Wir bauen eine Krise. Rainer Runzer

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Wir bauen eine Krise - Rainer Runzer


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dagegen zu halten. Erfolglos. Also presse ich die ganze Zeitung auf den Tisch. Das Geräusch des Papiers knistert durch den Raum. Wer immer die Zeitung als nächster lesen möchte, wird ein Bügeleisen brauchen.

      Noch bevor ich zur Tür sehe, drückt sich eine kalte und nasse Nase an meine Hand. Hektor schnüffelt und leckt abwechselnd an ihr. Er sabbert weniger als üblich. Ein schwacher Trost, denn der Dogge folgt nun das Herrchen.

      „Platz.“

      Andreas setzt sich unaufgefordert an meinen Tisch.

      „Platz jetzt.“

      Mit seinen dünnen Händen drückt er Hektors widerspenstigen Kopf in Richtung Boden. Es geht doch nichts über einen gut erzogenen Hund.

      „Rate mal, mit wem ich mich jetzt gleich treffe?“

      Mit deinem Schönheitschirurgen, der dir das Grinsen aus dem Gesicht operieren soll? denke ich.

      „Keine Ahnung. Mit wem?“

      „Ich hab doch einen Liegeplatz für mein Segelboot gesucht…“

      Schnell greife ich nach meiner Tasse. Sie ist leer. Verdammt. Jetzt muss ich ihm zuhören, ohne etwas zu haben, womit ich meine Hände beschäftigen kann.

      „Du segelst?“

      Sein längliches Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse gespielter Enttäuschung.

      „Seit drei Jahren schon.“

      Und noch nicht den Admiralscoup gewonnen? Na egal, vielleicht merkt er an meinem erstaunten Gesicht, dass es mich nicht interessiert. Aber schon quält er mich weiter mit seinem selbstgefälligen Gequassel über die Probleme, einen Liegeplatz zu bekommen.

      Sein Vortrag wird zweifellos den Schluss haben, dass er es auf seine unvergleichliche Weise geschafft hat, doch einen zu kriegen.

      Andreas war schon immer ein Angeber, doch seit seiner Beförderung in die Geschäftsleitung ist er völlig abgehoben. Und jetzt stört mich der Typ auch noch bei der Arbeit.

      „Ich hatte mal einen Schulkollegen, zu dem ich erst meine Beziehungen spielen lassen wollte. Die Eltern stinken vor Geld und besitzen drei Bootsstege mit sechzig Liegeplätzen. Doch das war mir zu peinlich. Bin ja kein Bittsteller.“ Warum erzählst du mir es dann. Außerdem hast du so viel Pietätgefühl doch gar nicht.

      „Klar.“

      „Dann hab ich mir gedacht, ich mach es so wie mein Mitschüler auf der Segelschule. Der hat sich ein Bootseignerschaft mit einem Rentner geteilt, der am liebsten unter der Woche in aller Ruhe auf dem See rumschippert und am Wochenende zuhause bleibt, doch so einen Rentner kann ich mir ja nicht aus dem Hut zaubern. Miete kommt für mich auch nicht in Frage, das machen nur Arme, und bei der Rederei Martin will ich mir kein Schiff kaufen, nur um für drei Jahre einen Liegeplatz zu haben.“

      Abgesehen davon könntest du dir das nicht leisten.

      Das ist was für Leute, die bereits drei Häuser haben und sich aus Langeweile noch ein Boot anschaffen.

      „Dann hab ich von nem Freund erfahren, dass er eine reiche Witwe kennt, die einen schönen Scherenkreuzer im eigenen Hafen liegen hat. Ein Erinnerungsstück an ihren verstorbenen Mann, das bewegt werden muss, und dafür sucht sie noch jemanden.“

      Toll, dann ist die Geschichte gleich zu Ende.

      „Is ja ein toller Zufall.“

      „Du musst nur die richtigen Leute kennen. Aber dieser Deal kommt für mich auch nicht in Frage, immerhin will ich mein eigenes Schiffchen fahren und nicht davon abhängig sein, dass die Frau das Boot behalten will und dass ihr meine Nase passt. Aber du weißt ja, wie gut ich mit Menschen kann…“

      Wo ist die Kamera wenn du sie brauchst? Das sollte ich aufnehmen und ans Fernsehen schicken. Deutschland sucht das größte Ego.

      „Ich hab doch jeden Donnerstagabend meinen Stammtisch in der Hafenkneipe, nicht dass ich so ein Stammtischbruder bin, doch durch meine angenehme Art, sagt nach 3 Monaten der Hafenmeister zu mir, ich soll doch meine Bewerbung um einen Liegeplatz morgen vorbeibringen, denn es wird entschieden, wer den neuen Platz bekommt, der nächste Woche frei wird. Jeden will man ja auch nicht im Hafen, aber ich sei ja so ein netter Menschen, dass er sich für mich einsetzen würde.“

      Andreas schlägt auf den Tisch, wohl aus Begeisterung. Ich zucke zusammen und versuche, zu lächeln.

