Metamorphosen. Ovid

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Metamorphosen - Ovid


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zu ihr gesagt haben: ›Salmacis, nimm einen Wurfspieß oder einen bunten Köcher und bringe durch die rauhe Jagd etwas Abwechslung in deine Muße.‹ Doch sie nimmt keinen Wurfspieß zur Hand, keinen bunten Köcher und bringt nicht durch die rauhe Jagd Abwechslung in ihre Muße. [310] Vielmehr badet sie bald ihre schönen Glieder in ihrer Quelle; bald kämmt sie sich das Haar mit einem Kamm aus Buchsbaumholz, blickt in den Wasserspiegel und befragt ihn, was ihr stehe; bald legt sie sich, in einen durchscheinenden Überwurf gehüllt, auf weiches Laub oder ins weiche Gras; [315] bald pflückt sie Blumen. Auch damals pflückte sie gerade Blumen, als sie den Knaben sah und auf den ersten Blick zu besitzen wünschte. Doch sie trat erst vor ihn – obwohl es ihr damit eilte –, nachdem sie sich zurechtgemacht, den Faltenwurf ihres Gewandes überprüft, ihr strahlendstes Lächeln aufgesetzt hatte und für schön gelten konnte. [320] Dann begann sie folgendermaßen: ›O Knabe, wahrhaft wert, für einen Gott gehalten zu werden! Bist du ein Gott, so könntest du Cupido sein; bist du ein Sterblicher, so sind deine Eltern glückselig, dein Bruder glücklich und wahrhaft beglückt deine Schwester, wenn du eine hast, und die Amme, die dir die Brust gab; [325] aber die aller-, allerglückseligste ist deine Braut, wenn es eine gibt, die du der Hochzeitsfackel würdigst. Hast du eine Braut, so bleibe meine Wonne geheim; hast du keine, laß mich die Deine sein und uns ins Brautgemach gehen!‹ Hier verstummte die Naiade; dem Knaben schoß die Röte ins Gesicht [330] – denn er weiß nicht, was Liebe ist –, aber auch das Erröten stand ihm gut. Diese Farbe haben Äpfel, die an einem sonnenbeschienenen Baum hängen, oder gefärbtes Elfenbein oder der Mond, dessen weißes Licht sich rot färbt, wenn bei der Verfinsterung vergeblich das helfende Erz erdröhnt. Da die Nymphe unablässig wenigstens einen schwesterlichen Kuß verlangte [335] und schon die Hände um seinen Hals legen wollte, der wie Elfenbein schimmerte, sprach er: ›Hörst du auf, oder muß ich fliehen und dich und diesen Ort verlassen?‹ Salmacis erschrak und versetzte: ›Ich überlasse ihn dir zur freien Verfügung, Fremdling.‹ Sie kehrt um und tut, als ginge sie fort – auch jetzt noch blickt sie sich um. In einem buschigen Gehölz [340] hat sie sich versteckt und sich mit gebeugtem Knie hingekauert. Er aber glaubt sich auf der menschenleeren Wiese unbeobachtet, geht auf und ab und netzt in den heranplätschernden Wellen erst die Zehenspitzen und dann den Fuß bis zum Knöchel; sogleich reizt ihn die Wärme des schmeichelnden Wassers, [345] und er legt die feinen Hüllen von seinem zarten Körper ab. Da gefiel er Salmacis erst recht, und sie entbrannte in Begierde nach der nackten Gestalt. Und die Augen der Nymphe sprühen Feuer, nicht anders, als wenn die Sonne am hellsten strahlt, weil keine Wolken ihre Scheibe trüben, und ihr Bild vom Spiegel zurückgeworfen wird. [350] Sie kann es kaum mehr erwarten, ihre Liebesfreuden kaum noch aufschieben, schon begehrt sie, ihn zu umarmen, sie ist hingerissen, kann sich fast nicht mehr beherrschen. Jener klopft sich rasch mit den hohlen Händen den Körper ab, springt in die Fluten, bewegt die Arme im Wechsel und schimmert durch das klare Wasser hindurch wie ein elfenbeinernes Standbild [355] oder eine weiße Lilie, die jemand hinter durchsichtiges Glas stellt. ›Sieg! Er ist mein!‹ ruft die Naiade, wirft alle Kleider weit fort und stürzt sich mitten in die Wellen. Er wehrt sich; sie aber hält ihn fest, raubt ihm trotz seines Widerstandes Küsse, legt die Hände von unten an ihn, berührt seine widerstrebende Brust [360] und umfängt den jungen Mann bald von dieser, bald von jener Seite. Während er sich sträubt und ihr entschlüpfen will, umschlingt sie ihn endlich wie eine Schlange, die der König der Vögel festhält und emporträgt – während sie hängt, fesselt sie ihm Kopf und Füße und umschnürt ihm mit dem Schwanz die Flügel, die sich ausbreiten wollen –, [365] oder wie Efeuranken lange Baumstämme zu umspinnen pflegen und wie der Polyp seinen Feind, den er in der Wassertiefe gepackt hat, umklammert, indem er von allen Seiten Fangarme nach ihm ausstreckt. Der Urenkel des Atlas bleibt fest und verweigert der Nymphe die erhofften Freuden; sie aber bedrängt ihn. Mit dem ganzen Körper eng an ihn geschmiegt, [370] sprach sie: ›Magst du dich auch wehren, Böser, trotzdem wirst du mir nicht entrinnen. Ihr Götter, laßt es so geschehen: Kein Tag soll ihn von mir und mich von ihm trennen.‹ Der Wunsch fand gnädige Götter; denn die ineinander verschlungenen Körper der beiden werden eins, und sie bekommen eine einzige Gestalt. [375] Wie wenn einer, der Zweige unter die Rinde pfropft, sie miteinander verschmelzen und gemeinsam heranwachsen sieht, so sind die Glieder durch die feste Umarmung eins geworden, keine zwei Leiber, sondern eine Zwittergestalt, die man weder Frau noch Mann nennen kann; sie erscheint als keines von beiden und doch als beides. [380] Sobald er also bemerkt hatte, daß ihn die klaren Wellen, in die er als Mann hinabgestiegen war, zum Zwitter gemacht hatten und daß seine Glieder darin weibisch geworden waren, streckte Hermaphroditus die Hände aus und sprach mit einer Stimme, die nicht mehr männlich war: ›Vater und Mutter, macht eurem Sohn, der nach euch beiden benannt ist, ein Geschenk: [385] Jeder, der diese Quelle als Mann betritt, möge sie als Halbmann verlassen und, sobald er die Wellen berührt, weibisch werden.‹ Beide Eltern ließen sich rühren, erfüllten den Wunsch ihres zwitterhaften Sohnes und tränkten die Quelle mit einem Zaubermittel, das auf das Geschlecht wirkt.«

