Übergewicht und Krebs. Prof. Dr. Hermann Delbrück

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Übergewicht und Krebs - Prof. Dr. Hermann Delbrück


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auf zwei Darmvorsorge-Spiegelungen. Ergibt die erste Untersuchung keinen krankhaften Befund oder werden hier lediglich Adenome mit niedrigem bzw. mittlerem Risiko entfernt, so ist eine weitere Untersuchung erst in zehn Jahren notwendig. Relevante Befunde (2,8 %) sind in der Zwischenzeit nämlich bei Menschen ohne erhöhtes Erkrankungsrisiko relativ selten. Nur bei einer Entfernung von Adenomen mit hohem Risiko (größere Adenome oder Adenome mit erheblichen Zellveränderungen) oder in besonderen Risikofällen wie z. B. bei einer familiären Vorbelastung bzw. starkem Übergewicht) wird zu einer vorzeitigen Folgeuntersuchung geraten (Cross et al 2020).

      Die Vorsorge-Koloskopie bietet mehr Sicherheit als Stuhltests, obwohl sich deren Spezifität und Sensitivität mit der Einführung immunologischer Stuhltests (FITs) verbessert haben. Es ist bemerkenswert, dass Stuhltests – trotz ihrer geringen Empfindlichkeit sowie der vielen falsch negativen und falsch positiven Befunde, mit entsprechend teuren Folgekosten – weiterhin im Rahmen der gesetzlichen Krebsvorsorge-Früherkennung empfohlen werden. Endoskopische Untersuchungen sind wesentlich aussagekräftiger. Allerdings ist die Sigmoidoskopie auch nur beschränkt aussagekräftig, da bei ihr nur ein begrenzter Teil des krebsgefährdeten Dickdarms eingesehen wird. Die endoskopische Koloskopie des gesamten Dick- und Enddarms ist eindeutig der Goldstandard in der Darmkrebsvorsorge-Früherkennung. Aufgrund ihrer geringen Spezifität und der Strahlenbelastung kommt die virtuelle Koloskopie nur in Ausnahmefällen in Frage.

       Ein genetisches Risiko für Darmkrebs muss in Betracht gezogen werden, wenn mehr als zwei Verwandte ersten Grades daran erkrankt waren (sind) bzw. mehr als ein Verwandter bis zum Alter von < 50 Jahren an einem Darmkarzinom litt (leidet). Bei multiplem Polypenbefall sollten die direkten Angehörigen des Betroffenen ebenfalls Genuntersuchungen in Erwägung ziehen, um die Anlage für eine familiäre adenomatöse Polypose (FAP) auszuschließen. Werden FAP-Gene festgestellt, müssen die Betroffenen sich alle ein bis zwei Jahre einer endoskopischen Untersuchung unterziehen.

       Asymptomatische HNPCC-Träger sollten alle zwei Jahre eine Vorsorgekoloskopie in Erwägung ziehen. Trägern von MCH1- und MsH2-Mutationen wird eine solche ab dem 25. Lebensjahr empfohlen, Trägern von MSH5- und PMS2-Mutationen ab dem 35. Lebensjahr.

       Da Männer früher und häufiger als Frauen an Darmkrebs erkranken, genehmigen ihnen die Krankenkassen die erste Vorsorge-Darmspiegelung bereits mit 50 Jahren, den Frauen hingegen erst ab dem 55. Lebensjahr. Da korpulente und gleichzeitig bewegungsarme Frauen ebenfalls stärker gefährdet sind, sollte bei ihnen die erste Vorsorge-Koloskopie auch vor dem 50. Lebensjahr durchgeführt werden. Dies bedarf allerdings der Genehmigung der gesetzlichen Krankenkasse. Personen mit einem erhöhten Risiko wird empfohlen, mit ihrem Arzt die individuelle Gefährdung zu besprechen und – daran angepasst - den Zeitpunkt und die Intervalle bei den Vorsorge-Vorbeugemaßnahmen anzupassen.

      Neue Forschungsergebnisse zeigen weitreichende Geschlechterunterschiede beim kolorektalen Karzinom. Dabei gibt es nicht allein Unterschiede bei der Wirkung von Chemo- und Immuntherapien, sondern auch bei der Erkrankungshäufigkeit und dem Erkrankungsalter. Da Frauen später als Männer erkrankten, müsse der Vorsorgezeitraum für Frauen über das 75. Lebensjahr hinaus verlängert werden, fordern Experten.

       Schilddrüsenkarzinom

      Stark Übergewichtige haben ein höheres Risiko für einen papillären, follikulären oder anaplastischen Gewebetyp – nicht aber für ein medulläres Schilddrüsenkarzinom. Die Tumore sollen aggressiver verlaufen als bei schlanken Frauen: RR = 1,25 bis 1,5 (Harari, A et al 2012, Echmid et al 2015). Metaanalysen, die das Krebsrisiko bei adipösen und normalgewichtigen Frauen verglichen haben, zeigen einen Häufigkeitsunterschied von 29 % (Behrens et al 2018).