      „Der Hammer, oder?“

      Ohne eine Antwort abzuwarten, steht er auf.

      „Und jetzt treffe ich mich gleich mit jemandem, der sein Boot verkaufen will. Cool oder?“

      Unvermittelt steht Andreas auf und schlendert zu einem Tisch nahe der Fensterfront. Hektor braucht einen Augenblick, um zu bemerken, dass es weiter geht. Die Dogge trottet hinter seinem Herrchen her und setzt sich mit erwartungsvollem Schwanzwedeln vor seinen Stuhl. Wieder wird sein Kopf zu Boden gedrückt.

      Ich streiche die Zeitung so glatt es geht. Da trifft ein dumpfes Geräusch mein Ohr. Bwm!

      Ich glaube, das kam von der Eingangstür. Da, schon wieder. Bwm! Die Eingangstür ist aus massivem Holz. Die Beschläge aus Messing. Ein kleines Fenster mit dickem Fensterkreuz ermöglicht einen Blick nach draußen. In diesem Fleck aus Tageslicht erscheint das Gesicht eines Mannes, das mich sofort an die amerikanische Bulldogge aus „Tom und Jerry“ erinnert.

      Genauso mies gelaunt und cholerisch starrt er in das Café. Offenbar sieht er nicht, dass die Kellnerin ihm ein Zeichen gibt, er soll den Eingang um die Ecke benutzen. Nach dem Motto „So haben wir das schon immer gemacht“ wuchtet er sein Gewicht ein drittes Mal gegen die Tür. Bwm!

      Der gute Mann hat ja eigentlich Recht. Hier geht’s rein, doch seit zwei Monaten ist der Türschließer defekt. Deshalb auch das große Schild an der Tür, dass die Gäste bitte den zweiten Eingang in der Fußgängerzone benutzen sollen. Die Bulldogge scheint jedoch fest entschlossen, das Problem auf ihre eigene Art zu lösen. Die Tür muss irgendwann ja nachgeben. Noch bevor die Kellnerin das Fenster in der Tür öffnen kann, wirft er sich ein viertes Mal dagegen. Bwm!

      Dieses Verhalten erinnert mich an eine Geschichte, die ich mal gelesen habe („Who moved my cheese“ von Spencer Johnson). Es geht dabei um Mäuse und Zwerge, die in einem Labor-Labyrinth in den Kammern nach Käse suchen. Beide finden auf ihre eigene Art dieselbe Käsekammer. Die Mäuse der Nase nach und mit Mut, die Zwerge Stück für Stück vortastend. Nur kein Risiko eingehen.

      Nach einer Weil war der Käse in der Kammer von den Vieren aufgegessen.

      Die Mäuse, die sich nur auf ihre Sinnen verlassen, suchen die alte Käsestelle gründlich ab und erweitern dann ihre Suche. Bald schon haben sie eine neue Kammer mit Käse gefunden.

      Die Zwerge hingegen gehen den gewohnten Weg zur alten Fundstelle. Als sie merken, dass kein Käse da ist und auch keiner mehr kommt, fangen sie an zu schimpfen.

      „Wer hat unseren Käse geklaut? (Who moved my cheese?) Wir haben doch verdient, hier den Käse zu finden. Das ist unser Käse, wir haben ein Recht darauf.“

      Schließlich geht einer der Zwerge dann doch das Risiko ein, den Käse woanders zu suchen. Mit Erfolg und gerade noch rechtzeitig. Ein typisches Beispiel dafür, dass wir Menschen (Zwerge) Gewohnheitstiere sind.

      Der Bulldoggenmann hat inzwischen den Weg ins Café gefunden. Die Kellnerin erwartet ihn bereits. Sie stemmt ihre Hände in die Hüften, was sie wohl bedrohlich aussehen lassen soll. Allerdings ist sie so dünn, dass der Versuch scheitert. Der Mann zeigt sich unbeeindruckt. Und uneinsichtig. Er wirkt eher so, als ob er die Sau sucht, die ihm seinen Eingang versperrt hat.

      „Draußen hängt ein Schild, dass sie den anderen Eingang benutzen sollen.“ Quakt die Kellnerin.

      „Das hängt da schon seit Monaten. Als ich das letzte Mal hier war, hieß es, die Tür sei in einer Woche repariert.“

      „Es dauert halt etwas länger.“

      „Das ja nichts


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