Zieht euch warm an, es wird heiß!. Sven Plöger

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Zieht euch warm an, es wird heiß! - Sven Plöger


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der Eskimoweisheit: Der Schlitten ist so schnell wie der langsamste Hund. Übrigens: Die Top Ten der Emittenten machen zusammen zwei Drittel der jährlich produzierten CO2-Menge aus.

      Ein neues Format könnte ein Zusammenschluss derer sein, die wirklich etwas verändern wollen, egal ob beim CO2, beim Lachgas, beim Methan, beim Feinstaub oder an anderen Stellen. Oft geschieht das aus eigener Einsicht, wie etwa im Fall Chinas, wo die Gesundheitskosten durch die vielen Smogwetterlagen förmlich explodieren und die Lebensqualität spürbar sinkt – auch und gerade in der Hauptstadt Peking. Dort leben rund 25 Millionen Menschen, vor allem aber auch die chinesische Regierung. Sind die Lenker selbst betroffen, reagieren sie bedeutend zügiger.

      Aber bringt es etwas, wenn einige – zumal auch bedeutende Emittenten dieser Welt wie die USA oder Brasilien und vielleicht auch andere – nicht mitmachen? Natürlich wäre es besser, wenn alle entschlossen und gemeinsam gegen den Klimawandel vorgingen und eine große Transformation aller Lebensbereiche vorantrieben. Quasi eine große gemeinsame Revolution. Aber ist so etwas realistisch? Die großen Revolutionen in der Geschichte wurden nie in einer konzertierten Aktion geplant und dann allerorten gleichzeitig umgesetzt. Die industrielle Revolution etwa begann in England und breitete sich von dort über Jahrzehnte auf die ganze Welt aus. Ähnlich war es mit der neolithischen Revolution, die den Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten- und Bauernkulturen zur Sesshaftigkeit markierte. Es wurde nie einstimmig beschlossen, dass man sich überall auf einen Schlag niederzulassen hatte. Vielmehr brachte die Sesshaftigkeit mehr Vor- als Nachteile und setzte sich daher gegenüber anderen Lebensentwürfen durch.

      Denken wir das Gleiche für eine »Klimarevolution«. Der Zug derer, die wirklich etwas erreichen wollen, könnte sich endlich in Bewegung setzen und wird dabei nicht von Bremsern zurückgehalten. Die laufen aber sicher interessiert nebenher und sehen früher oder später womöglich auch die Vorteile des sinnvollen Umgangs mit der eigenen Umwelt – und springen dann auf den Zug auf.

      Beim Blick in die USA drängt sich freilich der in nahezu allen Belangen mehr als erstaunlich agierende Präsident Trump in den Vordergrund. Dabei übersieht man leicht die wirklich interessanten Zusammenhänge. In vielen Staaten der USA herrscht nämlich eine gänzlich andere Denke als die von Trump propagierte Rückwärtsgewandtheit. Denken Sie nur an Kalifornien, Florida oder New York. Wenn der Deckel dann irgendwann mal vom Topf ist, kann durchaus ein zügiges, vernunftorientiertes Handeln einsetzen.

      Vielleicht an dieser Stelle eine kurze Anmerkung zum 45. US-Präsidenten, der – ganz nebenbei bemerkt – wohl Kabarettisten arbeitslos machen will, da er immer selbst noch einen draufsetzt: Herr Trump ist schlicht bauernschlau. Wenn er seiner Lieblingsbeschäftigung »Deals machen« ungestört nachgehen will, dann passt der Klimawandel wirklich nicht ins Konzept. Einfache Lösung: Abstreiten! In 20 Jahren, wenn der Schuh vielleicht so sehr drückt, dass kein Leugner mehr auch nur noch einen Strohhalm in der Hand hält, ist eben jener Donald weit über 90. Das alles ficht ihn dann nicht mehr an. Er weiß im Übrigen ganz genau, dass es den Klimawandel gibt: Seinen westirischen Golfplatz nahe der Küste lässt er entsprechend den Hinweisen der Klimaforscher durch aufwendige bauliche Maßnahmen vor dem drohenden Meeresspiegelanstieg schützen. Das erstaunlichste am Phänomen Trump ist eigentlich die Tatsache, dass er trotz seiner vielen völlig absurden und populistischen Äußerungen gewählt wurde.

