Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett

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Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett


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      »Warum fragen Sie?«, kam es von dem Mann, der die Geschichte von den Gräueln in Columbus zum Besten gegeben hatte. »Glauben Sie mir etwa nicht? Gehören Sie auch zu jenen Zeitgenossen, die die Brutalität der Rothäute mit gebrochenen Verträgen und nicht eingehaltenen Versprechungen verteidigen, die in den roten Bastarden noch immer eine unterdrückte Minderheit sehen?«

      Gehässig fixierte der Mann den Lieutenant.

      »Es ist sicher nicht der Augenblick, um über Meinungen und Einstellungen zu diskutieren«, wehrte Whitlock ab. »Ich reite auf der Fährte Victorios. Ich war der Offizier, der ihn und seine Krieger von Fort Wingate nach Tularosa geleitete.«

      »Wo ist ihre Einheit, Lieutenant?«, rief einer. »Es ist kein größerer Verbund von Soldaten in El Paso angekommen. Sie werden uns doch nicht erzählen wollen, dass sie alleine auf der Fährte dieses Mörders reiten.«

      »Das ist so.« Whitlock richtete wieder seinen Blick auf den Mann, der von dem Überfall auf Columbus berichtet hatte. »Reden Sie schon. Waren Sie selbst in Columbus?«

      »Ja. Ich habe geholfen, die Indsmen aus der Stadt hinauszujagen. Ich kam von Bisbee herüber und wollte einige Tage in der Stadt ausruhen.» Der Mann holte Luft, als musste er die Eindrücke, die in ihm lebten, aufs Neue verarbeiten, ehe er weitersprechen konnte. Er räusperte sich, schluckte, dann fuhr er fort: »Sie kamen mit dem Morgengrauen. Der Mietstall, die Kirche, die Hälfte aller Wohnhäuser, Scheunen und Schuppen – alles wurde ein Raub der Flammen. Sie wüteten wie die Teufel. Ein Aufgebot, das ihnen folgte, wurde niedergemacht. Kein einziger Mann kehrte zurück. Ich ritt mit den Männern, die die Toten fanden. Alle skalpiert. Es war ein Albtraum.«

      »Wie weit ist Columbus von hier entfernt?«, fragte Whitlock.

      »Etwa achtzig Meilen. Wollen Sie dorthin reiten, um sich von meinen Worten zu überzeugen?«

      Ein Mann lachte schallend auf. Ein giftiger Laut, ein zynisches, bösartiges Lachen. Dann rief er: »Ein einzelner Mann. Das ist ja geradezu lächerlich. Glaubst du denn im Ernst, Lieutenant, du kannst Victorio mit Worten besänftigen? Er wird dir die Haut streifenweise abziehen und deinen Kadaver den Wölfen und Aasgeiern zum Fraß vorwerfen. Wenn die Armee nicht mehr zu bieten hat ...«

      Whitlock ging nicht darauf ein. Er sagte: »Ich muss eine Spur aufnehmen. Warum nicht in Columbus?«

      »Reiten Sie zum Tepee Butte, Lieutenant!«, rief ein anderer Mann. »Dort haben die roten Banditen eine Ranch überfallen. Eine Patrouille aus Fort Bliss hat sich dorthin begeben. Bis zum Tepee Butte haben Sie nur die Hälfte der Strecke wie bis nach Columbus zurückzulegen. Egal, welcher Spur Sie folgen. Sie führen schätzungsweise alle in die Felswüste Mexikos.«

      »Reite nach Hause, Lieutenant«, so ließ wieder der Bursche die Stimme erklingen, der sich eben in ziemlich spöttischer Weise über Whitlocks Mission ausgelassen hatte. »Geredet wurde genug. Es hat sich herausgestellt, dass die roten Schufte Worten nicht zugänglich sind. Man muss sie ausrotten. Mit Stumpf und Stiel. Ein intelligenter Mann prägte mal den Spruch, dass nur ein toter Indianer ein guter Indianer ist. Friede werden wir erst bekommen, wenn der letzte dieser rothäutigen Teufel in der Hölle schmort.«

      »Männer wie Sie tragen die Verantwortung an dem Dilemma, das im Land herrscht. Parolen wie die, die Sie eben von sich gegeben haben, sind schuld daran, dass immer wieder neuer Hass entsteht. Kerle wie Sie sehen in den Indianern Untermenschen, eine Spezies, die auf der Stufe mit wilden Tieren steht. Daran krankt es. Und solange Kerle wie Sie den Mund aufmachen dürfen, wird dieses völlig falsche Bild von den Indianern am Leben gehalten.«

      Whitlocks Stimme sank herab, es war fast nur noch ein heiseres Geflüster, das über seine Lippen brach.

