Könige, Fürsten, so bleich. Robin Wasserman

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Könige, Fürsten, so bleich - Robin Wasserman


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Klassenkameraden möglicherweise doch etwas auf dem Kasten hatten. Aber im neuen Schuljahr war eine große Gruppe neuer Schüler dazugekommen und Simon hatte keine Lust, auch ihnen die gleiche Lektion erteilen zu müssen. Als sein Stuhl jedoch weiterhin bedrohlich knackte und ihm etwas Graues und Pelziges über die Füße lief, fragte Simon sich, ob es wohl schon zu spät war, sich die Sache mit dem Zimmerwechsel noch mal zu überlegen.

      »Simon. Kumpel. Jetzt lass mich hier nicht hängen. Hast du eine Ahnung, was ich die ganzen Sommerferien über gemacht habe?«

      »Schafe scheren?« George hatte ihm im Laufe der vergangenen zwei Monate eine Reihe von Postkarten geschickt. Die Vorderseiten zeigten idyllische Landschaftsaufnahmen der schottischen Highlands, während die Mitteilungen auf den Rückseiten im Grunde nur ein Thema kannten:

      Mir ist langweilig.

      Sterbenslangweilig.

      Gib mir die Kugel!

      Zu spät, bin schon tot.

      »Schafe scheren«, bestätigte George. »Schafe füttern. Schafe hüten. Durch Schafmist waten. Während du … weiß der Himmel was mit einer gewissen schwarzhaarigen Superkriegerin getrieben hast. Kann ich nicht wenigstens aus zweiter Hand an deinen Erlebnissen teilhaben?«

      Simon seufzte. George hatte sich viereinhalb Tage lang zurückgehalten. Das war vermutlich mehr, als man erwarten konnte.

      »Wie kommst du auf die Idee, dass ich irgendetwas mit Isabelle Lightwood getrieben habe?«

      »Hm, lass mich mal nachdenken … vielleicht weil du an unserem letzten Schultag von nichts anderem geredet hast?« George versuchte sich an einem amerikanischen Akzent – mehr schlecht als recht. »Was soll ich bei meinem Date mit Isabelle nur tun? Was soll ich bei meinem Date mit Isabelle nur sagen? Was soll ich bei meinem Date mit Isabelle nur anziehen? Oh, George, du braun gebrannter schottischer Liebesgott, sag mir, was ich mit Isabelle machen soll!«

      »Ich kann mich nicht erinnern, dass mir diese Worte über die Lippen gekommen sind.«

      »Ich habe lediglich deine Körpersprache interpretiert«, erwiderte George. »Und jetzt schieß los.«

      Simon zuckte die Achseln. »Es hat nicht funktioniert.«

      »Es hat nicht funktioniert?« Georges Augenbrauen schossen in die Höhe. »Nicht funktioniert?«

      »Ganz genau«, bestätigte Simon.

      »Willst du mir ernsthaft sagen, dass deine epische Liebesgeschichte mit der schärfsten Schattenjägerin ihrer Generation, die sich über mehrere Dimensionen und diverse Weltrettungsaktionen erstreckt, einfach so zu Ende gegangen ist? Mit nichts als einem Achselzucken und einem …« – wieder setzte er seinen amerikanischen Akzent auf – »Es hat nicht funktioniert?«

      »Das trifft’s auf den Kopf.« Simon versuchte, beiläufig zu klingen, was ihm aber offenbar nicht gelang, denn George stand auf und verpasste seinem Mitbewohner einen Knuff gegen die Schulter.

      »Tut mir leid, Alter«, sagte George leise.

      Simon seufzte erneut. »Ja, mir auch.«

      Was ich in den Sommerferien gemacht habe

      von Simon Lewis

      Ich habe es mir mit dem tollsten Mädchen der Welt vermasselt.

      Nicht einmal, nicht zweimal, sondern gleich dreimal.

      Beim ersten Date hat sie mich in ihren Lieblingsklub mitgenommen, wo ich dann den ganzen Abend wie eine Ölgötze herumstand und einmal sogar über meine eigenen Füße gestolpert bin. Anschließend habe ich sie nach Hause gebracht und mich per Handschlag von ihr verabschiedet.

      Ja, richtig: per Handschlag.

      Beim zweiten Date habe ich sie in mein Lieblingskino geschleift und sie gezwungen, sich mit mir stundenlang Star Wars: The Clone Wars anzusehen. Und nicht mal gemerkt, dass sie währenddessen eingeschlafen ist. Anschließend habe ich versehentlich ihren guten Geschmack beleidigt, denn woher sollte ich wissen, dass sie mal mit irgendeinem Hexenmeister mit Ringelschwanz zusammen war – eine Info übrigens, auf die ich gerne verzichtet hätte. Und dann: Nahaufnahme einer weiteren Verabschiedung per Handschlag.

