Lese-Paket 1 für den Strand: Romane und Erzählungen zur Unterhaltung: 1000 Seiten Liebe, Schicksal, Humor, Spannung. Sandy Palmer
Читать онлайн книгу.war. Einen Fleck entdeckte sie ebenfalls.
„Hallo!“, rief er. Und schon an der Art, wie er das sagte und wie er sie mit leicht geröteten Augen anblickte, erkannte sie, dass er getrunken zu haben schien.
Warum auch nicht?, dachte sie. Er ist ja mit dem Zug gefahren und eben mit dem Taxi gekommen. Vielleicht haben sie im Speisewagen noch etwas getrunken. Sie kannte ja Dr. Gstaad, der ein großer Freund von alkoholischen Getränken war.
Er setzte sich ihr gegenüber, blickte auf den Zettel, den sie vor sich liegen hatte und fragte: „Was schreibst du da?“
„Ich habe mir notiert, was ich nach Zürich mitnehmen muss. Ich wollte nur noch auf dich warten. Ich muss einmal nach Zürich fahren, Kunden besuchen, Entwürfe vorlegen.“
Sein eben noch fröhliches Gesicht wurde schlagartig ernst. Er blickte sie aus schmalen Augen zweifelnd an. Sie begriff angesichts der Miene, die er machte, dass er ihr kein Wort glaubte. Aber er schwieg. Er sah sie nur an, und sie sagte: „Ich fahre wirklich nach Zürich. Ich kann mir vorstellen, was du wieder denkst. Aber das ist nicht.“ Sie griff über den Tisch hinweg, nahm seine Hand und drückte sie. Während sie ihn beschwörend ansah, sagte sie: „Dieter, ich will Abstand gewinnen. Ich möchte einmal zu mir selbst kommen. Und ich will, dass wir beide wieder richtig zueinander finden. Das geht nur, wenn ich einmal eine Weile ganz für mich allein war.“
„Ich bin ja nicht von dir weggelaufen“, sagte er rau, entzog ihr die Hand, lehnte sich zurück und blickte sie spöttisch an. „Du willst mir doch nicht verkaufen, dass du nach Zürich fährst.“
„Mein Gott, ich habe die Fahrkarte schon. Ich kann sie dir zeigen, bitte.“ Sie stand auf und wollte ihr Handtäschchen holen. Dazu musste sie an ihm vorbei. Als sie mit ihm auf gleicher Höhe war, da ergriff er plötzlich ihr rechtes Handgelenk, hielt sie fest, wirbelte sie herum und packte sie so hart, dass sie aufschrie. „Du tust mir weh, Dieter. Bitte, lass los!“ Sie versuchte, sich von seinem Griff zu befreien, aber er fasste nur um so härter zu. Und dann sagte er: „Du möchtest gerne wegfliegen, nicht wahr? Möchtest diesen Kerl wiedertreffen, mit ihm ins Bett gehen! Gib doch zu, dass du mit ihm im Bett warst. Gib es doch zu! Von wegen, nur geküsst! Glaubst du, ich ziehe die Hose mit der Beißzange an? Das kannst du doch einem Schwachsinnigen erklären, nur nicht mir.“
Ihr war, als hätte er sie mit eiskaltem Wasser übergossen. Sie fühlte sich derart schockiert, dass sie außerstande war, ihm zu antworten. Sie stand einfach da, starrte ihn an, und er ließ jetzt ihr Handgelenk los, dass ihr Arm schlaff herunterfiel, als wäre er ohne Kraft.
„Weißt du, was du bist?“, fuhr er sie an, „ein ganz gemeines Stück Dreck bist du! Eine Dirne bist du! Eine, die mit jedem Penner, dem sie begegnet, ins Bett steigt, ohne dass sie überhaupt weiß, wer es ist.“
Es verschlug ihr die Sprache. Bis ins Mark erschüttert, ja, sogar angeekelt, starrte sie ihn an, machte einen Schritt nach rückwärts, noch einen, bis sie mit dem Rücken an die Wand stieß. So blieb sie stehen, während er plötzlich schallend zu lachen begann, auf sie deutete und unter Gelächter ausrief: „Jetzt spielt sie das Reh. Sieh sich einer dieses Weibsbild an! Steht da, als könnte sie kein Wasser trüben, und dabei schläft sie mit jedem Kerl, der ihr begegnet. Das hätte ich wissen müssen! Zum Teufel noch mal, das hätte ich wissen müssen!“ Er erhob sich, blickte sie angewidert an und ging dann mit unsicheren Schritten auf die Tür zu. Als er draußen war, schlug er sie mit einem Knall ins Schloss, dass Heidi zusammenzuckte.
