Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Sechs utopische Thriller - Conrad Shepherd


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in einen stetig pulsierenden Schmerz verwandelt. Die bittere Kälte der tibetanischen Hochebene betäubte die Wunde. Conroy spürte bohrende Kopfschmerzen und eine leichte Übelkeit, die wohl auf die zu rasche Überwindung zu großer Höhenunterschiede zurückzuführen war. Er lehnte mit dem Rücken an einem Rad des Kampfbuggys. Zwei Schritte neben ihm flackerte vor einem modernen Militär-Igluzelt die Flamme eines kleinen Feuers im Wind. Daneben hockten Fahrer und Bordschütze Chakatows. Schweigsame, riesige Kerle in schwarzen Kampfanzügen, über denen sie kälteabweisende Thermojacken trugen. Als die Flammen einmal höher aufloderten, sah Conroy die Tätowierungen über ihren linken Augenbrauen: der Kopf einer zustoßenden Kobra.

      Sie waren Söldner.

      Hybriden.

      Nanoimplantate legten ihr Schmerzempfinden lahm. Im Kampf konnte man sie nur stoppen, wenn man sie tötete. Solange noch ein Funken Leben in ihnen war, ließen sie nicht von ihrem Vorhaben ab, ihren Auftrag auszuführen, ihre Gegner umzubringen. Der größere der beiden hatte ein breites, flaches Gesicht, das auf eine Mischung von slawischem und asiatischem Blut schließen ließ. Der andere musste aus den FSA-Staaten kommen.

      Während der eine in einem Kochgeschirr Teewasser heißmachte, hatte der andere eine AutoMag mit integriertem Rohr für panzerbrechende Gewehrgranaten über den Knien liegen; die Mündung zeigte unverrückbar auf den Agenten.

      Conroy machte sich Gedanken um Tsamcho. Wenigstens der war heil davongekommen – ein gewisser Trost in diesem Dilemma. Aber vorerst durfte er sich von dieser Seite keine Unterstützung erhoffen. Allein und unbewaffnet konnte der Dolpo-Pa nichts ausrichten. Erst wenn es ihm gelang, mit seinen Leuten Verbindung aufzunehmen, bestand etwas Hoffnung.

      Die Zeltklappe wurde zurückgeworfen. Chakatow kam mit einem Verbandskasten herausgekrochen

      Der Blick seiner Augen war unergründlich, als er neben Conroy in die Hocke ging.

      »Wie fühlen Sie sich?«

      Conroy zuckte bloß mit den Schultern.

      Der Russe zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche. »Hier, nehmen Sie eine, das wird Ihnen helfen, Commander.«

      Er ließ ein Feuerzeug aufflammen .

      Conroy nahm einen tiefen Zug und musste husten.

      »Sorry«, sagte Chakatow. »Hab' leider nur chinesisches Kraut.«

      »Ich werde es überleben«, sagte Conroy. »Mein Gott, was ist die Welt doch klein! Boris Andrej Chakatow. Mit Ihnen habe ich nicht gerechnet. Ich habe gehört, Sie wären endgültig tot.« Er hustete wieder und versuchte, die Kälte zu ignorieren.

      Der Russe grinste breit. »Totgesagte leben länger.«

      Conroy nickte und holte Atem. »Das ist nicht zu übersehen. Ist es Zufall, oder steckt Absicht dahinter?«

      »Ich würde sagen beides«, gestand Chakatow. »Ich war Oberst Sheehys Organisation eigentlich stets einen Schritt voraus, seit ich von Foss bekam, was ich wollte. Und als Sie aufkreuzten, war ich richtiggehend glücklich«.

      Der russische Oberst schien in euphorischer Stimmung. Conroy kannte diese Anzeichen. Er würde jetzt allerlei ausplaudern, und das konnte ihm nur recht sein. So erfuhr er mehr Zusammenhänge, als er jemals durch eigene Recherchen herausbekommen hätte.

      Chakatow fuhr fort: »Sie wissen, wir haben noch eine Rechnung offen, Commander. Ich hätte Sie eigentlich gleich umbringen können, aber ich fand Gefallen daran, herauszufinden, wie Sie es wohl anstellen würden, das zu bekommen, worauf die FSA so begierig ist, es zu erfahren. Ich wollte das Ganze aber ein bisschen mit Fußangeln versehen, um zu sehen, wie oft Sie stolpern.«

      »Dann haben Sie Hoja auf mich gehetzt?«

      Chakatow machte eine wegwerfende Bewegung. »Pah, dieser kleine Sesselfurzer. Wenn der wüsste, worum es wirklich geht, würde er sich selbst in den Allerwertesten beißen.«

      »So? Worum geht es denn?«

      Chakatow klappte das MediKit auf. »Wenn es Ihnen recht ist«, wich er Conroys Frage aus, »möchte ich einmal nachsehen, wie es Ihrer Verletzung geht.«

      »Ein Kratzer, mehr nicht. Die Kugel hat nur meine Schulter gestreift.«

      »Trotzdem. Lassen Sie mich sehen.«

      Conroy verzog das Gesicht.

