Der Kaiser. Geoffrey Parker

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Der Kaiser - Geoffrey  Parker


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Ungarn befand), um ihr mitzuteilen, dass ihr Bruder »täglich an Tjosten und Turnieren teilnimmt, und ich möchte wetten, dass er sich oftmals wünscht, wir beide könnten dabei sein und uns mit ihm amüsieren«. Aber vor allem erzog Margarete, wie Annemarie Jordan Gschwend schreibt, die heranwachsende Generation dazu, »die Dynastie, in die sie hineingeboren waren, zu achten und ihr zu dienen. Sie flößte ihren jungen Schützlingen ein Prinzip ein, das diese zeitlebens in Ehren halten sollten: eine tief sitzende Loyalität zum Haus Habsburg.«49

      Alles zum Schutz des Erben

      Zweifellos war es die Welle von vorzeitigen Toden in den Dynastien von Habsburg, Burgund und Trastámara, die zu der fast schon zwanghaften Besorgnis um die Gesundheit Karls und seiner Schwestern führte. Als Maximilian 1508 in die Niederlande zurückkehrte und vorschlug, sein Enkel solle ihn »zu seiner Erholung« doch auf den Wegen zwischen Mecheln, Lier und Antwerpen begleiten – also in einem Radius von unter zwanzig Kilometern –, legte der Fürst von Chimay einen förmlichen Protest ein und verwies auf »das geringe Alter meines Herrn, der anfällig und zart ist«. Sollte der Kaiser dennoch auf seinem Vorhaben bestehen, fuhr Chimay fort, müsse der Prinz nach jeweils einem Reisetag »einen ganzen Tag an Ort und Stelle bleiben, damit er stets zwei Nächte hintereinander ruhen und sich erholen kann«. Sechs Monate darauf war es Maximilian, der in die Rolle eines überfürsorglichen Großvaters verfiel. Ihm war zu Ohren gekommen, dass Liberal Trevisan, der venezianische Arzt, der seine Schwiegertochter Johanna nach der Geburt ihres Sohnes »während neunundvierzig Tagen ohne Unterlass« behandelt hatte, Karl einen Hund schenken wollte: »Gib acht, dass das nicht geschieht!«, wies der Kaiser Margarete an; sowohl der Hund als auch der Heilkundige sollten sich von Karl fernhalten, »solange unser gegenwärtiger Kriegszustand mit den Venezianern andauert«. Kurz darauf befahl Maximilian seiner Tochter, Trevisan aus den Niederlanden ausweisen zu lassen, und zwar »wegen unserer Befürchtungen bezüglich seiner Person: Da er ein Venezianer ist, wünschen wir nicht, dass er mit unserem Enkelsohn Karl noch irgendwelchen weiteren Umgang pflegt.«50 Margarete teilte diese Befürchtungen. Einige Wochen nach Maximilians Schreiben bestand sie darauf, dass ihre Mündel »dauerhaft [in Mecheln] bleiben und die Stadt nicht verlassen sollen, bis ich selbst dorthin zurückgekehrt bin«, denn »heutzutage weiß man nicht, wem man noch vertrauen kann«. Auch Margarete beschäftigte sich geradezu zwanghaft mit der Gesundheit der Kinder, denn – wie sie Maximilian gegenüber einmal bemerkte – »bei Personen von solcher Bedeutung ruft selbst die kleinste Krankheit Besorgnis hervor«. Als daher die Nachricht eintraf, dass die Schwestern des Prinzen in Mecheln an den Pocken erkrankt waren, behielt sie Karl in Brüssel, »weil die Ärzte sagen, dass diese Krankheit ansteckend sei und mein Neffe sie sich womöglich auch zuziehen könnte« (Karl bekam die Pocken trotzdem und wurde von der schmerzhaften und gefährlichen Krankheit über einen Monat lang außer Gefecht gesetzt).51

      Von der Erziehung ihres Neffen war Margarete nicht gleichermaßen besessen, wie es scheint. Was wir von Karls frühen Lese- und Schreibfähigkeiten erfahren, deutet auf einen überaus langsamen Lerner hin. »Im Alter von sieben Jahren«, berichtet zwar ein Angehöriger des Hofes, »war [Karl] begierig zu lernen und wollte lateinische Briefe verstehen«, aber ein aus dem Jahr 1508 erhaltener Brief in spanischer Sprache enthält gerade einmal zwölf Worte von Karls eigener Hand, dazu seine Signatur als Prinz von Kastilien. Ein anderer, französischsprachiger Brief endet gar nur mit drei Worten in Karls Handschrift, gefolgt von seiner Unterschrift als Herzog von Burgund. Und in beiden Fällen malte Karl – nun immerhin acht Jahre alt – jeden einzelnen Buchstaben eher, als dass er ihn schrieb, und ließ die Wörter ohne Zwischenraum ineinander übergehen (Abb. 3).52

      Karls Handschrift sollte zeitlebens dürftig bleiben. Als seine Schwester Maria 1532 einen Satz handschriftlicher Anweisungen von Karl erhielt, beschwerte sie sich, dass »mit Verlaub ein oder zwei Wörter so schlecht geschrieben waren, dass ich sie nicht lesen konnte, und ich weiß nicht, ob ich sie richtig erraten habe«. Auch die Beschreibung, die eine Historikerin unserer Tage von der Handschrift Eleonores, der älteren Schwester von Karl und Maria, gegeben hat, wird jedem auf eine deprimierende Weise bekannt vorkommen, der schon einmal mit der »Schönschrift« des späteren Kaisers zu kämpfen hatte. Selbst als Erwachsene fügte Eleonore – die von denselben Lehrern unterrichtet worden war wie Karl: Anchieta und Cabeza de Vaca – nämlich

