Metamorphosen. Ovid

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Metamorphosen - Ovid


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sagt mir Gras als Nahrung zu, schon drängt es mich, weit übers Feld zu stürmen. Ich verwandle mich in eine Stute, eine mir verwandte Gestalt. Doch warum ganz? Mein Vater ist doch doppelgestaltig.« [665] Während sie solches sprach, verstand man das Ende der Klage nicht mehr so recht, wirr waren die Worte. Bald scheinen es nicht mehr Worte und noch keine Pferdestimme zu sein, sondern es war, als ahme jemand eine Stute nach. Doch nach kurzer Zeit stieß sie schon deutlich Gewieher aus und streckte die Arme ins Gras hinab. [670] Da schließen sich die Finger zusammen, und die fünf Nägel verbinden sich zu einem leichten Huf, der ganz aus Horn besteht. Es wachsen Gesicht und Hals in die Länge, der größte Teil des wallenden Gewandes wird zum Schweif. Das Haar, das ihr flatternd um den Hals spielte, hat sich zur Mähne gewandelt, die nach rechts fällt. Stimme und Gestalt sind zugleich neu geworden. [675] Das Wunder hat ihr auch den Namen gegeben.

      Battus

      Der Heros, Philyras Sohn, weinte und rief vergeblich deine Hilfe an, Gott von Delphi! Konntest du doch nicht aufheben, was der große Iuppiter angeordnet hatte; und hättest du es auch gekonnt, wärest du damals nicht zur Stelle gewesen. Du weiltest nämlich in Elis und in den messenischen Gefilden. [680] Das war damals, als du ein Hirtenkleid aus Fell trugst; deine Linke hielt einen knorrigen Stock, und die andere Hand eine Hirtenflöte, deren sieben Rohre verschieden lang waren. Während du nur an Liebe denkst und deine Flöte dich tröstet, sollen die Rinder unbewacht in das Gebiet von Pylos vorgedrungen sein. [685] Diese sieht der Sohn der Atlastochter Maia, treibt sie als Meisterdieb beiseite und versteckt sie im Gehölz. Den Diebstahl hatte keiner bemerkt außer einem Alten, der in jener ländlichen Gegend bekannt war; die ganze Nachbarschaft nannte ihn Battus. Er bewachte die Bergwälder des reichen Neleus, seine Viehweiden, auf denen fettes Gras wuchs, [690] und sein edles Gestüt. Dieser Mann war dem Gott nicht geheuer; so zog er ihn freundlich mit der Hand beiseite und sprach zu ihm: »Wer du auch sein magst, Fremder, wenn jemand nach diesen Zugtieren fragt, sag ihm, du hättest keine gesehen, und nimm, damit deine Gefälligkeit nicht unbelohnt bleibe, eine prächtige Kuh zum Lohn!« [695] Und er gab sie ihm. Der andere nahm sie an und versetzte: »Fremder, geh ganz unbesorgt! Eher soll dieser Stein deinen Diebstahl ausplaudern«, und er zeigte auf einen Stein. Zum Schein entfernt sich Iuppiters Sohn; bald kehrt er in verwandelter Gestalt zurück. Mit veränderter Stimme sprach er: »Landmann, hast du auf diesem Weg irgendwelche Rinder vorbeiziehen sehen, [700] so hilf mir und verschweige den Diebstahl nicht. Du bekommst dafür eine Kuh zusammen mit dem zugehörigen Stier.« Der Alte aber sprach, nachdem der Lohn sich verdoppelt hatte: »Am Fuße der Berge dort drüben werden sie sein.« Und sie waren am Fuße der Berge dort drüben. Da lachte der Sohn der Atlastochter und sagte: »Mich verrätst du an mich, Wortbrüchiger, [705] mich verrätst du an mich?« und verwandelte das meineidige Herz in einen harten Stein, der auch jetzt noch Anzeiger heißt. So steht der Stein, der nichts dafür kann, seit alters in Verruf.

      Aglauros, Mercur und Herse

      Von hier hatte sich auf seinem Flügelpaar der stabtragende Gott emporgeschwungen, und im Fluge blickte er auf die Felder von Munychia hinab, auf das Land, das der Minerva lieb ist, [710] und auf die Büsche des gepflegten Lyceum. An jenem Tage trugen gerade, wie es dort Brauch ist, keusche Jungfrauen die heiligen Geräte in bekränzten Körben auf dem Scheitel zur festlich geschmückten Burg der Pallas. Während sie von dort zurückkommen, erblickt sie der geflügelte Gott [715] und fliegt nicht mehr geradeaus weiter, sondern zieht einen Kreis am Himmel. Wie wenn der räuberische Vogel, der Weih, geopferte Eingeweide erspäht hat und, solange er noch scheu ist und die Opferdiener sich dicht um das Heilige drängen, rundherum schwebt und es nicht über sich bringt, sich weiter zu entfernen, und gierig das Erhoffte auf flatternden Schwingen umfliegt, [720] so krümmt der Cyllener über der Burg von Athen begehrlich seine Flugbahn und kreist unablässig an Ort und Stelle. Wie der Morgenstern die übrigen Sterne und wie die goldene Phoebe den Morgenstern überstrahlt, so viel herrlicher als alle übrigen Jungfrauen schritt Herse einher. [725] Sie war der Stolz des Festzugs und ihrer Gefährtinnen. Von ihrer Schönheit war Iuppiters Sohn gebannt, und während er im Äther schwebte, entbrannte er in Liebe: nicht anders, als wenn eine balearische Schleuder eine Bleikugel wirft; sie fliegt, erglüht im Fluge und findet das Feuer, das sie nicht hatte, unter den Wolken. [730] Er kehrt um, verläßt den Himmel und trachtet nach Irdischem. Nicht verleugnet er seine Gestalt; so stolz ist er auf sie. Zwar ist sie in Ordnung, doch hilft er ihr noch durch Pflege auf, streicht sich das Haar zurecht, legt den Mantel richtig in Falten, daß er falle, wie es sich gehört, daß der Besatz und die ganze Goldstickerei zur Geltung komme, [735] daß der Stab in seiner rechten Hand, mit dem er den Schlaf herbeizwingt und fernhält, schön blank sei und daß die Flügelschuhe an sauberen Füßen glänzen.

