Unser täglich Bier gib uns heute. Theobald Fuchs
Читать онлайн книгу.heranreifen. Jäger prescht vor: „Die Zeitschrift muss vor allem Stilratgeber sein. Die Leute können Helles nicht von Pils unterscheiden.“ Amy: „Überflüssig. Das kann man googeln. Oder hat deine Kneipe kein WLAN?“ Jäger dreht sich genervt weg: „Meine Gäste sollen sich mit Bier beschäftigen, nicht mit dem Smartphone.“
Ich schalte mich ein: „Stilratgeber find ich gut“, sage ich, „aber wir müssen das kreativ angehen.“ Die beiden verdrehen die Augen. Craft-Brauer, setze ich fort, hätten beispielsweise wenig Stilgefühl. Amy zustimmend: „Alle tragen Bart, Bauch, Schlabber-Jeans, Sneakers.“ Ich: „Und halten das für individuell.“ Jäger, der auf seine Figur achtet und seit Kurzem gestylte Koteletten trägt, gedankenverloren:
„Bart und Bauch lassen sich trimmen .“
Wir brainstormen über ideale Brauerkleidung: funktional und trotzdem schick! „Lasst uns eine Vorher-Nachher-Rubrik machen“, bestimme ich, „Motto: Titties & Bier machen Brauer schön.“ Jäger skeptisch: „Da findste doch keinen.“ Amy, die sich in Amerika mit „Gender Studies“ beschäftigt hat: „Wie wär’s mit einer Reportage über Craft-Bier als Ausstiegsszenario aus männlicher Konditionierung?“ Jäger schüttelt den Kopf, zieht frustriert ab. Ich hole zwei Raging Bitch aus meiner Kühltasche.
Prost, Amy! Prost, Sylvia! Auf mehr Eros im Bier!
08.02.
DR. GRÜNDELSTETT ÜBER DAS PILS
Als wir mit Dr. Gründelstett einstmals vor einem altehrwürdigen Fachwerkhaus einer altehrwürdigen Rauchbierbrauerei zu stehen kamen, hob er mit der ihm eigenen hohen Stimme zu einem seiner berüchtigten Vorträge an.
Es sei, näselte er und rückte seine Nickelbrille zurecht, freilich abgedroschen, alles mit der ersten Liebe zu vergleichen. Aber im Falle des ersten Rauchbiers dränge sich der Vergleich zu den ersten romantischen Geh- und Stehversuchen nachgerade auf. Denn hier wie da verliere man quasi eine Art der Jungfräulichkeit, die sich nicht wieder herstellen lasse. Deshalb sollte niemand unvorbereitet, sozusagen unaufgeklärt, sein erstes Mal begehen.
Und auch beim Rauchbier könne es vorkommen, dass der erste Genuss nicht nur überwältigende Freude mit sich bringe. Das erste Rauchbier, so dozierte er lautstark weiter, fordere einen, überwältige den Gaumen mit seinem Aroma, das nur von Banausen mit einer öligen Schinkigkeit verglichen werde. Im Gegenteil sei es ein vielschichtiger Genuss, den man sich erst ertrinken müsse. Denn wie beim Liebesspiel werde man feststellen, dass beim Rauchbier die Übung den Genuss vervielfältige. Und habe man sich dann gänzlich ins Rauchbier verliebt, verbrächte man nicht weniger Zeit in der Brauerei als mit seiner angetrauten Gattin. Wo aber das geliebte Rauchbier fehle, könne ein dem Liebeskummer nicht unähnlicher Trennungsschmerz entstehen!
In dem Moment zog mich ein Einheimischer am Arm und stellte mit nicht unsympathisch bierschwerer Zunge fest: „Des mit dem Bier is sogar viel besser als mit den Frauen! Zwölf Weiber an einem Abend könnt ich mir doch gar net leisten!“
09.02.
KEINE ZUKUNFT FÜR DAS BIER
Liebe Leute, glaubt es mir:
Ich sehe keine Zukunft für das Bier.
Ich sehe wirklich schwarz für das Getränk.
Jetzt achtet nur mal auf mein Handgelenk!
Schon geht das volle Glas zum Mund,
schon stürzt das Herbe in den Schlund.
Zwei Schluck, drei Schluck, vielleicht auch vier –
dann war’s das auch schon mit dem Bier.
So hopfend und so herb, so schäumend und so schön,
ach, bitte jetzt – wie könnte man da widerstehn?
Am besten: Stellt mir schnell ein neues hin, gleich hier.