      Die Minyastöchter (II)

      Die Erzählung war zu Ende, doch immer noch arbeiten die Minyastöchter fieberhaft, [390] mißachten den Gott und entweihen den Feiertag, als plötzlich unsichtbare Pauken mit dumpfen Tönen störend erklangen. Die Oboe mit gebogenem Horn und klirrende Erzbecken erschallen, Myrrhen- und Krokusduft steigt auf. Da – o Wunder! – begannen die Webstühle zu grünen, [395] und zu Efeulaub wurde das herabhängende Gewebe. Manches davon wird zu Reben, und was eben noch ein Faden war, verwandelt sich in eine Weinranke; aus den Kettfäden sprießt Weinlaub, und der Purpur färbt die Trauben und verleiht ihnen Glanz. Schon war der Tag erloschen, und die Stunde nahte, [400] die man weder Finsternis noch Licht nennen kann, sondern die Grenze zwischen dem Tag und der zögernden Nacht; da war es plötzlich, als bebe das Haus und als loderten darin harzige Fackeln, als erstrahle die Halle in rötlichem Feuer und als heulten Trugbilder wilder Tiere. [405] Schon lange halten sich die Schwestern in ihrem rauchgeschwängerten Hause versteckt und flüchten vor dem Feuer und dem Licht in verschiedene Winkel; und während sie ins Dunkel streben, spannt sich zwischen ihren feinen Gelenken eine Flughaut, und ihren Arm umschließt ein dünner Flügel. Und das Dunkel erlaubt nicht zu wissen, [410] auf welche Weise sie ihre frühere Gestalt verloren. Kein Federkleid hob sie empor, sie hielten sich dennoch mit durchscheinenden Schwingen in der Schwebe. Sie versuchen zu sprechen, doch stoßen sie nur einen ganz schwachen Ton aus, der ihrer kleinen Gestalt entspricht, klagen leise zirpend und halten sich in Häusern, nicht im Walde auf. Da sie das Tageslicht hassen, [415] fliegen sie bei Nacht aus und sind nach dem späten Abend benannt.

      Ino und Melicertes

      Daraufhin war die göttliche Macht des Bacchus zu Theben in aller Munde. Und Ino, die Schwester seiner Mutter, erzählt überall die großen Wundertaten des neuen Gottes. Sie war als einzige von so vielen Schwestern von Leid verschont geblieben – abgesehen von dem Leid, das sie um ihrer Schwestern willen litt. [420] Stolz ist sie auf ihre Kinder, auf ihre Ehe mit Athamas und auf ihren Zögling, der ein Gott ist. So sieht Iuno sie, erträgt es nicht und spricht zu sich selbst: »Hat es der Sohn der Nebenfrau nicht fertiggebracht, die maeonischen Schiffer zu verwandeln und ins Meer zu versenken, die Mutter Agaue den Leib des eigenen Sohnes zerfleischen zu lassen [425] und die drei Minyastöchter mit neuartigen Flügeln zu umhüllen? Iuno aber soll über unvergoltene Kränkungen nur weinen können? Ist mir das genug? Ist das meine ganze Macht? Er selbst kann mich lehren, was ich zu tun habe – man darf ja auch vom Feind etwas lernen! Was Wahnsinn vermag, hat er durch die Ermordung des Pentheus genügend [430] bewiesen – ja, mehr als genügend. Warum soll man nicht Ino aufstacheln und sie ihrerseits im Wahnsinn dem Beispiel ihrer Verwandten folgen lassen?«

      Es gibt einen abschüssigen Weg, von düsterem Taxus umschattet; er führt durch Totenstille in die Unterwelt. Die träge Styx haucht Nebelschwaden aus; soeben Verstorbene [435] steigen dort hinab, Schatten, welche die Bestattung hinter sich haben. Bleicher Winter herrscht weithin in der Einöde, und die neuangekommenen Geister wissen nicht, wo der Weg ist, wo es zur stygischen Stadt geht und wo sich die grauenerregende Königsburg des finsteren Pluto befindet. Zur Aufnahme bereit, hat die Stadt tausend Eingänge und auf allen Seiten offene Tore. [440] Wie das Meer die Flüsse von der ganzen Erde, so nimmt jener Ort alle Seelen auf, ist für kein Volk zu klein und fühlt nichts vom Zuwachs der Menge. Blutlos,


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