      »Nicht allein die Roten sind verantwortlich für die blutigen Unruhen im Land – es sind Männer mit Ihrer Einstellung, Mister, die leider oftmals an exponierten Stellen sitzen und auf Grund ihres Einflusses in der Lage sind, die Richtlinien einer Politik zu bestimmen, deren Ergebnis nur Unfrieden sein kann – gewollter Unfrieden, um einen Grund zu schaffen, mit aller Brutalität gegen die Indianer vorzugehen.«

      »Du bist also ein verdammter Indianerfreund, Lieutenant!«, stieß der Bursche grimmig hervor. »Du verteidigst es, wenn die roten Parasiten weiße Menschen massakrieren und ihnen die Skalps abziehen. O verdammt! Kerle wie du sind schuld daran, dass man nicht längst kurzen Prozess mit den rothäutigen Stinktieren gemacht hat. Man sollte dich aus der Stadt hinausprügeln. Ja, Indianerfreund, man sollte dich zurechtstutzen, dass du auf allen vieren aus El Paso hinaus kriechst.«

      Auch Whitlock war voll Zorn. »Willst du es übernehmen, mich zurechtzustutzen, Mister?«

      »Ja«, schnappte der andere. »Ich werde dich verprügeln, dich in Stücke schlagen. Was ich von dir übrig lasse, Indianerfreund, können sie hinterher mit einer Kehrschaufel davontragen und an die Schweine verfüttern.

      Der Bursche stieß sich vom Tresen ab. Der Männerpulk bildete eine Gasse, durch die er mit pendelnden Armen schritt. Seine Brauen hatten sich zusammengeschoben. Über seine Lippen platzte es: »Ich habe vernommen, wie die roten Bastarde in Columbus gewütet haben. Überhaupt ziehen Sie eine Blutspur des Schreckens durch das Land. Wer dafür Verständnis aufbringt, ist ein Verräter an der weißen Rasse. Man muss ihn in den Staub treten wie einen lästigen Wurm.«

      Mit dem letzten Wort stürzte er sich auf Whitlock. Er ließ die rechte Faust fliegen. Whitlock nahm den Kopf zurück und der Schlag ging ins Leere. Der Bursche wurde halb herumgerissen. Whitlocks Hände schossen vor und erwischten ihn an der Weste. Mit einem Ruck riss er ihn dicht an sich heran. Sein Atem schlug in das Gesicht das Anderen, als er sagte: »Lass es gut sein, Mister. Du hast deine Meinung, ich habe meine. Wir leben in einem freien Land...«

      Ein Aufschrei entrang sich Whitlock. Sein Gegner hatte das Knie hochgerissen und ihn empfindlich getroffen. Er ließ die Weste los und krümmte sich nach vorn, seine Augen traten weit aus den Höhlen. Der Schmerz lähmte ihn, Übelkeit stieg in ihm hoch, der Magen krampfte sich ihm zusammen. Und dann schien die Welt vor seinen Augen zu explodieren, als ihn eine kerzengerade Rechte mitten ins Gesicht traf. Blut schoss aus seiner Nase, sickerte aus seiner aufgeschlagenen Lippe, er war wie blind, und die Panik kam, weil er sich der brutalen Gewalt seines Kontrahenten ohnmächtig ausgeliefert sah.

      »Gib es ihm!«, schrie jemand. »Schlag den Indianerfreund zu Klump.«

      Whitlock hörte es wie aus weiter Ferne. Da traf ihn schon wieder ein brutaler Schwinger in den Magen. Er quittierte den Schlag mit einem verlöschenden Aufschrei. Sein Oberkörper schwang nach vorn und wurde von einem Aufwärtshaken abgefangen, der ihn wieder aufrichtete und auf die Zehenspitzen stellte. Die Benommenheit kam wie eine graue, alles verschlingende Flut. Sie brandete gegen sein Bewusstsein an und legte sein Denken lahm. Whitlock taumelte zurück, erhielt einen derben Stoß in den Rücken, wurde wieder nach vorne getrieben und rannte in einen weiteren Haken seines Gegners hinein. Sein Kopf wurde in den Nacken gerissen, er brach auf das linke Knie nieder, Schwäche rann durch seinen Körper und ließ keine Reaktion zu. Wie es aussah, war er den Fäusten des Schlägers auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

      Die Angst riss Whitlock hoch. Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. Sein Blick wurde wieder etwas klarer. Wie durch Nebel sah er seinen Gegner. In dessen Mundwinkel hatte sich ein brutaler Zug eingekerbt. Er hatte die Fäuste erhoben. Die Augen blickten hart wie Bachkiesel.

      Es gelang Whitlock, seine Schwäche zu überwinden und er bot alle Willenskraft auf, um seine Gedanken zu formen und sich zu besinnen. Er vernahm ein Brausen, konnte es zunächst nicht deuten, schließlich aber wurde ihm bewusst, dass es sein eigenes Blut war, das in den Ohren rauschte.

      Als sein Gegner nach ihm schlug, duckte er sich mehr instinktiv als von einem bewussten Willen geleitet. Die Faust radierte über seinen Kopf hinweg. Seinen Hut hatte er bereits verloren. Blindlings schlug er zu. Und er traf. Die Linke donnerte in das Gesicht des Anderen, die Rechte bohrte sich in seinen Magen. Ein japsender Ton erklang, der Bursche verneigte sich ungewollt, und ein Aufwärtshaken Whitlocks stellte ihn wieder gerade, ließ ihn zurücktaumeln und mit den Armen haltsuchend rudern.


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