      Der verborgene Teil des Hauses hatte drei Gemächer, die Elfenbein und Schildpatt schmückten. Davon gehörte dir, Pandrosos, das rechte, Aglauros das linke, das mittlere besaß Herse. [740] Die Bewohnerin der linken Kammer bemerkte als erste Mercurs Kommen und wagte den Gott zu fragen, wie er heiße und warum er komme. Er entgegnete ihr: »Ich bin der Enkel des Atlas und der Pleione und trage Worte, die mein Vater mir aufträgt, durch die Lüfte; mein Vater ist Iuppiter selbst. [745] Und ich will keine Ausreden ersinnen: Sei du nur bitte deiner Schwester treu ergeben und sei bereit, die Tante meiner Nachkommenschaft zu heißen! Herse ist das Ziel meiner Fahrt; ich bitte dich, steh mir in meiner Liebe bei!«

      Ihn blickt Aglauros mit denselben Augen an, mit denen sie vor kurzem das Geheimnis der blonden Minerva gesehen hatte. [750] Und sie verlangt schweres Gold als Lohn für ihren Dienst; vorerst nötigt sie ihn, das Haus zu verlassen. Ihr wendet die kriegerische Göttin das Auge mit finsterem Blick zu. Dabei seufzte sie so tief und heftig, daß sie zugleich die Brust [755] und die Ägide erschütterte, die ihr die tapfere Brust umschloß. Es fällt ihr ein, daß Aglauros ihr Geheimnis mit unheiliger Hand aufdeckte, als sie entgegen der Vereinbarung das ohne Mutter entstandene Kind des Gottes von Lemnos sah; jetzt würde sie obendrein einem Gotte und zugleich ihrer Schwester lieb sein und auch noch reich, wenn sie das Gold empfing, das sie in ihrer Habgier gefordert hatte.

      [760] Alsbald macht Minerva sich auf zum Hause der Mißgunst, das von schwarzem Geifer starrt. Ihr Heim ist an der tiefsten Stelle eines Tales versteckt. Kein Sonnenstrahl findet dorthin den Weg, kein Wind bläst hindurch. Finster ist’s und voll lähmenden Frostes, nie brennt dort ein Feuer, doch Nebelschwaden brauen stets in reicher Fülle. [765] Hier angekommen, bleibt die Heldenjungfrau, die sonst im Kriege Furcht verbreitet, vor dem Hause stehen – denn die Weltordnung verbietet ihr, unter das Dach zu treten –, und sie stößt mit der Lanzenspitze an die Türpfosten. Von dem Schlag sprangen die Türflügel auf. Drinnen sieht sie die Mißgunst Vipernfleisch essen – das gibt ihrem Laster Nahrung. [770] Von dem Anblick muß Minerva die Augen abwenden. Jene aber erhebt sich schwerfällig vom Boden, läßt die halbverzehrten Schlangenleiber liegen und geht mit trägem Schritt einher. Kaum hatte sie die Göttin im Schmuck ihrer Schönheit und ihrer Waffen gesehen, seufzte sie auf und verzog mit tiefem Stöhnen die Miene. [775] Bleich ist ihr Gesicht, mager der ganze Leib, der Blick in keiner Richtung gerade, die Zähne sind dunkel vor Fäulnis, die Brust ist grünlich von Galle, die Zunge von Gift unterlaufen. Lachen liegt ihr fern, außer schadenfrohem Gelächter beim Anblick von Schmerzen. Nie kommt sie in den Genuß des Schlafes, da aufregende Sorgen sie wachhalten; [780] vielmehr sieht sie nur die ihr unwillkommenen Erfolge der Menschen und verzehrt sich bei deren Anblick. So zerfleischt sie zugleich andere und sich selbst und ist ihre eigene Strafe. Trotz allem Abscheu redet Tritonia sie kurz mit solchen Worten an: »Vergifte mit deinem Geifer eine der Töchter des Cecrops. [785] So muß es sein. Es ist Aglauros.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, flüchtete sie und stieß sich mit der Lanze von der Erde ab.

      Jene sah der forteilenden Göttin mit schiefem Blick nach, murrte ein wenig, und es tat ihr weh, daß Minerva Erfolg haben würde. Dann nimmt sie den Stab, [790] den dichte Dornenranken umgaben. Von schwarzen Wolken bedeckt, verwüstet sie auf ihrem Wege überall die blühenden Lande, verbrennt das Gras, rupft die Mohnköpfe ab und vergiftet Völker, Städte und Häuser mit ihrem Anhauch. Endlich erblickt sie die Burg der Tritonia, [795] reich gesegnet mit Begabungen und mit Schätzen und blühend in festlichem Frieden. Kaum kann sie die Tränen zurückhalten, weil sie nichts Beweinenswertes sieht. Doch nachdem sie die Kammer der Cecropstochter betreten


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