Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
Читать онлайн книгу.sie bis zu kopfgroße Steine auf die Männer des Aufgebotes hinunter und töteten einige von ihnen. Dann warfen sich aus Felsnischen und Spalten die Krieger auf die Reiter und rissen sie von den Pferden. Die Weißen kamen kaum dazu, ihre Waffen zu ziehen. Mit Steinen, die die Apachen wie Faustkeile benutzten, wurden sie erbarmungslos niedergemacht. Als der Kampf zu Ende war, hatten Victorio und seine Leute zehn Pferde, zwölf Winchestergewehre und vierzehn Revolver erbeutet. Dazu eine Menge Munition, die die Reiter des Aufgebotes mit sich geführt hatten.
Der Tod zog wieder durchs Land. Er führte Regie in dem Drama, das der Teufel inszenierte. Das Massaker an den Männern des Aufgebots aus Tularosa war der Auftakt gewesen.
*
Die Apachen durchquerten das Tularosa Valley. Es waren mehr als dreißig Krieger mit ihren Angehörigen. Die Pferde zogen Schleppbahren, auf denen das Hab und Gut der Familien untergebracht war. Victorio und vier Krieger ritten dem Zug voraus. Die Alkali Flats und die White Sands Mountains hatten sie hinter sich gelassen. Zwei Späher erkundeten das Terrain nach Süden zu. Einige bewaffnete Apachen waren zurückgeblieben, um etwaige Verfolger mit Pulver und Blei von ihrer Fährte zu fegen. Wie eine einsame Insel in der Weite des Ozeans erhoben sich aus der Ebene die Jarilla Mountains. Seit zwei Tagen waren die Mimbres und Mescaleros, die sich ihnen angeschlossen hatten, unterwegs.
Weit im Westen buckelten die Höhenzüge der Organ Mountains. Dahinter lag Las Cruses. Im Osten erhoben sich die Sacramento Mountains. Nach Süden zog sich wellige Steppe.
Rudel von Rindern begegneten den Apachen. Das Brandzeichen bestand aus einem R und einem D. Es waren Longhorns. Die Apachen schlachteten einige Rinder. Und als sich der Abend ins Land stahl, kam einer der Späher zurück, die dem Zug vorausritten. Er meldete Victorio, dass sie in den Ausläufern der Berge auf eine Ranch gestoßen waren.
Victorio war voll Hass. »Die Bewohner der Ranch werden büßen müssen für das, was mir die Weißen angetan haben. Ich war bereit, in der Mescalero-Reservation in Frieden zu leben, eine Farm zu gründen und mein Land zu bebauen. Sie wollten es nicht und schickten diesen Gesetzesmann mit einem Haftbefehl zu mir. Ich will Rache. Victorio lässt sich nicht belügen und betrügen.«
Der Häuptling ließ die Gruppe in den südlichen Ausläufern der Jarilla Mountains lagern. Die Sonne ging unter, das grelle Rot am westlichen Horizont verfärbte sich zu violett, von Osten zog die Abenddämmerung ins Land, die Schatten hatten sich aufgelöst.
Dann kam die Nacht. Victorio und seine neun berittenen Begleiter verließen das Lager. Sie ritten in die Nähe der Ranch und verbargen sich zwischen den Hügeln. Im Haupthaus und in der Mannschaftsunterkunft brannte Licht. Die Pferde in den Corrals hatten sich zur Ruhe begeben. Am Himmel glitzerten die ersten Sterne. Der Mond war noch hinter den Bergen im Osten verborgen.
Die Apachen hüllten sich in Geduld. Zuerst verlosch das Licht im Ranchhaus, etwas später im Bunkhouse.
Zwei – drei schemenhafte Gestalten huschten zum Corral. Das Gatter wurde lautlos geöffnet. Pferde erwachten, schnaubten, und erhoben sich. Hufestampfen wurde laut, eines der Tiere wieherte. Das Windrad beim Brunnen bewegte sich im Nachtwind und knarrte. Der Schrei eines Kauzes trieb gespenstisch durch die Finsternis.
Ein Krieger huschte in den Corral und nahm eines der Pferde bei der Mähne, ein zweiter Krieger erschien, ein dritter. Die Pferde prusteten, stampften und peitschten nervös mit den Schweifen.
Holz knirschte in der Führung, als beim Haupthaus ein Fenster hochgeschoben wurde. »He, was ist da los? Verdammt!« Die Stimme überschlug sich plötzlich. »Wir werden überfallen! Jemand ist beim Corral!«
Im panischen Schrecken wurden die Worte hinausgebrüllt und der Wind nahm sie mit sich. Die Krieger warfen sich auf die Pferde, die sie führten und hämmerten ihnen die Fersen in die Seiten. Mit hellen, abgehackten Schreien trieben sie die anderen Tiere an. Das Rudel Pferde setzte sich in Bewegung. Staub erhob sich und wallte dicht. Hufe trappelten.