      Der Russe grinste und untersuchte die Wunde fachmännisch. Dann legte er sehr professionell einen Notverband an. Das flackernde Feuer warf zuckende Schatten auf sein Gesicht.

      »Was machen Sie überhaupt hier mitten in der Nacht?«, fragte Conroy. »Man hat mir erzählt, das sei eine recht unsichere Gegend, speziell für Leute wie Sie, die chinesische Zigaretten rauchen und mit den Kampfbuggys der Gelben durch die Gegend kutschieren.«

      Chakatow lachte dunkel.

      »Ich wollte nach Tschangu, weil ich wusste, dass Sie früher oder später dort aufkreuzen würden. Wollte vor Ihnen dort sein. Wir bekamen aber unterwegs Schwierigkeiten mit dem Motor – verdammtes, chinesisches Dreckszeug! Bis wir den Fehler gefunden und einigermaßen behoben hatten, war es dunkel geworden. Deshalb habe ich mich entschlossen, hier mein Lager aufzuschlagen und erst am nächsten Tag die Fahrt fortzusetzen.«

      »Dann war es also Ihr Feuer, das wir beim Anflug gesehen haben?«

      Chakatow nickte. »Als Sie auftauchten, habe ich es natürlich sofort gelöscht. Ich wusste ja nicht, was da aus dem Nachthimmel herunterkam. War das vielleicht eine Überraschung, als ich entdeckte, dass Sie hier hereingeschneit kamen.«

      »Und wir haben geglaubt, es sei das Lagerfeuer eines Hirten!«, versetzte Conroy bitter.

      »So ist das Kriegsglück, Commander.« Der Russe klappte das MediKit wieder zu.

      »Was kommt als nächstes?«, fragte Conroy.

      »Tee, etwas zu essen und ein bisschen Schlaf, wenn Sie es fertigbringen.«

      »Und morgen?«

      Chakatow atmete tief ein.

      »Morgen fahren wir nach Tschangu zum Militärkommandanten für diese Gegend, Oberst Xiang. Er wird wissen wollen, was Sie nach Tibet geführt hat. Und tischen Sie ihm um Himmels willen nicht das Märchen vom Ethnologen auf. Er wird wissen, dass Sie ein Oberleutnant des legendären Blackwatch-Regiments und Commander einer Ultra Force-Einheit sind – beziehungsweise waren. Oder wie ist Ihr militärischer Rang jetzt?«

      »Woher soll dieser Oberst Xiang das wissen?«, wich Conroy Chakatows letzter Frage aus.

      Der Russe schüttelte den Kopf. »Woher wohl? Weil ich es ihm sagen werde. Und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, Towarisch Amerikanski: An Ihrer Stelle würde ich ihm ohne falschverstandenes Heldentum alles erzählen, was er wissen will. Es geht die Rede, dass er ein sehr harter Mann sei.«

      Das Schweigen dauerte eine Weile. Dann schlug Chakatow in die Hände. »Aber jetzt wollen wir erstmal was essen.«

      Auf ein Zeichen von ihm brachte einer der Söldner Tee und harten Zwieback.

      Der Tee tat Conroy gut, wenn er auch nicht die Kopfschmerzen vertrieb. Nachdem er sich hatte nachschenken lassen, sagte er: »Etwas kommt mir merkwürdig vor: Man hört doch immer wieder, dass die Beziehungen zwischen dem Eurasischen Commonwealth und dem Pan-Pazifischen Block eingefroren seien. Wie kommt es, dass die Chinesen Sie frei in ihrer bestbewachten Provinz herumlaufen lassen?«

      »Ach was«, winkte der Russe ab. »Die Meinungsverschiedenheiten zwischen unseren Blöcken werden von der FSA nur hochgespielt.«

      »Wo haben Sie diesen Unsinn denn her?«, sagte Conroy ärgerlich und warf den Zigarettenstummel weg. »Machen wir uns doch nichts vor! Ihr Russen findet Gefallen daran, euch über die angebliche politische Unreife der Freien Staaten von Amerika zu ereifern, ohne zu erkennen, dass die wirklichen Feinde des Weltfriedens unmittelbar hinter euren Grenzen sitzen. China ist das Problem, nicht der Westen. Selbst der neue Zar hat das


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