Evolution Bundle. Thomas Thiemeyer
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Danksagung
»Wir wissen mit absoluter Gewißheit, dass Arten aussterben und andere sie ersetzen. Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel.«
»Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.«
Charles Darwin
(1809–1882), englischer Naturforscher, begründete die als Darwinismus bekannte Abstammungslehre.
Jem hörte Steine von oben herabprasseln. Nur Kiesel und etwas Geröll, doch es genügte, um seinen Pulsschlag zu beschleunigen. Er lauschte. Da war es wieder – das unheimliche Jaulen.
Sie hatten seine Spur wiedergefunden.
Ausgerechnet jetzt, ausgerechnet hier.
Panisch sah er sich um.
Der Pfad war zu schmal und zu steil, um auch nur einen Moment zu glauben, er könnte eine schnelle Flucht antreten. Die Stufen verloren sich in der endlosen Tiefe. Die Treppe, die jemand vor Urzeiten in den Fels geschlagen hatte, wand sich hin und her wie das Zickzackmuster auf dem Rücken einer Schlange.
Direkt unter ihm lag die nächste Kehre, wo es eine kleine freie Fläche gab. Rechts das steil aufragende Bergmassiv, links der bodenlose Abgrund.
Der Schnee hatte eine rutschige Pulverschicht hinterlassen. Er musste vorsichtig sein. Verdammt vorsichtig.
Als er die Kehre erreichte, blieb er stehen.
Lange brauchte er nicht zu warten. Als hätten sie einen unsichtbaren Befehl erhalten, kamen die Wölfe die Stufen herunter. Einer hinter dem anderen. Sie fixierten ihn mit ihren Blicken.
Es waren drei, unterschiedlich in Farbe und Größe. Einer von ihnen hatte ein weißes Fell und stechende gelbe Augen. Er war riesig. Die anderen waren kleiner, zierlicher und braunschwarz getupft. Vielleicht Weibchen. Alle hatten sie ihre Ohren aufgestellt und hielten witternd die Nasen in die Höhe. Sie schienen direkt durch seine Maskerade hindurchzusehen. Die drei nahmen Positionen ein wie bei einem Schachspiel.
Einer von ihnen sprang auf die untere Treppe, einer blieb oben, während der letzte auf ihn zukam. Es war der große weiße. Ein Ehrfurcht gebietendes Tier. Wenn es denn überhaupt ein Tier war. Langsam wusste er nicht mehr, was hier echt war und was nicht. Aber darüber nachzudenken, war in etwa so sinnlos wie die Frage, was er hier zu suchen hatte. Wie er überhaupt in diesen Irrsinn hineingeraten war.
Hektisch wühlte er in seiner Hosentasche und zog sein Taschenmesser hervor. Als er es aufklappte, sank sein Mut. Damit hätte er nicht den Hauch einer Chance gegen seine Angreifer. Aber die Wölfe standen nur da und witterten.
Jem riss das Fell von seinen Schultern und streckte es wie ein Schild vor sich aus. Mit der Rechten hielt er das Messer umklammert und richtete es auf die Angreifer.
Die Klinge zitterte.
Das war’s dann, dachte er. Game over!
Eine Woche zuvor …
»Letzter Aufruf für den Lufthansa-Flug LH-456 von Frankfurt nach Los Angeles. Die Passagiere Jerome Ellis und Lucinde von Winterstein werden gebeten, sich umgehend am Boardingschalter, Ausgang Z-54, zu melden. Letzter Aufruf für Lufthansa-Flug LH-456 nach Los Angeles.«
Jem schnaufte. »Hast du gehört, Lucie? Damit sind wir gemeint. Komm schon, wir müssen uns beeilen.« Eigentlich hatte er sich immer für gut trainiert gehalten, aber so langsam ging ihm die Puste aus. Die Gänge waren endlos und sein Rucksack schien mit jedem Schritt schwerer zu werden.
Das Mädchen neben ihm warf ihm nur einen gehetzten Blick zu. Ihr roter Pferdeschwanz zuckte wie eine Flamme im Wind. Sie hatte ein hübsches Gesicht. Schmal, blass und mit ein paar Sommersprossen auf Wangen und Nase.
Sie war ihm sofort aufgefallen, als er heute Morgen in den Zug nach Frankfurt gestiegen war. Er hatte noch nie ein fremdes Mädchen angesprochen, aber nachdem er den Sticker ihrer Reiseorganisation auf dem Koffer gesehen hatte, war er über seinen Schatten gesprungen. Eigentlich fand er Mädchen ansonsten eher schwierig und eine Freundin hatte er auch noch nie gehabt.
Aber Lucie war nett, wenn auch etwas seltsam. Da war etwas in der Art, wie sie sprach, was ihn aufhorchen ließ. Mal klang es, als wäre sie superintelligent, dann wieder gab sie total merkwürdiges Zeug von sich. Aber er war froh, das Labyrinth aus Gängen, Rolltreppen und Hinweistafeln nicht alleine durchqueren zu müssen. Zumal sie bessere Augen zu haben schien als er.
»Rechts«, keuchte sie und bog ab.
Hektisch überflog er den Wald aus Schildern und Anzeigentafeln. Tatsächlich, da war der Pfeil. Er hatte ihn schon wieder übersehen.
»Da drüben, Jerome, siehst du? Da ist unsere Sicherheitskontrolle. Terminal A/B 1. Wir haben es gleich geschafft.«
»Alles klar«, schnaufte er zurück. »Aber bitte sag Jem zu mir. Nur mein Vater nennt mich Jerome.«
»Alles grün. Ich werd’s mir merken.«
Alles grün? Farben schienen es ihr irgendwie angetan zu haben. Seit sie sich heute Morgen kennengelernt hatten, waren schon einige Sätze gefallen, in denen sie irgendwas von Rot, Grün, Blau oder Gelb geredet hatte – als lebte sie in einer kunterbunten Regenbogenwelt.
»Oh, da vorne ist Connie von der Agentur.« Lucie deutete in Richtung der Magnetschranke, hinter der eine zierliche Frau mit blondem Pferdeschwanz stand und hektisch winkte.
Jem kannte Connie bislang nur vom Telefon, sie gehörte zur Reiseorganisation Travel-Exchange, die sich auf Schüleraufenthalte in den USA spezialisiert hatte. Connie würde die Jugendlichen auf ihrem Flug nach Los Angeles begleiten und vor Ort