      Kommentar und Empfehlungen: Es bleibt unklar, ob das erhöhte Krebsrisiko durch die Adipositas selbst bedingt ist oder ob die erschwerten Untersuchungsbedingungen an der späten Krebserkennung – und damit schlechteren Prognose – schuld sind.

       Ein hoher Prozentsatz der Tumore ist latent und bereitet keine Beschwerden. Einige Autoren behaupten, bei über 70 % der entdeckten Karzinome handle es sich um Überdiagnosen.

       Eine Bestrahlung des Halsbereichs erhöht das Erkrankungsrisiko für ein papilläres Schilddrüsenkarzinom. Kinder reagieren dabei um ein Vielfaches empfindlicher als Erwachsene.

       Brustkrebs

      Gesicherte, wahrscheinliche und vermutete Risiken für Brustkrebs – im Vergleich zur Normalbevölkerung

familiäre Belastung (für Krebs vor den Wechseljahren)(gesichert)
erbliche Belastung (BRCA1 und BRCA2-Gene)(gesichert)
Eierstockkrebserkrankung(gesichert)
Lynch-Syndrom(gesichert)
Dichter Drüsenkörper(gesichert)
Vorhergehende Krebserkrankung in der anderen Brust, an den Eierstöcken, in der Gebärmutter oder im Darm(gesichert)
Diabetes Typ 2(gesichert)
Ausgeprägte Mastopathie Grad III(gesichert)
Frühe erste Regelblutung (< 11 Jahre) (vermutet für Krebs nach den Wechseljahren)
Spätes Einsetzen der Wechseljahre (> 54 Jahre)(vermutet)
Spätgebärend (erstes Kind > 30 Jahre) (für Krebs nach den Wechseljahren) (gesichert)
Kinderlosigkeit (für Krebs nach den Wechseljahren(gesichert)
Frühes Abstillen, kurze Stilldauer (für Krebs vor und nach den Wechseljahren wahrscheinlich)
Hormonersatztherapie (für Östrogene und Progesteron) (für Krebs nach den Wechseljahren.(gesichert).
Verhütung mit der Pille (für Krebs vor den Wechseljahren vermutet)
Starkes Übergewicht (für hormonempfindlichen Krebs nach den Wechseljahren (gesichert)
Starkes Übergewicht (für Hormonrezeptor negativ bzw. tripel negativen Krebs vor den Wechseljahren(gesichert)
Bewegungsmangel (für Krebs nach den Wechseljahren gesichert, vorher wahrscheinlich)
Ernährung, die reich an tierischen Fetten ist (für Krebs nach den Wechseljahren vermutet)
Alkoholkonsum, (für Krebs nach den Wechseljahren gesichert, vorher wahrscheinlich)
Tabakkonsum (für Krebs vor den Wechseljahren wahrscheinlich)
Strahleneinwirkung in der Jugend (z. B. Mammographien, häufige Röntgen-Lungenaufnahmen, Bestrahlung in Kombination mit Chemotherapie (Anthracycline) der Brustregion, angeborene Herzfehler) (gesichert)
Nachtschichtarbeit(vermutet)

      Die Ergebnisse vieler retrospektiver Studien sprechen für einen krebsfördernden Einfluss von Übergewicht. Bei stark übergewichtigen Frauen (BMI > 30) ist das Erkrankungsrisiko (nach den Wechseljahren) um etwa 20 bis 30 % höher als bei gleichaltrigen, normalgewichtigen Frauen (Neuhauser 2015, Sparano et al 2012, Van Gils et al 2005, Behrens et al 2018). Vor den Wechseljahren ist der Einfluss weniger eindeutig. Ja, es gibt sogar Studien, die von einem Schutzfaktor für hormonempfindliche Tumore (Rezeptor-positive Tumore) bei Übergewicht ausgehen (RR = 0,8 (Anderson et al 2015).

      Laut Untersuchungen der Epidemiologen des Deutsches Krebsforschungszentrum waren 9 % aller Brustkrebspatientinnen (nach den Wechseljahren) zehn Jahre vor Ausbruch der Krebserkrankung übergewichtig (Behrens et al 2018). Während und nach der Erkrankung nehmen etwa 60 % der Erkrankten noch mehr an Gewicht zu. Die Rate der Übergewichtigen steigt von 48 % auf 67 % (Ee, C et al 2020)

      Als gesichert gilt, dass nicht nur die Krebsentstehung, sondern auch der Krankheitsverlauf durch Übergewicht negativ beeinflusst wird. „Entzündliche“ (inflammatorische) und Rezeptor-negative Tumore sind häufiger. Sie sprechen schlechter auf die Therapie an (James et al 2009, Monninkhof et al 2007, Siegmund-Schultze 2009, Baer et al 2010, Hauner et al 2011, Chan et al 2014).

      In den letzten Jahren wurden zahlreiche genetische Risikofaktoren für Brustkrebs identifiziert.


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