Gesammelte Erzählungen. Jules Verne

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Gesammelte Erzählungen - Jules Verne


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gefaßt machen.

      Vier Pferde mußten zur Verfügung sein, zwei zum Reiten für ihn und mich, die beiden anderen für das Gepäck zu tragen. Hans sollte nach seiner Gewohnheit zu Fuß gehen. Er kannte diese Gegend genau und versprach, den kürzesten Weg einzuschlagen.

      Zur Zeit unserer Ankunft in Stapi trat derselbe nicht aus meines Oheims Dienst, sondern ließ sich von demselben für die ganze Dauer seiner wissenschaftlichen Unternehmung zum Preise von drei Reichsthalern anwerben. Nur wurde ausdrücklich ausbedungen, daß diese Summe ihm wöchentlich, am Samstag Abend, ausbezahlt würde.

      Die Abreise wurde auf den 16. Juni festgesetzt. Mein Oheim wollte ihm ein Draufgeld geben, aber er lehnte es mit einem Wort ab.

      »Efter, sagte er.

      – Nachher«, übersetzte mir’s der Professor.

      Als der Vertrag gemacht war, zog sich Hans zurück.

      »Ein famoser Mensch, rief mein Oheim aus, aber er ahnt gar nicht, was für eine Rolle zu spielen ihm vorbehalten ist.

      – Er wird uns also begleiten bis …

      – Ja, Axel, bis nach dem Mittelpunkt der Erde.«

      Achtundvierzig Stunden blieben uns noch bis zur Abreise; zu meinem großen Bedauern mußte ich sie auf die Vorbereitungen verwenden; unsere gesamten Geisteskräfte wurden in Anspruch genommen, jeden Gegenstand auf die angemessenste Weise zu ordnen, die Instrumente hierhin, die Waffen dorthin, die Werkzeuge in dies Packet, die Lebensmittel in jenes. Im Ganzen waren’s vier Gruppen.

      Die Instrumente bestanden aus:

      1. Einem hunderteiligen Thermometer von Eigel, mit einer Skala von hundertundfünfzig Grad, welches mir zu hoch oder zu niedrig vorkam. Zu hoch, wenn die Hitze unserer Umgebung diesen Grad erreicht, denn dann würden wir gebraten. Zu niedrig, wenn sich’s darum handelte, die Temperatur der Quellen oder jedes anderen geschmolzenen Stoffs zu messen.

      2. Ein Manometer für den Luftdruck, um die höheren Grade anzugeben, welche den der Atmosphäre auf dem Niveau des Meeres überstiegen. In der Tat würde das gewöhnliche Barometer nicht tauglich gewesen sein, da der Druck der Atmosphäre im Verhältniß unseres Hinabsteigens unter die Oberfläche der Erde zunehmen mußte.

      3. Ein Chronometer vom jüngeren Boissonnas zu Genf, das nach dem Meridian Hamburgs genau gerichtet war.

      4. Zwei Kompasse für senkrechte und wagerechte Verwendung.

      5. Ein Nachtfernrohr.

      Die Waffen bestanden in zwei Karabinern von Purdley More & Co. und zwei Revolvern von Colt. Wofür denn Waffen? Wir hatten doch, denk’ ich, weder Wilde noch Gewild zu fürchten. Aber mein Oheim schien an seinem Arsenal zu hängen, wie an seinen Instrumenten, besonders an einem gehörigen Vorrat von Schießbaumwolle, die von Feuchtigkeit nicht leidet, und deren Treibkraft weit stärker ist, als die des gewöhnlichen Pulvers.

      Die Werkzeuge bestanden aus zwei Spitzhauen, zwei Hacken, einer Strickleiter von Seide, drei mit Eisen beschlagenen Stöcken, einem Beil, einem Hammer, einem Dutzend eiserner Keile und Ringschrauben, nebst langen Stricken mit Knoten. Das mußte wohl ein starkes Packet ausmachen, denn die Leiter war dreihundert Fuß lang.

      Endlich waren auch Lebensmittel darin. Das nicht sehr große Packet enthielt an konzentriertem Fleisch mit Zwieback Vorrat für sechs Monat. Wachholderbranntwein war die einzige Flüssigkeit, an Wasser mangelte es gänzlich; aber wir hatten Kürbisflaschen, und mein Oheim rechnete auf Quellen, um sie damit zu füllen; die Einwendungen, welche ich über ihre Beschaffenheit, Temperatur, selbst ihr Vorhandensein zu machen hatte, waren fruchtlos geblieben.

      Um die Liste unserer Reiseartikel vollständig zu geben, nenne ich noch eine Reiseapotheke mit stumpfen Scheren, Schienen für einen Bruch, ein Stück Band von rohem Garn, Binden und Bäuschchen, Fontenelle, ein Aderlaßbecken, ganz erschreckliche Dinge; ferner eine Anzahl Fläschchen mit Dextrin, Wundspiritus, Bleiessig, Aether, Essig und Salmiak, lauter Arzneimittel, die wenig beruhigen konnten; endlich den nötigen Stoff für einen Ruhmkorff’schen Apparat.

