Das Netz ist politisch – Teil I. Adrienne Fichter

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Das Netz ist politisch – Teil I - Adrienne Fichter


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für den heutigen Empfehlungsalgorithmus ist der 10. August 2012. Seit diesem Tag entscheidet im Besonderen die Verweildauer, ob ein Video in die Empfehlungsleiste befördert wird, und nicht mehr die Anzahl Aufrufe.

      Damit soll Klick-Müll abgestraft werden, also Videos, die uns mit effekthascherischen Titeln und Vorschaubildern zwar zum Anschauen verleiten, die Erwartungen der Zuschauerin aber nicht erfüllen. Youtube wollte damit eigentlich auf Qualität setzen.

      Extreme Videos machen süchtig

      Seit der Algorithmusänderung haben scharfe Kommentatoren und Laien ein leichtes Spiel, weil – wie übrigens auch auf Facebook – eine künstliche Intelligenz bei ihrer Selektion nach «Relevanz» nicht zwischen Verschwörungstheorie und faktenbasiertem Qualitätsjournalismus unterscheidet.

      Gleichbehandlung aller Kanäle

      Doch diese Gleichbehandlung hat zur Folge, dass man sich schon nach einigen Wochen in einer Parallelwelt jenseits des Faktischen wiederfindet.

      Wenn man beispielsweise nach politischen Themen sucht, bekommt man von der Suchmaschine keinen ausgewogenen Medienspiegel vorgeschlagen, sondern die neuesten Videos von Alt-Right-Kommentatoren wie dem berühmten mittlerweile gesperrten Infowars-Kanal von Alex Jones. Oder Inhalte von Next News Network, einer auf den ersten Blick seriös aussehenden rechtspopulistischen Gerüchteschleuder.

      Beide machen zuverlässig Stimmung für US-Präsident Donald Trump und diskreditieren liberale Entscheidungsträger wie zum Beispiel jüngst den kanadischen Premierminister Justin Trudeau.

      Watson kommentiert eine Szene, in der Trudeau eine junge Frau ermahnt, von «peoplekind» und nicht von «mankind» zu sprechen, mit einer Geste, als ob er sich eine Pistole in den Mund halten würde. Dann rechnet er ab mit Trudeaus Political Correctness und lässt sich aus über die Symbolik seiner bunten Socken.

      «Ausreisser»-Phänomen

      «Gerade in Fällen von geringer Nachfrage kann eine aktive Gruppe die Ergebnisse überproportional beeinflussen. Youtube nimmt somit einen Zusammenhang an, der objektiv gar nicht existiert», sagt der Youtube-Experte und Medienwissenschaftler Bertram Gugel.

      Anti-Hillary-Videomaterial dominierte

      Das «Radikalisierungs-Netflix»

      Während die Weltöffentlichkeit in den letzten Jahren auf Facebook eindrosch, hat sich Youtube ungestört zu einer Art «Radikalisierungs-Netflix» entwickelt. Hier ist die Fake-News-Problematik ausgeprägter als anderswo. Dennoch fehlte bislang der grosse Aufschrei rund um das Videonetzwerk von Google.

      Das liegt unter anderem am Erwartungsmanagement der Plattformen. Auf Facebook präsentieren Algorithmen ein Kunterbunt an Filmchen, Memes, Status-Befindlichkeiten oder Boulevard-Artikeln. Das Überraschungselement ist gross, die Empörung über verstörende Propagandainhalte ebenso. Man fühlt sich fremdgesteuert.

      Youtube suchen wir hingegen gezielt auf. Hier navigieren wir uns mit Klicks und Suchstichworten durch den Kosmos und schreiben uns eine grössere Eigenverantwortung an den Resultaten zu. Dabei ist unsere Autonomie aufgrund des ausgeklügelten Algorithmus genauso beschränkt.

      Kosmetische Verbesserungen


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