Einführung in die germanistische Linguistik. Karin Pittner

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Einführung in die germanistische Linguistik - Karin Pittner


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      Opposition

      Zeichen, die in einer paradigmatischen Austauschbeziehung zueinander stehen, stehen in einer Opposition. In unseren Satzbeispielen sind das a) ein und der, b) Einbrecher, Dieb und Mörder, c) wird und ist sowie d) verhaftet und gefasst. Die Beziehung der Opposition gibt es nicht nur zwischen Wörtern, sondern auch auf anderen sprachlichen Ebenen. In den Wörtern mein und dein beispielsweise stehen die Anlautkonsonanten in Opposition zueinander.

      Klassifizierung und Segmentierung

      Zu den Methoden der strukturalistischen Sprachanalyse gehören die Segmentierung und die Klassifizierung. Unter Segmentierung versteht man die Isolierung kleinster sprachlicher Einheiten, also z.B. die Zerlegung eines Wortes in einzelne Laute. Die Klassifizierung ist die Zuordnung der Einheiten zu Klassen aufgrund gemeinsamer Eigenschaften. So lassen sich z.B. alle Wörter, die an die Stelle von Dieb treten können, als Substantive klassifizieren.

      Synchronie vs. Diachronie

      Ein wichtiger Aspekt, den de Saussure in die Sprachwissenschaft eingeführt hat, ist die Unterscheidung zwischen Synchronie und Diachronie. Synchron ist die Beschreibung des Zustands einer Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt (gr. syn ‚zusammen, gemeinsam‘, chronos ‚Zeit‘). Eine diachrone Betrachtung (gr. dia ‚verschieden‘) beschreibt die Sprache in ihrer geschichtlichen Entwicklung, sie vergleicht verschiedene Sprachstufen miteinander. De Saussure gibt der Analyse unter streng synchronischem Aspekt den Vorrang. Er verdeutlicht die synchrone Betrachtungsweise anhand eines Vergleichs mit einem Schachspiel. In einer Schachpartie kann man jeden Zustand auf dem Brett beschreiben, ohne zu wissen, wie er zustande gekommen ist.

      Seine Befürwortung einer synchronen Betrachtungsweise kann als Reaktion auf die bis dahin übliche Wissenschaftstradition gesehen werden, die sich allein mit der Beschreibung des geschichtlichen Wandels der Sprache beschäftigte. Inzwischen hat sich die diachrone Betrachtungsweise ihren Platz zurückerobert. Diachrone Untersuchungen basieren jedoch heute meist auf genauen Beschreibungen verschiedener synchroner Sprachzustände.

      De Saussure gibt dem gesprochenen Wort den Vorrang. Während sich die Linguistik im 19. Jahrhundert fast ausschließlich auf die geschriebene Sprache bezieht, hält de Saussure die gesprochene Sprache für vorrangig und sieht die Rolle der Schrift lediglich darin, gesprochene Sprache zu repräsentieren.

      deskriptiv vs. präskriptiv

      Eine weitere wichtige Unterscheidung, die auf ihn zurückgeht, ist die Unterscheidung zwischen einer präskriptiven und einer deskriptiven Betrachtungsweise. De Saussure sieht die Aufgabe des Sprachwissenschaftlers nicht darin, festzulegen, was richtig oder falsch ist oder was als guter Stil zu gelten hat, wie das bei einer präskriptiven (lat. prae-scribere ‚vorschreiben‘) oder normativen Grammatik der Fall ist. Vielmehr soll die Sprachwissenschaft wertfrei die unterschiedlichen Formen des Sprachgebrauchs beschreiben (lat. de-scribere ‚beschreiben‘).

      Funktionalismus

      De Saussure hat eine Reihe von linguistischen Schulen entscheidend beeinflusst, von denen hier nur einige erwähnt werden können. Die sog. Prager Schule arbeitete in den 1920er Jahren strukturalistische Sprachanalyse zunächst vor allem in der Phonologie aus. Darüber hinaus wurde jedoch neben der Struktur der Sprache auch stärker ihre Funktion als Kommunikationsmittel in konkreten Äußerungen einbezogen, weswegen diese Richtung auch als Funktionalismus bezeichnet wird.