      »regelmäßig … so viele Buchstaben eines einzelnen Wortes (ja selbst von mehreren Wörtern in Folge) ohne Unterbrechung aneinander, wie es nur ging – so als ob sie versuchen wollte, möglichst viele Schriftzeichen zu Papier zu bringen, ohne dabei ihre Hand vom Blatt zu heben. Sie zögerte auch nie, gestrichene Wörter stehenzulassen oder jede nur denkbare Abkürzung zu verwenden … Satzzeichen hingegen gebrauchte sie so gut wie nie, wenn sie auch manchmal das Ende eines Satzes durch einen Schrägstrich markierte … Sie zog die Effizienz der Lesbarkeit vor.«53

      Karl und seine Schwestern kamen in Mecheln gleichwohl mit zahlreichen gebildeten Männern und Frauen sowie deren Werken in Berührung. So verzeichnen die Rechnungsbücher des Generalschatzmeisters der Niederlande für den Oktober 1504 eine Zahlung in Höhe von 10 Gulden »an Bruder Erasmus aus Rotterdam, Augustinermönch, als eine einmalige, wohltätige Spende von meinem Herrn, um ihn bei seinem Studium an der Universität in Löwen zu unterstützen«. Hierbei handelte es sich mit ziemlicher Sicherheit um eine Belohnung für Erasmus’ im vorangegangenen Januar bei Hof vorgetragenen Panegyricus ad Philippum Austriae Ducem (»Lobrede auf Erzherzog Philipp von Österreich«), worin er Philipps »Reise nach Spanien und seine erfolgreiche Heimkehr« gepriesen hatte. Erasmus behauptete, er sei damals auch eingeladen worden, als Karls Privatlehrer bei Hof zu bleiben, habe jedoch abgelehnt. Dennoch widmete er zwei seiner Bücher dem Prinzen und korrespondierte regelmäßig mit Ministern und anderen Mitgliedern der Hofgesellschaft.54 Auch Musiker, bildende Künstler und Kunsthandwerker durften auf die Unterstützung des Hofes hoffen. Im Jahr 1504 ließ Karls Vater 15 Gulden an einen Buchbinder auszahlen, der »hölzerne Einbände für fünf große Bücher gefertigt und mehrere andere Stücke repariert und neu vergoldet« hatte, und 36 Gulden an einen gewissen »Jeronymus van Aeken, genannt Bosch«, für »ein sehr großes Gemälde, neun Fuß hoch und elf Fuß breit, welches das Jüngste Gericht darstellen wird, will sagen Himmel und Hölle, und das mein Herr ihm zu malen aufgetragen hat«. Im Jahr darauf zahlte Philipp 23 Gulden an »einen Mann, der ein merkwürdiges spanisches Instrument spielte, und an ein junges Mädchen aus der Lombardei«, das »mehrere Lieder für ihn spielte und akrobatische Kunststücke vorführte, während er speiste«, sowie 25 Gulden an einen Maler, der ihm »das Bild einer nackten Dame« übergeben hatte – Summen, deren Höhe die Zahlung jener 10 Gulden an Erasmus von Rotterdam zumindest ein wenig relativiert.55

      Ein Prinz auf Freiersfüßen

      Kurz vor seinem achten Geburtstag legte Karl das Eheversprechen ab – und das nicht zum ersten Mal. Schon 1501 hatten Gesandte seines Vaters einen Vertrag unterzeichnet, durch den Karl mit Claude verheiratet wurde, der älteren Tochter Ludwigs XII. von Frankreich. Aber obwohl er die Vereinbarung noch bei drei weiteren Gelegenheiten bestätigte, hatte Ludwig wohl nicht vor, sie auch einzuhalten – hatte er die Hand seiner Tochter doch schon seinem mutmaßlichen Erben und Thronfolger Franz versprochen, dem Herzog von Angoulême. Sobald dieser Täuschungsversuch allgemein bekannt wurde, eröffnete Maximilian (in seiner Eigenschaft als Vormund und Erziehungsberechtigter seines Enkels) Verhandlungen über eine Heirat Karls mit Mary Tudor, einer Tochter des englischen Königs Heinrichs VII. Im Dezember 1507 reiste Bergen als Karls Stellvertreter nach England und steckte der Prinzessin einen Ring an den Finger, woraufhin das Paar sich die Ehe versprach. Gleichsam mit stolzgeschwellter Brust verkündete eine englische Flugschrift, dies sei nun »das edelste Bündnis und die größte Ehe der ganzen Christenheit, wenn man bedenkt, welch zahlreiche und vielfältige Länder und Gegenden der junge Prinz … einst erben wird«. Karl unterschrieb geradezu devote Briefe an »die Prinzessin von Kastilien« (wie Mary bald allgemein genannt wurde), die er als »Euer ergebener Gatte« grüßte (siehe Abb. 3). Das Rechtsdokument, mit dem eine eigene Haushaltung für Karls Schwestern eingerichtet wurde, wies deren Kämmerer an, auch »unsere über alles geliebte Braut, Mary von England«, bei der finanziellen Planung zu berücksichtigen.56

      Obgleich


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