      Populismus verfängt – leider immer wieder und überall auf der Welt. Warum das so ist, wird in vielen Geschichts- und Soziologiebüchern behandelt. Mit Rücksicht auf den Umfang dieses Buches möge ein Gedanke genügen: Wir leben in einer uns förmlich erschlagenden Informationsflut. Immer schneller dringen immer mehr Informations- und Wissensschnipsel auf uns ein. Das kollektive Wissen der Menschheit wächst rasant, aber das bedeutet umgekehrt auch: Der Wissens- und Informationsanteil des Einzelnen relativ zur Gesamtmenge nimmt immer mehr ab! Überspitzt formuliert werden wir also relativ immer dümmer und vor allem immer orientierungsloser. Nicht trotz, sondern gerade wegen der Zunahme an Information. Und genau an dieser Stelle greift der Populist ein und ordnet die Welt mit robusten Vereinfachungen und Schuldzuweisungen neu. Man kann sich wieder entspannen und weiß, wie die Welt aussieht. In fünf Sätzen. Wie schön. Nur leider ist das nichts anderes als Selbstbetrug, denn die Geschichte liefert kein einziges Beispiel, wo der Populismus Probleme gelöst hätte. Deswegen möchte ich den einzigen politischen Appell aus den ersten Seiten dieses Buches noch einmal aufgreifen: Lassen Sie uns gemeinsam vorsichtig sein und unsere große Errungenschaft, die Demokratie, die gemeinsam mit der Diplomatie für viele Friedensjahre in Europa gesorgt hat, schützen. Demokratien stehen durchweg besser da, denn es gibt weniger (nicht keine!) Korruption und Vetternwirtschaft und ihre Bürger sind im Mittel zufriedener als in Diktaturen. Manche Diskussionen mögen durchaus zu lange dauern und so gibt es sicher Verbesserungsmöglichkeiten, aber das Prinzip ist erfreulich, denn jeder kann partizipieren. Eine reine Protestwahl ist ein Spiel mit dem Feuer, das wir am Ende möglicherweise nicht mehr gelöscht bekommen. Lassen Sie uns gesellschaftsspaltenden Vereinfachern den Rücken kehren und den Blick in eine gute, demokratische und immer klimafreundlichere Zukunft richten! Wir haben das Zeug dazu.

      Sehr vielen Menschen geht es heute besser als vor 100, 200 oder 500 Jahren. Sie leben im Mittel länger, gesünder und haben mehr Annehmlichkeiten. Ich kenne eigentlich niemanden, der sich heute ein Leben wie im Mittelalter oder der Steinzeit wünscht – außer vielleicht mal ein paar Erlebnistage mit einer Zeitmaschine. Dann aber schnell wieder zurück! Übrigens sind Zeitreisen für uns physikalisch unmöglich. Der »Beweis« ist einfach: Es hat noch nie jemand Besuch aus der Zukunft bekommen! Oder ist das nur ein Hinweis darauf, dass es uns nicht mehr so lange geben wird, als dass wir eine solche Maschine erfinden könnten? Kehren wir lieber zurück ins Jetzt.

      Ein wesentlicher Grund dafür, dass wir heute besser leben als früher, findet sich in unserem technologischen Fortschritt. Natürlich ist auch hier – wie immer – eine Schwarz-Weiß-Sicht nicht hilfreich. Die Erzeugnisse des menschlichen Erfindungsreichtums reichen von genialen Geniestreichen wie Schrift, Elektrizität und Antibiotika bis hin zu Ideen, die man besser nie in die Praxis umgesetzt hätte; man denke nur an die Atombombe. Zwischen diesen Polen finden sich Errungenschaften, die sowohl vor- als auch nachteilsbehaftet sind. Der Sinn technischen Fortschritts besteht darin, die Nachteile zu minimieren oder alte Erfindungen durch neue zu ersetzen. Und – klar – immer wieder ganz neue Ideen zu haben.

      Als Johann Wolfgang von Goethe die Hymne Das Göttliche schrieb, setzte er die erste Zeile nicht umsonst in den Konjunktiv: »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.« Bei einem »ist« hätten wir nämlich alle gestaunt und an Goethes bekannter Fähigkeit gezweifelt, die Welt feinsinnig zu beobachten.

      Natürlich gehören zu uns edle, hilfreiche und gute Momente, aber eben auch solche, die damit einfach überhaupt nichts zu tun haben. Kriege, Kriminalität aller Art, Folter, Gier, Korruption, Armut, Hunger und vieles mehr gäbe es schlichtweg nicht, wenn wir das Ideal, das wir uns seit Menschengedenken vorhalten, tatsächlich erfüllen würden. An uns selbst zu appellieren und in der Zukunft alles besser machen zu wollen, ist sicher vernünftig und die erkennbare Dauerstrategie politischer Reden. Allein wird das aber kaum reichen, obwohl wir in einiger Hinsicht durchaus einen sozialen Fortschritt zu verzeichnen haben, der sich aus unseren guten Momenten nährt.

      Schwertun wir uns aber beispielsweise mit dem großen Wort »Gerechtigkeit«. Aus dem politischen Raum sind Sätze bekannt wie »Wir wollen die Welt gerechter machen«. Das ist löblich und man kann es nicht oft genug sagen. Nur sorgen wir gleichzeitig dafür, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Obwohl die Besitztümer der Superreichen im Jahre 2019 gegenüber 2018 weltweit tatsächlich leicht abnahmen, besitzen die 85 reichsten Personen dieser Welt ebenso viel wie die 3,5 Milliarden ärmsten Menschen – was für ein absurdes Verhältnis. Tut man das Gegenteil von dem, was man eigentlich tun möchte oder sollte, dann wird man sein Ziel nicht erreichen. So einfach ist das.

      Im Jahr 2019 – Corona war noch kein Thema – wurde ein weiterer Rekord beim CO2-Ausstoß aufgestellt, wenngleich der Zuwachs aufgrund der leicht schwächelnden Weltwirtschaft


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