößten Körper auch die Schuld ans Licht. Während Callisto wie vom Donner gerührt dasteht und mit den Händen den Leib verbergen will, spricht Cynthia: »Geh weit von hinnen und beflecke nicht den heiligen Quell.« [465] Und sie verbannte sie aus ihrem Gefolge.

      All dies hatte die hohe Frau des großen Donnerers schon lange bemerkt und die harte Bestrafung auf einen geeigneten Zeitpunkt verschoben. Jetzt gab es keinen Grund mehr zu warten; schon war Arcas, ein Junge – eben dies ärgerte Iuno ganz besonders –, von der Nebenfrau geboren; [470] sie lenkte ihr Auge und ihr grausames Herz auf ihn und sprach: »Das hat gerade noch gefehlt, Ehebrecherin, daß du fruchtbar bist, daß dein Nachwuchs meine Schmach bekannt macht und meines Iuppiters Schandtat öffentlich bezeugt! Das sollst du mir büßen! Ich will dir nämlich die Gestalt nehmen, [475] die dir selbst, du aufdringliches Weib, und meinem Eheliebsten so gut gefällt.«

      Sprach’s, packte sie bei den Haaren an der Stirn und warf sie vornüber zu Boden. Callisto wollte flehend die Arme ausstrecken – doch die Arme wurden allmählich rauh und bekamen schwarze Zotteln, die Hände krümmten sich, wuchsen sich zu gebogenen Krallen aus [480] und übernahmen die Aufgabe von Füßen; das Gesicht, das einst Iuppiters Wohlgefallen erregt hatte, wurde häßlich und bekam ein breites Maul. Und damit keine Bitten und flehenden Worte die Herzen umstimmen können, wird ihr die Fähigkeit des Sprechens genommen: Eine zornige, drohende Stimme, die Schrecken verbreitet, kommt aus rauher Kehle. [485] Doch das frühere Bewußtsein blieb ihr auch als Bärin. Sie bekundet ihren Schmerz durch beständiges Stöhnen, hebt die Hände, so entstellt sie auch sind, zu den Sternen am Himmel. »Undankbarer Iuppiter!« Sie kann es nicht sagen, aber sie denkt es. Ach, wie oft scheute sie sich, im einsamen Walde zu ruhen, [490] und irrte vor ihrem Hause und auf ihrem früheren Grund und Boden umher! Ach, wie oft jagte Hundegebell sie über Stock und Stein! Und die Jägerin floh in panischer Angst vor den Jägern! Oft hielt sie sich versteckt, wenn sie wilde Tiere gesehen hatte, und vergaß, was sie war. Die Bärin schauderte, wenn sie im Gebirge Bären erblickte, [495] und hatte Angst vor Wölfen, obwohl ihr Vater einer war.

      Siehe, da kommt der Sohn Arcas, der seine von Lycaon stammende Mutter nicht kennt. Er ist jetzt etwa fünfzehn Jahre alt. Während er wilde Tiere jagt, während er geeignete Bergwälder aussucht und die erymanthischen Wälder mit geknüpftem Garn umstellt, [500] stößt er auf seine Mutter. Sie blieb beim Anblick des Arcas stehen und schien ihn zu erkennen. Er wich zurück und erschrak, nichts ahnend, vor ihr, die fest den Blick auf ihn gerichtet hielt und sich nicht satt sehen konnte; und als sie Verlangen zeigte, sich ihm zu nähern, schickte er sich an, ihr die Brust mit der verletzenden Waffe zu durchbohren. [505] Doch der Allmächtige hielt ihn zurück und hob die beiden auf – und zugleich damit auch die Freveltat: Zusammen entrückte er sie in einem Sturmwind durch den leeren Raum, versetzte sie an den Himmel und machte sie zu benachbarten Sternbildern.

      Da schwoll in Iuno der Zorn, nachdem die Nebenfrau im Kreise der Gestirne glänzte, und sie stieg hinab ins Meer zur altersgrauen Tethys [510] und zum greisen Oceanus, denen Götter oft ehrerbietig gehorchen. Auf die Frage, was sie hierher führe, hebt sie an: »Wollt ihr wissen, warum ich, die Götterkönigin, von meinen Wohnsitzen im Äther hierher komme? An meiner Stelle beherrscht eine andere den Himmel! Nennt mich eine Lügnerin, wenn ihr nicht, sobald die Nacht die Welt verdunkelt hat, [515] ganz oben am Himmel die neu geadelten Sterne seht, die mich kränken, dort, wo sich der letzte und engste Kreis um den obersten Pol der Himmelsachse legt! Gibt es überhaupt noch einen Grund für jemanden, Iuno nicht verletzen zu wollen, davor zu zittern, mich zu beleidigen, da ich doch, wenn ich schaden will, nur nütze? [520] O wieviel habe ich ausgerichtet! Wie gewaltig ist meine Macht! Ich verbot ihr, ein Mensch zu sein, und sie wurde zur Göttin! So darf ich Schuldige bestrafen, so weit geht meine Befugnis! Soll er doch wenigstens nur das frühere Aussehen für sie beanspruchen und ihr die Tierfratze nehmen, wie er es einst bei der Phoronis aus Argolis tat! [525] Warum heiratet er sie nicht auch noch, verstößt mich, seine Iuno, richtet ihr mein Ehegemach ein und nimmt Lycaon zum Schwiegervater? Doch wenn euch der Schimpf, der eurer gekränkten Pflegetochter angetan wurde, nicht gleichgültig läßt,


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