Pferdepsychologie. Sanja Panea
Читать онлайн книгу.wenn es dann explodiert. Und genau an diesem Punkt wird dann das Pferd dafür bestraft, dass es seinen natürlichen Instinkten folgen möchte, weil der Mensch als Raubtier sich nimmt was er will und wann er es will. Funktioniert das Pferd nicht, wird es bestraft, eingeschläfert oder kommt weg, weil es den Anforderungen der Bestie Mensch nicht entspricht.
Komfortverhalten
Alle Lebewesen auf diesem Planeten streben nach Wohlbefinden und Gesunderhaltung. Für Pferde ist der Komfort eines der wichtigsten Bedürfnisse überhaupt. Das sind Dinge wie Wälzen, Scheuern, Kratzen, gegenseitiges Fellkraulen, in der Sonne dösen und sich entspannen. Das alles dient der Gesunderhaltung, denn Grundvoraussetzung für Wohlbefinden ist die Abwesenheit von Schmerzen und Leid. Manteuffel (2006) und Boissy et. al. (2007) vertreten darüber hinaus die Ansicht, dass Wohlbefinden bei Tieren mehr ist als das Fehlen von negativen Empfindungen. Sie schließen deshalb das Auftreten positiver Gefühle mit ein.
Da Pferde sozial lebende Tiere sind, haben sie das Bedürfnis nach soziopositiven Beziehungen. Diese Beziehungen hemmen aggressives Verhalten zwischen den Gruppenmitgliedern, dienen der Festigung des Gruppenzusammenhalts und haben eine beruhigende Wirkung. Bei diesen affiliativen Verhaltensweisen zeigt sich eine große und starke Verbundenheit bei den Tieren, die sich sehr mögen, auch als positiver Effekt bezeichnet. Die affiliativen Verhaltensweisen können eine positive Stimmung bei den Tieren hervorrufen.
Ruheverhalten
Jedes Lebewesen muss die Möglichkeit haben, sich auszuruhen und zu regenerieren. Pferde erreichen dies mit Dösen oder Schlafen. Als Fluchttier erhält sich das Pferd durch viele kleine und kurze Schlafeinheiten – dem Dösen. Nur wenn es sich ganz sicher fühlt, legt es sich zum Schlafen hin.
Es ist überlebensnotwendig, dass sich ein Lebewesen ausruht und schläft. Ein Pferd kann notfalls mehrere Tage hintereinander im Stehen schlafen, wobei dabei aber kein Tiefschlaf möglich ist. Jedes Pferd sollte jedoch jede Nacht die Möglichkeit haben, in die Tiefschlaf- die REM-Phase zu gelangen, denn nur dann ist eine vollständige Regeneration möglich. In der Offenstallhaltung muss der Untergrund dafür sauber und trocken sein und ausreichen, dass sich die ganze Herde hinlegen kann, wenn nötig. Viele Pferde legen sich nicht auf einem nassen Untergrund hin, aus dem Grund fehlt ihnen dann der Tiefschlaf. Das ist aber auf Dauer nicht auszuhalten.
Ich war einmal auf einem Seminar. Dort konnte man mit und ohne Pferd teilnehmen. Es waren viele Teilnehmer mit ihren Pferden dort. Diese stellten sich mit ihren Pferden in einer Reihe auf und warteten auf Anweisungen des Trainers. Alle Pferde standen ganz ruhig neben ihren Besitzern. Plötzlich brach eines der Pferde zusammen und konnte nicht mehr aufstehen. Das Pferd kam aus einer Offenstallhaltung ganz in meiner Nähe, von der bekannt war, dass sie dort nicht ausreichend Futter bekamen und sehr viele krank wurden. Der Tierarzt wurde gerufen und mit Müh und Not konnte man das Pferd in eine Einzelbox bringen. Es legte sich dort sofort wieder hin, denn es hatte keine Kraft mehr, sich auf den Beinen zu halten. Die Diagnose des Arztes: Völliger Erschöpfungszustand durch Schlafmangel. Da das Pferd in dem Offenstall nur Einsteller war, wusste die Besitzerin nicht, ob es sich hinlegte oder nicht. Sie schleppte das Tier dann auch noch in diesem Zustand per Anhänger zu dem Seminar – das musste ja schiefgehen. Sie stellte dann in Absprache mit der Besitzerin des Offenstalls eine Kamera auf und sie stellten fest, dass keines der Pferde sich zum Schlafen hinlegte. Die Frau wechselte den Stall sofort und das Pferd erholte sich recht schnell, denn nun konnte es sich hinlegen, weil da eine ruhigere Gruppe von Pferden war und kein Stress mehr.
Ich selber habe auf meiner Ranch eine Dual-Haltung. Meine Pferde sind den ganzen Tag 14–16 Stunden zusammen in der Herde. Abends bringe ich jeden in seine Box, wo sie dann auch in aller Ruhe ihr Müsli zu sich nehmen können, ohne das Futterneid aufkommt. Die Boxen sind schon mit Heu für die ganze Nacht vorbereitet und meine Pferde kommen jede Nacht in den Tiefschlaf. Ich halte meine Pferde am Haus und gehe jede Nacht um 23 Uhr noch mal zu ihnen in den Stall, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Um diese Uhrzeit liegen sie bereits quer in ihren großen Boxen in ihren sauber und dick eingestreuten Betten und schlafen stundenlang. Ich habe das schon von Anfang an schon so gemacht, als meine Fohlen noch klein waren. Besonders da ist es wichtig, dass die Fohlen in den Tiefschlaf kommen. Somit habe ich mit Verhaltensauffälligkeiten keine Probleme und alle Pferde sind ausgeglichen und gesund.
Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man sicherstellen, dass sich das Pferd in dem jeweiligen Offenstall auch hinlegt. Viele Betrieb betonieren den Untergrund und legen diesen nicht mit Softmatten aus, wobei diese zusätzlich noch mit Sägespänen oder Stroh eingestreut werden sollten, um den bestmöglichen Komfort zu gewährleisten. Durch den Schlafentzug kann es zu reduziertem Allgemeinbefinden kommen. Die Pferde magern ab, bekommen Magengeschwüre und Durchfälle. Da sie aber diese Anzeichen schleichend kommen, wird es oft nicht mit dem Schlaf in Zusammenhang gebracht.
Viele Betriebe wollen sich die Kosten für Einstreu und gute Matten sparen und erzählen den Pferdebesitzern, dass Stroh gar nicht so gut ist für die Pferde, sie könnten ja eine Kolik bekommen. Das ist aber totaler Blödsinn! Es geht dabei nur darum, dass der Arbeitsaufwand größer ist und mehr Mist anfällt. Das ist alles. Wenn Du in so einem Stall bist und feststellst, dass es nicht tiergerecht zugeht, dann fordere die Stallbetreiber bitte dazu auf, sofort eine Änderung vorzunehmen. Es wird sicher viele geben, die uneinsichtig sind, aber der Leidtragende ist das Pferd. In vielen Betrieben wird übrigens auch keine ausreichende Menge Heu gefüttert, ebenfalls aus Kostengründen. Also achte darauf, wo Du Dein Pferd unterbringst.
REM-Schlaf
Es ist bereits erwiesen, dass Schlafmangel einen negativen Effekt auf die Leistung hat. Daher ist es sehr wichtig, dass die Pferde unbedingt in die Tiefschlaf-, also die REM-Schlafphase gekommen. Der Schlaf soll bei Thermoregulation, Erholung, Energieerhaltung, Wachsamkeit, physischen Erholungsprozessen und der Aufrechterhaltung des Immunsystems behilflich sein. Um den REM-Schlaf zu erreichen, müssen sich Pferde komplett entlasten und liegen; im REM-Schlaf ist keine physische Haltung mehr möglich.
Pferde legen sich nicht hin, wenn sie sich nicht vollkommen sicher fühlen. Daher solltest Du sicherstellen, dass sich Dein Pferd wirklich zum Schlafen hinlegt – überzeuge Dich davon! Kontrolliere es! Bei der Offenstallhaltung ist das gut zu beobachten, wenn man eine Kamera im Stall installiert. In den Offenställen ist das mit der nötigen Entspannung oft ein Problem. Kontrolliere ob und wie häufig sich Dein Pferd hinlegt, meistens ist das zwischen 20 und 5 Uhr morgens, aber auch bis zu zwei Stunden nach der Mittagszeit. Du solltest gut gemisteten Untergrund und dicke Einstreu, vor allem nachts, sicherstellen.
Der Zusammenbruch des Pferdes bei dem Seminar war kein Einzelfall, vielmehr kommt es sogar ziemlich oft zu Zusammenbrüchen wegen Schlafmangel, das ist ein verbreitetes Problem und muss von jedem Pferdebesitzer beachtet werden.
Wichtig ist zu verstehen, dass das Gehirn des Pferdes sich in einer leichteren Schlafphase, wenn es sich z. B. zwar hinlegt, aber den Kopf dabei nicht ablegt, zwar etwas ausruht, aber die Muskulatur wird nur im REM- Schlaf völlig entlastet. Es wird vermutet, dass das Gehirn während des REM-Schlafs die Informationen im Langzeitgedächtnis festigt, das Vorderhirn wird also funktionell abgetrennt, sodass der Hirnstamm für die begleitenden Bewegungen an den Beinen (Zuckungen) verantwortlich sein muss. Sollten Pferd unabhängig von physischen oder psychischen Gründen wie etwa Unwohlsein, Unsicherheit oder Angst in einem neuen Umfeld, nicht in der Lage sein, sich hinzulegen, kann leichtes Dösen keinen verlorenen REM-Schlaf ersetzten, das muss man sich stets bewusst machen.
Während einer durchschnittlichen Nacht hat das Pferd etwas sechs Schlafphasen, jede dauert etwa 15 Minuten. Wenn das Pferd sich nur hinlegt, ohne sich völlig abzulegen, liegt die durchschnittliche Dauer zwischen vier und sechs Minuten.
Meine Pferde kommen wie gesagt jede Nacht in die REM-Phase. Sie sind dabei so entspannt, dass ich ihnen oft im liegenden Zustand die Hufe sauber machen kann. Bei Fohlen und Jungpferden ist es besonders wichtig, dass sie einen eigenen Ruhebereich bekommen, denn das brauchen sie zum Wohlfühlen,