      Mein Oheim vergaß auch nicht Tabak, Schießpulver und Zunder, desgleichen einen ledernen Gurt, welchen er um die Hüften trug, mit hinreichendem Vorrat an Gold, Silber- und Papiergeld. Tüchtige Schuhe, die durch einen Überzug von Teer und elastischem Gummi wasserdicht gemacht waren, befanden sich, und zwar sechs Paare, unter dem Geräte.

      »Also ausgestattet und versehen, sagte mein Oheim, hat man keinen Grund, eine weite Reise zu scheuen.«

      Der 14. wurde ganz dazu verwendet, diese verschiedenen Gegenstände zu ordnen. Am Abend speisten wir bei dem Baron Trampe in Gesellschaft des Bürgermeisters von Reykjawik und des Doktors Hyallalin, dem obersten Arzt des Landes. Herr Fridrickson befand sich nicht unter den Gästen; später hörte ich, er sei mit dem Statthalter über einen Punkt der Verwaltung gespannt, und sie besuchten sich daher nicht. Es ging mir also die Gelegenheit ab, ein Wort von dem, was bei dieser halb-offiziellen Mahlzeit gesprochen wurde, zu verstehen. Ich bemerkte nur, daß mein Oheim fortwährend sprach.

      Den folgenden Tag, am 15., wurden die Vorbereitungen fertig. Unser Wirt machte dem Professor eine große Freude, indem er ihm eine Karte von Island zustellte, die ohne Vergleichung vollständiger war, als die Henderson’sche, nämlich die von Olaf Nicolas Olsen, im Maßstabe von 1: 480.000, welche von der isländischen literarischen Gesellschaft nach den geodätischen Arbeiten Scheel Frisac’s und der topographischen Aufnahme von Bjorn Gumlaugsonn herausgegeben worden war. Es war für einen Mineralogen ein kostbares Dokument.

      2 Der Ruhmkorff’sche Apparat besteht in einer Volta’schen Säule, welche durch geruchloses Potasche-Bichromat in Tätigkeit gesetzt wird; eine Induktionsröhre bringt die von der Säule erzeugte Elektrizität in Verbindung mit einer eigentümlich eingerichteten Laterne; in dieser befindet sich eine gläserne Schlangenröhre, welche luftleer gemacht wird, so daß nur noch ein Rest von Kohlen- oder Stickstoff bleibt. Wenn der Apparat tätig ist, wird dieses Gas leuchtend mit einem weißlichen, andauernden Licht. Die Säule und die Röhre werden in einen ledernen Sack gesteckt, welchen der Reisende an einem Bande trägt. Die auswendig angebrachte Laterne gewährt in tiefem Dunkel hinlänglich Licht; sie gestattet, ohne Gefahr einer Explosion sich in die Umgebung von leicht entzündlichem Gas zu wagen, und erlischt auch im tiefsten Wasserstrom nicht. Herr Ruhmkorff ist ein gelehrter und sehr geschickter Physiker. Seine große Entdeckung besteht in der Induktionsröhre, vermittelst welcher Elektrizität von hoher Spannkraft erzeugt werden kann. Er hat im Jahre 1864 den fünfjährigen Preis von 50.000 Francs erhalten, welcher für die sinnreichste Anwendung der Elektrizität ausgeteilt wird.

      Der letzte Abend wurde in vertraulichem Gespräch mit Herrn Fridrickson verbracht, zu dem ich mich mit lebhaftem Freundschaftsgefühl hingezogen fühlte; auf diese Unterhaltung folgte ein ziemlich unruhiger Schlaf, meinerseits wenigstens.

      Um fünf Uhr weckte mich das Wiehern der vier Pferde, welche unter meinem Fenster stampften. Ich kleidete mich hastig an und kam herab auf die Straße. Hier war Hans beschäftigt unser Gepäck völlig aufzuladen, ohne dabei ein Wort hören zu lassen. Doch verfuhr er dabei mit ungewöhnlichem Geschick. Mein Oheim machte mehr Geräusch, als förderliche Arbeit, und der Führer schien sich wenig an seine Anweisungen zu kehren.

      Um sechs Uhr war alles fertig. Herr Fridrickson drückte uns die Hände. Mein Oheim dankte ihm in isländischer Sprache recht herzlich für seine wohlwollende Gastlichkeit. Ich ließ in meinem besten Latein einen herzlichen Gruß vernehmen; dann saßen wir auf und Herr Fridrickson rief uns zum Lebewohl den Vers Vergil’s nach:

      »Fahren wir denn getrost, wohin Fortuna uns führet!«

      Zwölftes


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