      Date Nummer drei: noch so eine meiner genialen Ideen. Ein Doppeldate mit Clary und Jace. Was vielleicht sogar ganz gut gelaufen wäre, wenn Clary und Jace nicht verliebter wären als sämtliche verliebte Pärchen in der Geschichte des Universums. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie unterm Tisch heimlich gefüßelt haben, denn irgendwann hat Jace seinen Fuß an meinem Bein gerieben. (Ein Versehen? Das will ich zumindest schwer hoffen!) Und kurz darauf wurden wir von Dämonen angegriffen, weil Clary und Jace anscheinend eine magische Anziehungskraft auf Dämonen ausüben. Nach etwa dreißig Sekunden war ich k. o. geschlagen und lag halb bewusstlos in einer Ecke, während die anderen zu Höchstleistung aufliefen und Isabelle ihre umwerfenden Kriegergöttinenkräfte spielen ließ. Denn sie ist eine umwerfende Kriegergöttin – und ich bin ein Waschlappen.

      Danach sind alle zu einem supercoolen Querfeldeintrip aufgebrochen, um die Dämonen aufzuspüren, die uns die ersten Dämonen auf den Hals gehetzt hatten. Ich durfte nicht mit. (Weil ich so ein Waschlappen bin; siehe oben.) Als sie wieder zurück waren, hat Isabelle mich nicht mal mehr angerufen, denn welche Kriegergöttin will schon ein Date mit einem feigen Waschlappen? Ich habe sie ebenfalls nicht angerufen, denn welche Kriegergöttin usw. … außerdem dachte ich, dass sie mich vielleicht anrufen würde.

      Hat sie aber nicht.

      Ende

      Simon beschloss, seinen Cthonisch-Lehrer um Aufschub zu bitten.

      Wie sich herausstellte, unterschied sich der Lehrplan des zweiten Schuljahrs kaum von dem im ersten Jahr – mit einer Ausnahme: Da der Tag der Aszension spürbar näher rückte, verlangte die Akademie von ihren Schülern, dass sie sich auch mit aktuellen, tagespolitischen Themen beschäftigten. Nach dem zu urteilen, was Simon bis dahin gelernt hatte, ließ sich dieser Teil des Unterrichts genauso gut unter dem Titel »Warum Feenwesen echt ätzend sind« zusammenfassen.

      Jeden Tag drängten sich die Eliteschüler und ihre irdischen Klassenkameraden in einem der Klassenräume, die im Jahr zuvor verriegelt gewesen waren. (Angeblich wegen irgendeiner Dämonenkäferplage.) Dort quetschten sie sich in angerostete Sitzpult-Kombinationen, die für Schüler konstruiert zu sein schienen, welche nur halb so groß waren wie sie selbst. Nur, um dann schweigend zuzuhören, wie Professor Freeman Mayhew die Umstände des Kalten Friedens erklärte.

      Freeman Mayhew war ein dürrer, kahler Mann mit einem kleinen, zu einem akkuraten grauen Quadrat zurechtgestutzten Oberlippenbärtchen. Obwohl die meisten seiner Sätze mit »Zu meiner Zeit, als ich noch gegen Dämonen gekämpft habe …« begannen, machte er nicht den Eindruck, als könnte er auch nur eine simple Erkältung bezwingen. Mayhew hielt es für seinen persönlichen Auftrag, jeden Schüler davon zu überzeugen, dass alle Feenwesen gerissen, nicht vertrauenswürdig und kaltherzig seien und am besten ausgerottet werden sollten, auch wenn die »feigen Politiker«, die den Rat zurzeit führten, das wohl nicht so bald zugeben würden.

      Die Schüler erkannten sehr schnell, dass jeder Widerspruch – oder der bloße Versuch, eine Frage zu stellen – Mayhews Blutdruck in die Höhe schießen ließ. Dann bildete sich ein leuchtend roter Fleck auf seinem kahlen Schädel und er fauchte: »Warst du etwa dabei? Ich denke nicht!«

      An diesem Morgen überließ Mayhew den Unterricht einer jungen Frau, die nur wenige Jahre älter war als Simon. Platinblonde Ringellocken umspielten ihre Schultern, ihre blaugrünen Augen glitzerten und ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst, was darauf hindeutete, dass sie in diesem Moment wohl an jedem anderen Ort der Welt lieber gewesen wäre als in diesem Klassenzimmer. Professor Mayhew stand neben ihr, doch Simon bemerkte, dass er darauf achtete, deutlich Abstand zu halten und ihr nicht den Rücken zuzukehren. Mayhew hatte Angst.

      »Na los«, forderte der Professor schroff. »Sag ihnen deinen Namen.«

      Die junge Frau hielt den Blick gesenkt und murmelte irgendetwas.

      »Lauter!«,


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