Und ich will sehen, was ich tun kann – für die Zukunft von dem Bier
10.02.
BIER ZUM GLÜCK
Schreiben über Bier ist eine schöne Kunst. Gelegentlich eine brotlose, man wird mit Bier entlohnt. Das trinkt man, während man darüber schreibt. Das ist dann ein Kreislauf. Der ist OK, nur das Konto meckert manchmal. Die Leber nicht. Das ist die Hauptsache.
Wenn Schreiben über Bier bezahlt wird, freut sich der Autor nicht minder. Er nimmt dann das Geld und kauft Bier. Das trinkt er dann, während er darüber schreibt.
Bierautoren sind seltsame Menschen. Aber glückliche.
11.02.
EISBOCK
Das Bier fließt in das bauchige Glas. Ein erstes Schnuppern offenbart seine Aromenvielfalt. Der Kenner erfreut sich am rubinroten Schimmer, schwenkt das Glas und betrachtet die feinen Schlieren, die sich bilden.
„Ein Eisbock?“, fragt er mit wissender Miene.
Ich nicke.
Er nimmt einen Schluck, lässt ihn über die Zunge rinnen und schmeckt einen Moment dem Bier hinterher. Er nickt anerkennend. „Ein großes Bier. Vorzüglich! Aus welcher Brauerei ist es?“
„Das ist selbstgemacht“, lautet die Antwort.
„Selbstgemacht?“ Der Kenner schaut zweifelnd.
„Ganz einfach: Ich friere einen Liter Bockbier im Tiefkühlfach ein, und anschließend lasse ich bei Zimmertemperatur den Extrakt aus dem Eis heraustropfen, bis ich etwa 200 ml beisammen habe.“
„Ach!“ Der Kenner schaut verwundert. „Und dafür gibt es bestimmt eine Apparatur?“
„Nö“, antworte ich. „Ich nehme einfach eine PET-Flasche, eine simple Wasserflasche.“
Angewidert lässt der Kenner das Glas fallen. Der Eisbock fließt über den Tisch. „Eine Plastikflasche? Widerlich. Ich wusste es, habe das Vinyl ja schon geschmeckt. Igitt! Wollen Sie mich etwa vergiften?“
Entrüstet tritt er ab. Die Tür knallt zu, und in der kleinen Karaffe kräuseln sich zarte Wellen im Rest des ach so vorzüglichen Eisbocks …
12.02.
DER KÖLSCHKONVENT
— wirklich wichtig oder vielmehr Kölscher Klüngel?
Wie kam es eigentlich zum Kölschkonvent? Dafür werfen wir einen Blick über Kölsche Stadtgrenzen hinaus nach Wuppertal.
Hier brachte die Wicküler Brauerei in den frühen 60er Jahren — also lange vor dem Erlass des Kölschkonvents — ein Kölsch heraus und füllte es unter dem klangvollen Namen ,Küppers’ in Flaschen. Diese wurden dann von Wuppertal nach Köln gebracht und dort sehr erfolgreich vermarktet.
In Köln wurde Kölsch zu dieser Zeit nur in Hausbrauereien und zudem nur als Fassbier hergestellt, das dann den klangvollen Namen Pittermännchen erhielt und bis heute so heißt.
Zurück zum Kölsch der Wuppertaler: Da der Erfolg von Wicküler den Kölner Brauereien so gar nicht mundete, stoppten sie den Eindringling aus dem Bergischen Land mit einer einstweiligen Verfügung. Ihr Argument lautete: Kölsch ist eine Herkunftsbezeichnung und darf deshalb selbstredend nicht aus Wuppertal kommen.
Doch die damals finanzstarke Brauerei Wicküler störte die Verfügung nicht sonderlich, sie nahm diese zum Anlass, in Rekordzeit im Kölner Stadtteil Bayental eine moderne Brauerei mit dem Potential von mehr als 1 Million Hektoliter pro Jahr zu errichten.
So wurde Köln weiterhin mit Küppers in Flaschen überschwemmt und folglich mussten auch die anderen Kölner Brauereien mit flaschenabgefülltem Kölsch nachziehen.
In den 80er Jahren endlich formulierte der Kölner Brauereiverband den Kölschkonvent. Hierin wurde das Kölsch — dem damaligen Zeitgeist entsprechend — als hell und gefiltert definiert. Kein ganz unbekanntes Phänomen, wenn wir die vielen Lagerbiere dieser Zeit betrachten …
13.02.