Die Tür der Mannschaftsunterkunft flog auf. Einige Männer mit Gewehren in den Händen rannten in den Hof. Sie begannen auf die dahinjagenden Schemen zu feuern. Die Mündungsblitze zerstießen die Dunkelheit und rissen die Schützen für Bruchteile von Sekunden aus der Nacht. Das Krachen der Schüsse mischte sich in den trommelnden Hufschlag, Geschrei wurde laut.
Auch aus dem Ranchhaus rannten zwei Männer mit Gewehren.
Und dann kamen die Apachen. Die Finsternis schien sie auszuspucken. Ihr Kriegsgeheul ging durch Mark und Bein. Handlange Feuerblitze zuckten aus den Mündungen ihrer Gewehre. Die Männer auf dem Hof wurden geschüttelt und umgerissen. Die Apachen griffen nach den Tomahawks und stürmten in das Haupthaus sowie die Mannschaftsunterkunft.
Nur wenige der Weißen entkamen. Sie flohen in die Nacht hinein. Wieder hatten die Apachen Pferde, Gewehre und Revolver sowie Munition erbeutet.
Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit brannten sie die Gebäude nicht nieder. Der Feuerschein wäre in der Nacht weit zu sehen gewesen und hätte vielleicht Weiße mit Gewehren und Revolvern angelockt. Victorio wollte nichts herausfordern.
Sie zogen noch in der Nacht weiter. Drei Tage marschierten sie ungeschoren nach Süden, erreichten Texas und zogen mitten durch die Franklin Mountains. Auf der Spur der Mimbres ritt ein Aufgebot aus Las Cruses. Die Späher Victorios, die die Kolonne nach hinten sicherten, bemerkten die Verfolger. Eine Spur wurde gelegt, die in einen Sackcanyon führte. Das Aufgebot ritt hinein. Und dann griff der bleierne Tod von vier Seiten nach den Männern. Sie hatten keine Chance. Pferde stiegen, bockten, stürzten und keilten wild aus. Männer starben. Pulverdampf und Staub wogten nebelhaft. Die Felswände warfen die Detonationen zurück, der Lärm staute sich in dem Canyon. Und dann war alles vorbei. Die Mimbres zogen weiter und verschwanden nach Mexiko.
*
Ein einsamer Reiter zog auf der Spur des Todes. Colonel Ernest Randall hatte ihn in Marsch gesetzt. »Ihnen vertraut, Victorio, Lieutenant«, hatte der Colonel gesagt. »Finden Sie ihn, reden Sie mit ihm und bringen Sie ihn zur Vernunft.«
Der Lieutenant hatte sich auf sein Pferd geschwungen. Er führte ein zweites Tier mit sich, das seinen Proviant trug. Whitlock zog am Westrand der Sacramento Mountains nach Süden. In Alamogordo hatte er erfahren, dass weitere Krieger das Reservat verlassen hatten. Whitlock ritt nach Las Cruses. Dort berichtete man ihm, dass Kunde aus San Carlos eingetroffen sei, wonach auch bei den Chiricahuas Unruhen ausgebrochen waren und dass viele Krieger das Reservat verlassen hatten und nach Mexiko geflohen waren.
Im Land gärte und brodelte es. Whitlock ritt den Rio Grande entlang nach Süden und erreichte El Paso. Er brachte seine Pferde in einen Mietstall und begab sich in einen Saloon. Am Tresen stand ein Mann. Eine Horde Männer drängte sich um ihn herum. Whitlock hörte den Burschen sagen:
»Sie kamen bei Columbus über die Grenze. Es waren mindestens sechzig Krieger, die im Morgengrauen in die Stadt einfielen wie die Heuschrecken. Männer, Frauen und Kinder wurden niedergemetzelt. Die halbe Stadt brannte nieder. Dann verschwanden die verdammten Rothäute wieder nach Süden. Eine Posse jagte sie, ritt aber in einen Hinterhalt. Die Bastarde machten das Aufgebot bis auf den letzten Mann nieder.«
»Wie kann Gott so etwas zulassen?«, rief ein Mann voll Entsetzen.
»Er ist eben nicht einmal halb so gut wie ihn unser Reverend immer hinzustellen versucht«, schrie einer wild. »Andernfalls würde er Feuer vom Himmel schicken und die roten Parasiten vom Angesicht der Erde tilgen.«
»Es war fürchterlich«, so ließ der Mann, der von dem Überfall auf Columbus erzählt hatte, seine Stimme wieder erklingen. »Das sind keine Menschen mehr, das sind blutrünstige Teufel. Ihnen ist nichts heilig. Die Bewohner wurden in geradezu viehischer Art und Weise niedergemetzelt.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Whitlock laut. »Hat man es Ihnen erzählt, oder waren sie selbst in Columbus?« Jeder Zug seines Gesichts