Titain - Warrior Lover 15. Inka Loreen Minden

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Titain - Warrior Lover 15 - Inka Loreen Minden


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ihre echte Mutter habe ihr vorgesungen. Aber das war wohl nur Wunschdenken. Wahrscheinlich war das die Stimme ihrer Amme Maria gewesen, die sich noch um ein weiteres Kind – Pearls »Schwester« Jane – gekümmert hatte. Maria hatte sie versorgt, ins Bett gebracht, ihnen die Verhaltensregeln eines Arbeiters erklärt. Sie war stets liebevoll zu ihnen gewesen, hatte aber immer eine gewisse Distanz bewahrt. Vor zwei Jahren war sie an Krebs gestorben, und Pearl war lange Zeit betrübt gewesen. Sie hatte Maria gemocht. Dabei war diese Krankheit längst geheilt! Aber die speziellen Medikamente und die Stammzellentherapie standen ihnen natürlich nicht zu!

      Normalerweise setzte sich Pearl in der Kantine irgendwo dazu, aber heute war sie froh, dass alle bereits Gesprächspartner hatten. Niemand sollte bemerken, wie aufgewühlt sie war, darum würde sie es sich irgendwo in der hintersten Ecke gemütlich machen. Gleich neben der einzigen großen Panoramascheibe war noch ein ganzer Tisch für sie allein frei.

      Zuerst ging Pearl jedoch zu einem der drei Ausgabe-Automaten, an denen sich zu den Stoßzeiten lange Schlangen bildeten – noch ein Vorteil, die Nachtschichten zu übernehmen –, loggte sich mittels Daumenscan ein und scrollte auf dem Monitor durchs Menü. Nach dem Aufstehen hatte sie noch Hunger gehabt, aber nun verspürte sie nicht den geringsten Appetit. Um nicht aufzufallen, bestellte sie sich Algentee und freute sich, dass heute der Insektenburger im Programm war. Der schmeckte wirklich lecker und bot eine willkommene Abwechslung, denn an manchen Tagen brachte sie kaum noch etwas mit Algen hinunter. Es gab sogar Algenwein und Algenschokolade! Das grüne Zeug wuchs hier natürlich in Hülle und Fülle und wurde so gut wie überall reingemischt, während ansonsten nur noch eine Getreideart angebaut wurde. Alle anderen Sorten waren im Laufe der Zeit Schädlingen zum Opfer gefallen oder einfach nicht mehr in ausreichender Menge und Qualität gewachsen. Zum Glück hatte Paradisia noch Hühner und Eier, aber selbst die schmeckten nach Meer, weil die Vögel ebenfalls Algen, Seetang und Muscheln zu fressen bekamen – neben den ganzen Nahrungsmittelabfällen.

      Das Leben kotzte Pearl also nicht nur sprichwörtlich an. Wenn sich ihr eines Tages die Gelegenheit bieten würde, etwas an ihrem aktuellen Zustand ändern zu können, würde sie diese Chance sofort ergreifen, koste es, was es wolle!

      Kapitel 4 – Grausame Show

      »Pearl!«

      Abrupt blieb sie im Gang stehen, als sie die Befehlsstimme von Cornelius Hawthorne hinter sich hörte, und drehte sich wie in Trance zu ihm um. Verflucht!

      Er marschierte in seinem perfekten weißen Anzug auf sie zu, gefolgt von Koa, der drei Schritte hinter ihm ging. Den neuen Androiden entdeckte sie nicht.

      »Sir?« Sie schluckte hart und lächelte schief. Wusste er, dass sie alles beobachtet hatte? Kam er, um sie abführen zu lassen? Durch Koa?

      »Gut, dass ich dich treffe«, sagte er kühl, als er vor ihr stand. Er war nicht so groß wie sie, doch er strahlte immer Autorität und eine gewisse Dominanz aus. »Bring Koa in seine Ladekammer und mach danach mit deiner Arbeit weiter.«

      »Sehr wohl, Sir«, krächzte sie, wobei sie sich vor Erleichterung fast in die Hose pinkelte, und räusperte sich schnell.

      »Außerdem«, setzte er hinzu, »haben wir gerade einen neuen Androiden aktiviert. Titain. Du wirst ab morgen mit ihm arbeiten. Deine Befehlsberechtigung hat er auch gerade erhalten.«

      Sie grinste zittrig und sagte rau: »Perfekt.«

      Cornelius hob mürrisch eine gräuliche Braue. »Du wirst doch nicht krank werden?«

      »Ich?« Nun klang ihre Stimme etwas zu schrill. »Ich werde nie krank, Sir!«

      Er lächelte milde. »Du bist ein gutes Mädchen, Pearl. Enttäusche mich nicht!«

      Hatte er ihr tatsächlich gerade eine Art Kompliment gemacht?

