Den Staub der Väter abstreifen. Hermann Grabher

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Den Staub der Väter abstreifen - Hermann Grabher


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Dies ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Vielleicht steht uns eine Zeit bevor, in der es für manche stressig werden könnte! Die Firmen und damit die Arbeitgeber haben aktuell vor allem ein Ziel: Sie wollen oder vielleicht noch eher müssen jenes nachholen, was in der Corona-Krise verlustig ging. Viele sind stark in die Minuszone geraten, produktionsmässig, wirtschaftlich, aus der sie gehauen oder gestochen raus müssen. In manchen Fällen wird es um das nackte Überleben von Unternehmen gehen und damit auch um die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Andere Firmen sind weit von den ursprünglich gesetzten Jahresvorgaben entfern, müssen aufholen, um die Aktionäre zufrieden stellen zu können. Die Arbeitnehmer wissen um diese Situation und setzen alles daran, dass sie ihren Arbeitsplatz erhalten können. Also ist höchster Einsatz von Nöten.

      Es ist schon sehr erstaunlich, wie viele Unternehmen anscheinend von der Hand in den Mund leben und keine Rücklagen für härtere Zeiten anlegen. Tatsächlich wäre es oftmals besser, statt der Erneuerung des Fahrzeugparks und der Auszahlung hoher Dividenden, dem Äufnen der Reserven ein grösseres Augenmerk zu schenken.

      Corona hat uns folgende Erkenntnisse beschert:

      - Der Mensch ist unglaublich flexibel und anpassungsfähig. Der grössere Teil unserer Bevölkerung hat sich diszipliniert an die Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit gehalten. Das unbürokratische Umswitchen vieler Angestellten auf Home-Office war bemerkenswert. Die Beschulung der Kinder auf elektronischem Weg war beeindruckend gut. Auf diese Weise konnten viele Länder der Erde, insbesondere in Europa, die schwierige Lage einigermassen zufriedenstellend in den Griff bekommen. In Ländern mit teilweise darniederliegenden Gesundheitssystemen sind die Probleme erheblich grösser. Wie stets hat auch diese Krise jene Länder mit einem schwachen Gesundheitssystem härter getroffen als wohlhabende Nationen mit einer gut entwickelten medizinischen Infrastruktur. Letzte Studien zeitigen allerdings Unerwartetes: Indien, das höchst besiedelte Land der Erde und nicht für grosse Hygiene bekannt, beklagt relativ wenig Corona-Tote, obwohl die Verseuchung sonst nirgendwo höher ist. Massentests ergaben, dass man zum Beispiel in Delhi nahe an der Herdenimmunität angelangt ist, ein Resultat, welches die Regierung niemals konzeptionell angestrebt hatte. Der Grund: Mehr als die Hälfte der Menschen Indiens sind jünger als 25-jährig, sie spürten mehrheitlich den Befall der Krankheit überhaupt nicht. Andererseits wurden Länder mit ignoranten Führern in der Regierung wie USA, Brasilien, Russland oder Venezuela durch die Pandemie auffallend härter gebeutelt als Nationen mit einer disziplinierten Bevölkerung und einer vernünftig agierenden Regierung. Der Virus hat bei den Erkrankten, den wirklich Betroffenen der Pandemie, viel Schmerz, Leid, Verzweiflung und Tod gebracht. Ihnen gehört unsere ehrliche Anteilnahme. In den Spitälern war die aufwendige Pflege nur durch den riesigen, teilweise selbstlosen Einsatz des medizinischen Personals zu bewältigen. Ihnen gebührt höchste Anerkennung und Dank.

      - Absolut lächerlich dagegen ist das Verhalten jener Leute zu bewerten, die sich wegen der Nachteile über die Dauer der wenigen Wochen des Lockdowns beklagten: Das Partyvolk, das nicht mehr in Restaurants, Clubs und Bars feiern konnte. Festivalbesucher, weil Grossanlässe abgesagt wurden. Die Sportbegeisterten, die einerseits ihre Leidenschaft nicht aktiv ausleben konnten, andererseits auch keine Veranstaltungen mehr besuchen durften. Die Wanderer, die nun richtig zu Fuss gehen mussten, weil die Bergbahnen stillstanden. Die Freier, weil sich die Frauen nachhause verzogen hatten und die Etablissements dicht waren. Die Einkaufstouristen, weil die Konsumenten gezwungen waren im eigenen Land einzukaufen. Die Kinogänger, weil sie sich mit Netflix begnügen musste. Die Ferienreisenden, weil sie den Urlaub verschieben mussten. Die Vereinsmeier, weil sie ihre Aktivitäten mit anschliessendem Feierabendbier auszusetzen hatten. Die Kirchgänger, weil die Kirchen geschlossen waren und die Gläubigen sich nur per Fernsehübertragung, via Internet und Streamingdiensten an den Gottesdiensten zuschalten konnten. Die Alten, weil man sie zum eigenen Schutz zuhause oder im Heim arretieren musste. Keine Umarmung der Töchter und Söhne, kein Küssen der Enkelkinder. - Wie sind wir doch verwöhnt! Wie hat uns das gute Leben doch umtriebig, ja vergnügungssüchtig gemacht, dass wir ob diesen doch eigentlich bescheidenen Einschränkungen ein so grosses Aufheben machen! Ich las von Stimmen, welche die Coronakrise mit jenen Einschränkungen im zweiten Weltkrieg verglichen – so ein Verhältnisblödsinn!