Von unten klopfte jemand empört an die Decke. Kein Wunder, es war schon nach 23 Uhr. Jetzt erst kam Heidi wieder zu sich. Ihr war, als sei sie geschlagen worden. Eben noch schockiert, erfüllte sie jetzt ein Zorn, der sie antrieb, die Wohnung zu verlassen. Sie ging nach draußen, wollte in ihr kleines Zimmer, wo sie an ihren Entwürfen arbeitete. Aber im Halbdunkel des Flurs stand er, versperrte ihr den Weg in dieses kleine Reich, das sie sich geschaffen hatte. Er stand breitbeinig vor der Tür, stemmte sich in die Türfüllung, als wollte er den Rahmen sprengen. Wirr hing ihm das blonde Haar in die Stirn. Aus rot unterlaufenen Augen starrte er sie an, und nichts erinnerte mehr an den netten, fröhlichen Jungen, der er einmal gewesen war. „Weg willst du! Jawohl, pack dein Zeug und verschwinde! Hau ab! Wälze dich in den Betten von anderen herum! Mach, dass du fortkommst! Aber lass dir ja nicht einfallen, jemals wieder zurückzukommen, nicht mehr hierher, nicht mehr zu mir! Scher dich zum Teufel!“ Er ging jetzt beiseite, trat die Tür auf, dass sie bis hinten anschlug und schrie: „Da, hol deinen Plunder und mach, dass du wegkommst! Zur Hölle mit dir! Ich habe eine Dirne zur Frau!“ Sie ging an ihm vorbei, ohne ein Wort zu sagen, nahm ihre Entwürfe, die auf dem Tisch lagen, sah sich um, ergriff ihre Handtasche, dann verließ sie das Zimmer, und noch immer stand er neben der Tür, starrte sie wütend an, und sein Atem ging hörbar laut.
Im Schlafzimmer stand ihr Koffer. Sie holte ihn, obgleich sie erst morgen hatte fahren wollen, nahm ihren Mantel und ging auf die Wohnungstür zu.
„Ja, hau nur ab! Geh zu deinen Freunden. Oder vielleicht willst du ein Freudenhaus eröffnen, ein Freudenhaus in Zürich!“ Er begann wieder schallend zu lachen. Sie drehte sich kurz um, maß ihn von oben bis unten und sagte dann leise: „O Dieter, dass es einmal so furchtbar enden würde, das hätte ich nie gedacht.“ Es würgte ihr in der Kehle. Sie konnte nicht weitersprechen, sie wandte sich ab, ging hinaus, aber weil der Lift nicht da war und sie nicht auf ihn warten wollte, benutzte sie die Treppe. Hoffentlich begegnet mir niemand, dachte sie, und hoffentlich schreit er nicht noch im Treppenhaus herum.
Aber genau das tat er. „Der Teufel soll dich holen!“, brüllte er von oben herunter. Dann begann er zu singen. Eine Tür klappte, und sie meinte schon, er wäre wieder zurück in die Wohnung gegangen, da hörte sie Wilfried Mauermanns Stimme, aber sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Doch dann antwortete Dieter. „Der Teufel wird sie holen. Sie treibt sich mit anderen Männern herum. Was habe ich nur für eine Frau?“
Wieder antwortete Mauermann etwas, dann klappte eine Tür. Mit einem Mal war es still. Heidi hörte nur noch ihre eigenen Schritte auf der Treppe. Dann endlich war sie unten, und sie atmete auf, niemand begegnet zu sein. Sie öffnete die Haustür, trat hinaus, und ein kühler Windstoß empfing sie. Auf der Straße war alles wie tot. Die parkenden Autos, die Laternen vor den Wohnblocks, die Lichterketten der erleuchteten Fenster. Drüben das Werk mit einer Lichtflut, die den Himmel erhellte.
Ich muss zur Telefonzelle, dachte sie. Ich werde ein Taxi anrufen und zum Bahnhof fahren, oder, was noch besser wäre, zu Veronika. Ihr Mann ist ja in Köln geblieben. Sie tat, was sie vorhatte, rief ein Taxi und hatte Glück. Zehn Minuten später kam es, fuhr an der Telefonzelle vor, und sie stieg ein. Kurze Zeit später war sie bei Veronika.
Sie atmete auf, als sie noch Licht am Haus sah. Und Veronika ließ sie auch sofort ein. Sie trug ein helles, mit Blumen bedrucktes Kleid, strahlte Heidi an, als hätte sie auf sie gewartet. Als sie aber die Koffer, den Mantel und die einfach unter den Arm gepressten Rollen mit den Entwürfen sah, fragte sie: „Ist bei euch eine Bombe geplatzt?“
„So kann man es sagen“, erwiderte Heidi, die sich schon wieder etwas beruhigt hatte. Wenig später saßen sie sich im behaglichen großen Wohnraum der Gstaads gegenüber.
„Jens war vorhin bei mir“, erklärte Veronika. „Mein Mann ist ja in Köln. Er ist jetzt alleine hingefahren. Dein Mann und sein Kollege Mauermann werden ja erst morgen Nachmittag dort erwartet.“
„Dieter war auch heute schon dort“, erklärte Heidi, und ihr war, als spräche sie von einem völlig Fremden. Veronika sah auf, blickte Heidi forschend an und fragte dann: „Du weißt also nichts. Ich habe gedacht, das wäre der Grund gewesen.“
„Was soll ich wissen? Wofür einen Grund?“
„Du bist doch hergekommen, weil du Krach hattest mit ihm, nicht wahr?"
„Ja, er kam vorhin nach Hause, angetrunken. Er ist in Köln gewesen. Und dann hat er mit einem Mal einen Knall bekommen, als er sah, dass ich wegfahren will. Ich sagte ihm, ich möchte nach Zürich. Da ist er verrückt geworden, hat mich angeschrien, da rumgegrölt; jedenfalls bin ich dann weg. Er hat gesagt, ich soll zum Teufel gehen. Und er hat