      Ihre Überlegungen wurden von einer Durchsage unterbrochen, denn ein Mann meldete sich über den kleinen Computer, den Cornelius wie eine Uhr an seinem Handgelenk trug. »Sir!«, drang es aus dem winzigen Lautsprecher. »Es gibt eine Arbeitsverweigerung auf Ebene fünf. Eine Elektroingenieurin besteht auf die Hilfe des Androiden.«

      Arbeitsverweigerung? Pearl unterdrückte ein Schnauben. Wahrscheinlich war die Tätigkeit, die diese Frau durchführen musste, zu gefährlich für einen gewöhnlichen Menschen.

      »Bin unterwegs!« Cornelius schenkte Pearl einen düsteren Blick, der ihr durch und durch ging, aber sicher nicht ihr galt. »Ich brauche den Androiden jetzt doch noch. Koa, du kommst mit mir!«

      Mit diesen Worten ließ er Pearl im Gang stehen.

      Cornelius verschwand gerade rechtzeitig, denn kalter Schweiß lief ihr nicht nur über den Rücken, sondern auch an den Schläfen herunter. Aber ihr rasendes Herz beruhigte sich langsam. Puh! Er hatte keine Ahnung, dass sie die Wahrheit über Titain kannte! Aber … was war auf Ebene fünf los? Brauchte Cornelius Koa wirklich, damit der Android der Ingenieurin helfen konnte, oder um die Frau zu bestrafen?

      Pearl wollte es jetzt gar nicht wissen, denn sie hatte den Kopf voller eigener Probleme. Sie würde es früher oder später ohnehin erfahren. Hier sprach sich alles schnell herum. Außerdem konnte sie der armen Seele ohnehin nicht beistehen. Allein würde sie nie etwas verändern können, und sie half weder sich noch anderen, wenn sie Ungehorsam zeigte und weggesperrt wurde. Doch der Tag würde kommen, an dem sie eine Rebellion anzetteln würde! Ihre »Mitstreiter« standen quasi in der ganzen Stadt herum!

      Pearl meinte »Die Garde«. Wenn sie es schaffen könnte, die gut zweihundert Roboter so umzuprogrammieren, dass sie nur auf ihren Befehl hörten, hätte sie hier alles in der Hand. Doch wie würde es dann weitergehen? Und wer garantierte, dass sie die Metallsoldaten überhaupt zu ihren Gunsten manipulieren konnte? Sie war Wartungstechnikerin, keine Computerspezialistin – obwohl sie einiges auf dem Kasten hatte, was das Programmieren betraf. Aber würde es reichen, das Sicherheitsprotokoll, das garantiert durch unzählige Firewalls und andere Maßnahmen geschützt wurde, zu umgehen?

      Nur in deinen Träumen, dachte sie mürrisch und lief weiter. Sie befand sich bereits auf Ebene zwei, wo sich ein Amüsement-Etablissement – wie sie es nannte – an das andere reihte. Hier gab es Bars, Discos, Lokale … sogar Vergnügungseinheiten! Dort arbeiteten speziell ausgebildete weibliche und männliche Lustdiener. Aber Pearl kannte auch einige Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich dort in ihrer knapp bemessenen Freizeit ein paar Annehmlichkeiten »dazuverdienten«. Ein Gläschen Alkohol hier, eine Zigarette da, begehrte Snacks … Partydrogen! Alles Dinge, die die Unterschicht für gewöhnlich niemals zu sehen bekam.

      Das Licht in den Gängen war gedämmt worden, um zu dieser späten Stunde Strom zu sparen. Die Oberen legten viel Wert auf Nachtruhe, denn nur wer ausgeruht in den Tag startete, genoss ein langes und gesundes Leben.

      Ausgeruht, pah, was machen die Privs schon großartig Anstrengendes? Komasaufen und sich die Fingernägel um die Wette lackieren lassen?

      Pearl wunderte sich deshalb, was heute auf dieser Ebene für ein Betrieb herrschte. Ständig huschte eine aufgetakelte Privilegierte an ihr vorbei, meist in Begleitung einer anderen Tussi oder eines männlichen Schönlings. Viele tuschelten aufgeregt und schienen es kaum erwarten zu können, zu ihrem Ziel zu gelangen. Außerdem trugen die meisten kaum mehr als einen durchsichtigen Fetzen am Leib.

      Die Vergnügungseinheiten hatten doch um diese Zeit ebenfalls geschlossen, oder?

      Als ein halbnacktes Pärchen an ihr vorbeimarschierte und die sehr viel ältere Frau zu dem jungen Mann sagte: »Der neue Android soll noch ganz knackig sein und äußerst sexy aussehen«, gefror Pearl beinahe das Blut in den Adern. Die Frau konnte nur Titain meinen! Fand irgendwo eine Versammlung statt? Doch zu welchem Zweck? Ihn vorzustellen? Und warum taten sie alle so geheimnisvoll? Die Androiden – zumindest Koa – waren ihnen doch sonst völlig egal?

      Pearl spürte ein Grummeln in der Magengegend, das vielleicht von dem leckeren Burger kommen könnte, den sie sich reingezwungen hatte. Schließlich wollte sie kein Essen verschwenden und sie musste bis zum Morgen mit ihren Kräften durchhalten. Doch sie glaubte eher, dass ihre leichte


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