      Funktionen der Sprache

      Die Funktionen von Sprache hat Karl Bühler (1934) in dem sog. Organon-Modell (griech. organon ‚Werkzeug‘) dargestellt. Das sprachliche Zeichen ist „Symptom“, es dient zum Ausdruck von Gedanken und Gefühlen des Senders (Ausdrucksfunktion der Sprache). Es ist „Signal“, richtet einen Appell an den Empfänger (Appellfunktion der Sprache) und es ist „Symbol“, da es sich auf Gegenstände und Sachverhalte in der Welt bezieht (Darstellungsfunktion der Sprache).

      Abb. 2 Das Organon-Modell (aus: K. Bühler 1934/1999, S. 28)

      Generative Grammatik

      In einem weiteren Sinn können alle Richtungen der Sprachwissenschaft als strukturalistisch gelten, die die Sprache als System in den Blick nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch eine weitere seit der Mitte des letzten Jahrhunderts sehr einflussreiche Richtung dazu gerechnet werden, die sog. generative Grammatik, deren prominentester Vertreter Noam Chomsky (*1928) ist.

      Kompetenz vs. Performanz

      Chomsky unterscheidet die Kompetenz der Sprecher/innen von der Performanz, der konkreten Verwendung von Sprache. Sprecher/innen einer Sprache können aufgrund ihrer Sprachkompetenz Wörter und Sätze bilden, die sie vorher noch nie gehört haben. Die generative Grammatik (generativ heißt „erzeugend“) will diese Fähigkeit abbilden, sie stellt Regeln auf, mit deren Hilfe Wörter und Sätze gebildet werden können. Die generative Grammatik setzt sich zum Ziel, diejenigen Regeln zu formulieren, über die kompetente Sprecher/innen einer Sprache verfügen. Dabei wird angenommen, dass im Spracherwerb bestimmte angeborene grammatische Prinzipien (die Universalgrammatik) zum Tragen kommen, die allen Sprachen gemeinsam sein müssen und im menschlichen Genom verankert sind.

       1.2.1 Der deutsche Sprachraum

      Verbreitung

      Deutsch ist Muttersprache von ca. 90 Millionen Sprechern und Sprecherinnen. Es ist Amtssprache in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg (neben anderen) sowie in Teilen der Schweiz, Italiens (Südtirol) und in Ostbelgien. In verschiedenen Staaten gibt es deutschsprachige Minderheiten, z.B. in Rumänien, Ungarn, Brasilien, Namibia und in den USA.

      Abb. 3 Das Verbreitungsgebiet von Deutsch als Amtssprache (aus Ammon 1995:13)

      Sprachfamilie

      Der historischen Sprachwissenschaft im 18. und 19. Jahrhundert verdanken wir Kenntnisse über die Verwandtschaft und die Abstammungsverhältnisse zwischen Sprachen.

      William Jones wies 1786 auf Übereinstimmungen zwischen Wörtern in Sanskrit (Altindisch) Griechisch und Latein hin, die ihn zu der Hypothese führten, dass diese Sprachen miteinander verwandt sind und auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden können. Dem deutschen Sprachwissenschaftler Franz Bopp gelang der Nachweis der genetischen Verwandtschaft dieser und einer Reihe von anderen Sprachen, die als indogermanische oder indoeuropäische Sprachen bezeichnet werden.

      indogermanische Sprachen

      Die zur Gruppe der indogermanischen Sprachen gehörenden Einzelsprachen stehen in unterschiedlich engen verwandtschaftlichen Beziehungen, so dass man die indogermanischen Sprachen in verschiedene Sprachfamilien unterteilen kann. Da der Verwandtschaftsgrad zwischen diesen häufig umstritten ist, werden sie im Folgenden einfach alphabetisch aufgelistet:

      – Albanisch

      – Anatolisch: Zu dieser Gruppe gehören verschiedene ausgestorbene antike Sprachen, die seit ca. 2000 v. Chr. in der heutigen Türkei und Syrien gesprochen wurden, wie Hethitisch, Lydisch, Lykisch u.a.

      – Armenisch

      – Baltisch: Litauisch, Lettisch u. a.

      – Germanisch: s.u.

      – Griechisch

      – Indo-Arisch: Diese Gruppe umfasst zahlreiche Sprachen, die überwiegend im Norden und in der Mitte des indischen Subkontinents gesprochen werden oder wurden, wie Hindi,


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