      - Der Staat wurde, als wäre dies selbstverständlich, in Geiselhaft genommen, wurde genötigt für das normal Geschäftsrisiko vieler Unternehmen aufzukommen, beziehungsweise Bürgschaft zu leisten. Dies ist ein unglaublicher, ein bislang noch nie je da gewesener Vorgang in der freien Marktwirtschaft, das heisst ausserhalb eines nicht zentralistisch kommunistisch angelegten Wirtschaftssystems. Denn halten wir uns vor Augen: Wenn es um das Abkassieren der Gewinne geht, sind die Unternehmer und Investoren üblicherweise sehr zugeknöpft, diese mit dem Staat (womit die Allgemeinheit gemeint ist) zu teilen! Im Gegenteil: Steueroptimierung ist ein sehr beliebter und durchaus auch erfolgreicher Sport. Wie auch immer, das Staatssponsoring war legitim, weil erst durch die Regierung und nachher durch das Parlament offiziell abgesegnet. Immerhin warf unser Land, die kleine Schweiz, zirka 40 Milliarden aus und die Empfänger waren wohl nicht samt und sonders legitimiert dazu. Der Keuschheitsgürtel, der angelegt wurde, lautete: Dieses Agieren ist notwendig, um Arbeitsplätze zu erhalten. Immerhin hat die Regierung damit bewiesen, dass sie schnell handeln kann (womit sich unser Land in Normalzeiten in der Regel nicht besonders auszeichnet). Es hat sich ausserdem gezeigt, wie schnell man viel Geld locker machen kann, wenn es Not tut und die Politik von Links bis Rechts diese Not auch realisieren und sich einig ist. Auf jeden Fall könnte dies ein Präzedenzfall für die Zukunft sein, wenn weitere Begehrlichkeiten aufkommen, wenn vielleicht nach noch grössere Geldern gerufen wird, zum Beispiel wenn es um den Umweltschutz geht. Länder wie die Schweiz, Österreich, Holland, Deutschland oder Skandinavien, die in der Zeit gespart haben, müssen sich jetzt in der Not keine allzu schweren Gedanken machen, wie man das Finanzloch stopfen kann. Im Fall der bislang schon ewig klammen Staaten werden die Corona-Kosten aber schwer drücken. Insbesondere die EU hat damit ein zusätzliches schwieriges Problem zu bewältigen und wird wohl einmal mehr seine Grenzen ertasten.

      Die Corona-Krise hat die Weltökonomie nach unten gezogen. Diese Situation hat den Goldpreis beflügelt, was noch einigermassen nachvollziehbar ist. Erstaunlicher hingegen ist, dass die Börse nach dem Taucher so euphorisch reagierte. Die Leitindexe haben – nach dem tiefen Fall infolge Corona - raketenartig zugelegt, in der Periode von 23.3. bis 9.6.2020 – als Beispiel - stieg der DAX um 52 Prozent, der Dow Jones um 47 Prozent, der SMI um 31 Prozent. Steigerungen dieser Dimension sind – folgt man der Logik - nicht nachvollziehbar, es sei denn, dass der Aktienmarkt damit erneut in drastischer Weise zeigt, wie unberechenbar er ist. Ich habe ernste Bedenken, dass es hier über kurz oder lang ein böses Erwachen geben könnte. Ich bin jedoch fest überzeugt, dass die wirtschaftliche Krise als Folge von Corona bald überwunden sein wird, insbesondere in den Industrieländern. Denn wie die Sterne auch stehen, besteht nach wie vor weltweit eine gigantische Nachfrage nach all jenem, was produziert wird. Viele jener Leute, die den Job aktuell verloren haben, dürfen sich freuen, sehr bald wieder gefragt sein.

      Allerdings gibt es schon Branchen, für die es in den nächsten Jahren zunehmend härter werden wird:

      - Die Automobil-Industrie. Doch diese Krise ist keine Folge von Corona, sondern eine Strukturkrise. Denn Autokäufer sind verunsichert. Was soll man heute kaufen? Ein Benzin- oder Dieselauto, welche sich bislang technisch bewährt haben, aber für die Umwelt problematisch sind? Ein Elektroauto, bei dem der Anschaffungspreis relativ hoch ist und die bislang führenden Autobauer noch ein dürftiges Angebot haben? Oder wird noch eine andere Antriebsart die Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Gas? Wasserstoff? Oder noch was anderes?

      - Die Flugzeugindustrie. Die Fluggesellschaften weltweit werden ihren Flugzeugbestand generell reduzieren, was bei Neubestellungen dramatisch durchschlagen wird. Die Geschäftsleute haben durch Corona gelernt, dass es nicht in jedem Fall notwendig ist, sich persönlich zu treffen. Videokonferenzen sind oft taugliche Alternativen. Umweltschutz-Zuschläge bei Flugtickets werden Flugreisen künftig verteuern, sodass weniger gut Verdienende gezwungen sein werden ihr Urlaubsverhalten zu ändern. Überdies gibt es inzwischen in allen Volksschichten eine immer grössere Zahl von Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, sich ökologischer zu verhalten, das heisst sich beim Reisen bewusst einzuschränken.

      - Die Touristik-Industrie. Reiseeinschränkungen,


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