Im Sonnenwinkel Classic 45 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Читать онлайн книгу.gewesen, noch nie mit einem Mann in der Nacht allein. Ihr Herz klopfte, und sie lächelte verlegen, als sie durch die teppichbelegte Halle gingen.
»Ist alles okay, Liebling«, raunte Claudius ihr zu. »Wir haben getrennte Zimmer. Wenigstens für die Öffentlichkeit.«
Eva war völlig benommen. Etwas in ihr lehnte sich gegen diese Selbstverständlichkeit auf, aber als er sie dann in den Armen hielt und küsste, war jeder Widerstand erstickt. Sie wusste, dass dieser Mann ihr Schicksal war, der erste und der letzte Mann in ihrem Leben, die ganz große Liebe.
*
Zu allen äußeren Vorzügen hatte Claudius auch die Gabe in die Wiege gelegt bekommen, jeder Frau das Gefühl zu vermitteln, dass sie die einzige für ihn sei. Viel gedacht hatte er sich nie dabei, aber bei Eva war es doch etwas anders.
Die Erkenntnis, dass sie noch ein völlig unerfahrenes Mädchen war, hatte ihn verblüfft, vielleicht sogar ein wenig bestürzt, aber er war einfach verrückt nach ihr. Es wurde ihm nicht bewusst, dass er in ihrer Gegenwart ein anderer Mann war, fast ein glücklicher Junge, im siebten Himmel schwebend und jeden Konflikt von sich weisend.
Und Eva, für die es nur diesen einen Mann auf der Welt gab, schwebte wie auf Wolken, befreit von aller Erdenschwere, ihre Jugend war weniger erfreulich und unbeschwert verlaufen. Die ehrgeizigen Eltern hatten das Talent ihrer Tochter gefördert, aber sie pochten auch hartnäckig auf ihren Dank, der sich auch in klingender Münze äußern sollte.
Eigentlich hätte Eva die Woche Urlaub, die sie vor der Auslandstournee hatte, bei ihren Eltern verbringen sollen. Aber sie hatte ihnen geschrieben, dass sie sich noch für einige Rollen vorbereiten müsse, da diese Tournee ihr den Durchbruch in die Weltklasse bringen solle, vielleicht sogar eine Filmrolle. Das Letzte stimmte, das andere war nur Ausrede und die erste große Lüge ihres Lebens.
Doch schon an diesem Tag war sie überzeugt, dass sie sich mit dieser Lüge ein unvergängliches Glück erkauft hätte.
Das Mädchen aus bescheidenem bürgerlichem Haus und der Millionenerbe war ein richtiges Märchen!
Das Frühstück wurde ihnen in diesem Luxushotel, das sich bestimmt nur wenige leisten konnte, auf dem Zimmer serviert.
»Was sollen sie nur von mir denken«, äußerte Eva befangen, als der Ober den Servierwagen ins Zimmer geschoben hatte.
Claudius Röttgen lachte nur.
»Du bist süß«, meinte er später, als sie ihm den Kaffee einschenkte. »Jetzt fühle ich mich fast als Ehemann. Ein recht unerfreulicher Gedanke, dass wir bald durch Meere getrennt sein werden, Ev.«
Daran wollte sie augenblicklich gar nicht denken, und wenn er sie gefragt hätte, ob sie nicht für immer bei ihm bleiben wolle, hätte sie jubelnd ja gesagt. Aber er fragte nicht.
»Komm mir nur ja nicht mit einem amerikanischen Millionär zurück«, bemerkte Claudius beiläufig.
»Wie kannst du nur so etwas denken«, entgegnete Eva ernsthaft. »Ich liebe dich, Claudius. Ich werde nie einen anderen Mann lieben.«
Ein unbehagliches Gefühl erfasste ihn. Liebe war für ihn ein Wort, nur ein Wort, das zu oft unnütz gebraucht wurde. Zu viele Frauen hatten gesagt: »Ich liebe dich.«
Es gefiel ihm ganz und gar nicht, diese Worte aus Evas Mund zu hören. Aber sie tönten doch anders und stimmten ihn nachdenklich.
Ich werde nie einen anderen Mann lieben – das klang schon fast wie ein Bekenntnis! Und wie sie ihn anblickte! Dieser Schimmer in ihren Augen, dieses Lächeln, das sich um ihren schönen Mund legte, um diesen Mund, den er so gern küsste.
Er küsste sie auch jetzt, und es dauerte lange, bis sie zu ihrem Frühstück kamen.
