Die Kreuzfahrer - milites diaboli. Jens - Uwe Nebauer

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Die Kreuzfahrer - milites diaboli - Jens - Uwe Nebauer


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      Obwohl sich Gerold nicht so recht vorstellen konnte, inwieweit eine mit Blut gefüllte Hühnerblase bei einem so heiklen Vorgang wie einer Entjungferung hilfreich sein könnte, fragte er in einer Mischung aus Takt und Schamgefühl nicht nach den Einzelheiten der Prozedur.

      Der Gedanke aber, dass die Täuschung notwendig wurde, weil ein anderer Mann ein Beilager mit seiner Mathilde hielt, machte ihn von einem Augenblick zum anderen abgrundtief traurig und eifersüchtig zugleich.

      „Und dann, wenn du verheiratet bist …?“, fragte er von einer Welle des Schmerzes und der Entmutigung überspült.

      Mathilde spürte seine plötzliche Niedergeschlagenheit und ahnte die Gründe dafür. „Dann treffen wir uns, sooft es nur geht!“, flüsterte sie in sein Ohr und drückte sich fest an ihn. „Du bist doch dann gewissermaßen mein Nachbar, und wenn mein Zukünftiger erst einmal das Zeitliche gesegnet hat, er ist ja wenigstens zwanzig Jahre älter als du, dann gehöre ich dir, für immer!“

      Ein wenig getröstet von dieser vagen Hoffnung, ließen sie schließlich - es war schon weit jenseits der Mitternacht - voneinander ab, stiegen aus dem Wagen und schlichen sich auf leisen Sohlen in ihre Quartiere.

      Während Mathilde fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf fiel, lag Gerold mit offenen Augen auf seinem Strohsack und starrte auf das mondhelle Viereck des Kammerfensters, bis der Morgen anbrach.

      „Du musst verstehen, worum es bei diesem Streit zwischen dem Papst und mir geht, Heinrich, damit du begreifst, dass ich diesen verteufelten, kräftezehrenden Kampf nicht aus Übermut oder Tollheit führe.“ Eindringlich schaute der Kaiser seinen Sohn an.

      „Ich weiß schon“, erwiderte der kindliche Prinz mit wichtiger Miene, „dass du und der falsche Papst darum streitet, wer im Reich die Bischöfe einsetzen darf!“

      „Sehr gut, mein Junge! Aber warum streiten wir überhaupt darüber? Und warum ist es so wichtig, wer die Bischöfe einsetzen darf?“

      „Sag du es mir, Vater. Ich komme nicht drauf“, antwortete der kleine schwarzhaarige Junge nach kurzem Überlegen.

      „Denk nach, Heinrich! Was ist ein Bischof genau?“, gab ihm der Kaiser einen Denkanstoß.

      „Ein Bischof ist der Oberhirte der Gemeinschaft der Christen in einem bestimmten Gebiet. Er leitet die Feier des Abendmahls und ist Spender der Sakramente“, leierte der Prinz sein Wissen herunter.

      „Er ist also für die geistlichen Belange seiner Herde zuständig“, fasste der Kaiser zusammen, um gleich darauf sein Frage- und Antwortspiel fortzusetzen. „Und wer sollte ihn deshalb einsetzen dürfen?“

      „Der Papst?“, erwiderte der kleine Heinrich fragend.

      „Richtig“, bestätigte sein Vater und lehnte sich in seinem Thronsessel zurück. „Aber der Bischof ist nicht nur ein Anführer der Gläubigen, sondern er ist auch ein Fürst, ein Kirche nfürst. Und als solcher verfügt er auch über weltliche Macht. Über Ländereien, Dienstmannen, Burgen und Städte, womit er zu einer wichtigen Stütze der Reichsgewalt wird.“

      „Und dem Reich stehst du vor, Vater“, triumphierte der Prinz mit erhobener Stimme, „und darum ist es dein gutes Recht, die Bischöfe einzusetzen!“

      „So ist es mein Sohn“, lobte der Kaiser. „Nehmen wir uns die berühmte Schlacht auf dem Lechfeld als Beispiel. Dort haben die Bischöfe dem späteren Kaiser Otto I. zum siegreichen Kampf gegen die Ungarn weitaus mehr Panzerreiter gestellt, als die weltlichen Herren. Du siehst also, dass der Kaiser beziehungsweise der König zum Schutz des Reiches gegen seine inneren und äußeren Feinde dringend der Hilfe der Bischöfe bedarf. Und darum ist es so wichtig, dass der in der Gnade Gottes stehende Herrscher des Reiches ausgezeichnete Männer seines Vertrauens auf die verfügbaren Bischofsstühle setzen kann.“

      „Aber warum will dir der falsche Papst dann dieses Recht streitig machen?“

      „Weil er sich nicht mehr damit bescheiden will, nur das geistl iche Oberhaupt der Christenheit zu sein, sondern auch noch die oberste weltliche Macht beansprucht“, gab der Kaiser mit umwölkter Stirn zurück. „Womit er jedoch gegen den Willen Gottes verstößt, der dem Bischof von Rom die geistliche, dem Kaiser aber die weltliche Macht über die Christenheit übergeben hat!“

      „Und gibt es denn keine Lösung in diesem Streit?“

      „Die gibt es schon“, entgegnete der Kaiser, „wenn die Bischöfe auf all ihren weltlichen Besitz und ihre Macht verzichten und beides dem Kaiser überlassen würden, dann hätten sie für die Belange des Reiches und des Kaisers keine Bedeutung mehr.“

      „Und warum tun sie das nicht?“

      „Weil weder die Fürsten noch der Papst einen solchen Machtzuwachs des Kaisertums wünschen.“

      „Dann musst du sie eben alle umbringen lassen rief der Sohn des Herrschers und griff demonstrativ nach dem kleinen Dolch, den er am Gürtel trug. „Den Papst, die Fürsten und die Bischöfe, alle, alle, alle, bis keiner von ihnen mehr da ist!“

      „Heinrich, Heinrich“, murmelte der Kaiser und rieb sich nachdenklich das bartlose Kinn, „dich möchte ich – so Gott will – niemals zu meinen Feinden zählen müssen!“

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