»Wonach steht dir jetzt der Sinn?«, fragte er dann.
Ihr Blick schweifte zum Fenster hinaus. »Ich würde gern durch den Wald gehen, lange«, sagte sie gedankenverloren. »Es ist ein herrlicher Tag, Claudius.«
Er war es gewohnt, mit dem Wagen zu fahren. Spaziergänge liebte er gar nicht, aber er widersprach nicht.
Es wunderte ihn ein wenig, aber er ging mit ihr durch den Wald und fand sogar Gefallen daran. Sie kam ihm vor wie eine Elfe, die ihn mit einem rätselhaften Zauber eingefangen hatte. Es war mal etwas anderes. Evas Natürlichkeit reizte ihn. Er berauschte sich förmlich an ihrer Anmut und wünschte, Maler zu sein.
»Wenn ich nur malen könnte, Eva«, bemerkte er. »Es würde bestimmt ein Gemälde werden, um das sich alle reißen würden.«
»Von mir?«, fragte sie schelmisch.
»Natürlich von dir. Aber ich würde es nie hergeben. Ich würde es in mein Zimmer hängen und jeden Tag betrachten. Ich würde dich nie vergessen.«
»Würdest du mich sonst vergessen?«
Er legte den Arm um sie.
»Aber wie kannst du nur so etwas denken, Ev! Du wirst mich schneller vergessen, wenn du berühmt bist. Du willst doch berühmt werden?«
»Nein, Claudius, es gibt etwas Schöneres«, erwiderte sie verhalten. »Ich weiß jetzt, was Glück ist.«
*
Sandra Münster kleidete sich an. Das zauberhafte Abendkleid hatte sie in Paris erstanden, als sie vor ein paar Wochen ihren Mann dorthin begleitete. Sie freute sich richtig, es nun einmal tragen zu können.
Felix betrachtete sie kritisch.
»Ist der Ausschnitt nicht ein bisschen zu weit, Sandra?«, fragte er.
»Lieber Himmel, du wirst dich wundern, welche Dekolletés du heute sehen wirst. Außerdem wird es ganz schön heiß werden. Ich kann doch nicht immer zugeknöpft gehen, Felix. Gefalle ich dir nicht?«
»Anderen brauchst du nicht zu gefallen«, entgegnete er.
»Ich finde Mami sehr schön«, mischte sich Manuel ein, der unbemerkt eingetreten war. »Ricky hat auch einen ganz tiefen Ausschnitt. Bambi hat es mir erzählt. Und Fabian hat auch schon gemeckert.«
»Die Männer sind doch alle gleich«, lächelte Sandra. »Ich bin wirklich froh, dass auch unsere Freunde kommen, Felix. Viel ist ja hier wirklich nicht los.«
»Möchtest du mehr Abwechslung haben?«, fragte er betroffen.
»Unsinn, Brummbär. Wie ich mich kenne, bin ich morgen heilfroh, dass der Trubel wieder vorbei ist und wir unseren Sonnenwinkel genießen können. Aber nun ein bisschen dalli, wir müssen aufbrechen.«
»Ruf mal die Omi an, Manuel«, wandte Felix sich an seinen Sohn. »Sag ihr, dass wir gleich fertig sind.«
»Das ist nicht nötig. Sie kommen etwas später nach«, warf Sandra ein. »Carlo hat Herrn Dressler doch tatsächlich überredet mitzukommen.«
»Ist es die Möglichkeit«, bemerkte Felix.
Carlo Heimberg, der zweite Mann von Sandras Mutter, ein sehr bekannter Architekt, der auch die Siedlung Erlenried geplant und gebaut hatte, hatte seit einigen Tagen Besuch von Lothar Dressler, einem bekannten Maler, der aber eine recht eigenwillige Persönlichkeit war. Sandra und Felix schätzten ihn allerdings ebenso wie die Heimbergs.
»Anscheinend möchte sich Dressler hier für einige Zeit niederlassen«, erzählte Sandra ihrem Mann auf der Fahrt nach Hohenborn.
»Das erfahre ich jetzt erst?«
»Wann hattest du während der letzten Tage schon mal Zeit für einen Plausch«, äußerte Sandra leichthin.
»Wenn ich nicht hinterher gewesen wäre, könnten wir diese lustige Party in rohen Mauern feiern«, brummte er.
»Wird sie lustig?«, scherzte Sandra. »Steck deine Gäste nur nicht mit deiner sauren Miene an, Herzallerliebster.«
»Wenn du nur deinen Spaß hast«, meinte er.
Sandra lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Ich