Die Giftmischerin. Bettina Szrama

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Die Giftmischerin - Bettina Szrama


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legte sie den Kopf etwas in den Nacken und suchte amüsiert seine Augen. Doch der Blick, der sie aus den tiefbraunen Augen traf, verwirrte sie. Verdrossen über die verräterische Röte in ihrem Gesicht, versuchte sie, mit äußerlicher Gelassenheit das Klopfen in der Brust zu beruhigen. Sie lächelte höflich hinter halb geschlossenen Lidern, während er ihre Hand an seine Lippen zog. Ein weiterer Blick aus den geheimnisvollen Augen ließ sie erschauern und ihre Knie weich werden, so weich, dass sie sich an Miltenbergs Arm stützen musste.

      »Übrigens, meine Liebe, darf ich dir hiermit meinen neuen Geschäftsfreund Herrn Gottfried vorstellen? Er wohnt schon seit längerer Zeit unserem Haus gegenüber«, hörte sie Miltenberg sagen und schickte heimlich ein Dankesgebet zum Himmel. Als Herr Gottfried Miltenberg darauf antwortete: »Du gestattest mir doch, beim Bankett neben diesem bezaubernden Geschöpf zu sitzen, Gerhard?«, vergaß sie Miltenberg und die gerade noch durchlebten Ängste. Ja, selbst die Angst vor dem heranwachsenden Kind wurde plötzlich zur Nebensächlichkeit.

      »Es wird mir eine Ehre sein, mein Herr, Sie an meiner Seite zu wissen«, antwortete sie artig und plauderte rasch weiter, in der Furcht, sie könnte sonst seine Aufmerksamkeit verlieren. »Darf ich so vermessen fragen, welchem Broterwerb der Herr nachgeht?«

      Gottfried suchte belustigt ihre Augen und dachte: Sie ist hübsch. Sie ist wunderschön. So müssen Elfen aussehen. Mit einem Seitenblick auf Miltenberg antwortete er: »Sieht man mir das nicht an, Madame?«

      Gesche verneinte und schielte heimlich, erneut bis unter die Haarspitzen errötend, zu der über dem Hinterteil straff sitzenden Hose und den wohlgeformten Waden. Unauffällig wanderte ihr Blick weiter zu dem eng sitzenden zweireihig geknöpften Rock, der sich über einer breiten Brust spannte und einen kräftigen, gesunden Körper erahnen ließ, bis hinauf zu dem Halstuch, welches das energische, etwas vorstehende Kinn umschloss. Gehalten wurde es von einer Brosche aus grünlich schimmerndem Topas, die er mit einer sicheren Handbewegung vom Tuch löste und ihr galant an das Mieder steckte, als er ihre Bewunderung für das schöne Stück bemerkte.

      »Eine schöne Frau sollte sich immer mit Verehrern und Brillanten schmücken. Davon kann es nie genug geben«, lächelte er charmant und ließ Gesche dabei nicht aus den Augen.

      »Nehmt es als Geschenk von einem weiteren Bewunderer Eurer Schönheit«, schmeichelte er und zog ihre Hand erneut an seine Lippen. »Aber ich handele nicht mit Diamanten, Madame, sondern mit edlen Weinsorten, der köstlichsten Freude eines Mannes neben der Schönheit eines Weibes.«

      »Gottfried ist Weinreisender und kommt viel in der Welt umher. Er kann dir noch eine Menge erzählen. Aber das wird er jetzt an der Tafel tun. Ich verspüre nämlich einen Bärenhunger«, unterbrach Miltenberg sein Gespräch mit dem Senator und reichte Gesche auffordernd den Arm, als Walzerklänge erklangen.

      Doch Gottfried kam ihm zuvor.

      »Gestatte mir, diesen Tanz der schönsten Frau auf diesem Ball zu widmen. Ich weiß, wie gern Frauen Walzer tanzen, besonders wenn es sich dabei um den begehrten Luisenwalzer handelt.«

      Erwartungsvoll hing Gesche an Miltenbergs Lippen. Und Miltenberg parierte geschickt, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Er gab sich gönnerhaft. »Tu, was du nicht lassen kannst, alter Charmeur, ich weiß, dass die Damen an deiner Seite wie Zucker dahinschmelzen, wenn du mit ihnen über die Tanzfläche schwebst. Das Glück meiner Gattin liegt mir so sehr am Herzen, dass ich sie ohne Argwohn in deine Hände gebe. Tanze ordentlich mit ihr. Ich werde mir, während sie in deinem Arm schwebt, die Zeit schon nicht lang werden lassen.«

      Köstlicher Bratenduft durchzog den Saal, Geschirr klapperte und Gläser klirrten. Während die einen sich lautstark an der mit den edelsten Speisen gedeckten Tafel gütlich taten, schwebten die jungen Paare zu berauschenden Walzerklängen über das Parkett. Gesche hatte weder einen Blick für den Gatten, noch interessierten sie die mahnenden Blicke der Mutter. Eng an ihren Tänzer geschmiegt, entschwebte sie ohne Bedenken der lärmenden Festlichkeit. Sie hatte nur noch Blicke für Gottfried und konnte sich an ihm nicht sattsehen. Immer wieder tauchte sie in den unergründlichen Glanz seiner Augen hinein, wenn er ihren weichen, biegsamen Körper mit einem verführerischen Lächeln fest an sich presste und seine Hand ihre Taille über Gebühr verbog. Sie spürte den festen Griff der Finger, die wie aus Versehen manchmal etwas zu weit an ihrem Rock hinabglitten, und hielt ihm sehnsüchtig die Lippen zum Kuss hin. Ohne dass sie es zu verhindern vermochte, versank der Saal um sie herum in einem nicht endenden Liebeszauber. Doch den wachsamen Augen Margarethes entging nichts von dem sündigen Treiben der Tochter. Noch vor Kurzem mit der Frau des Klavierlehrers in ein angeregtes Gespräch vertieft, vermochte sie dem Redeschwall nur noch zerstreut zu folgen, bis sie gar nicht mehr hinhörte. Wie der Blick einer wachsamen Glucke verfolgte sie jede Bewegung der Tochter. Als die Klavierlehrerin in ihrem Taftkleid raschelnd davonrauschte, erhob sie sich entschlossen vom Tisch. Ärgerlich schob sie den Stuhl so heftig zur Seite, dass die Austernsuppe vor ihr über den Tellerrand schwappte und das Lammfilet vom Brett mit den Spargelspitzen ihr vor die Füße fiel. Aber ungeachtet dessen stürmte sie auf die Tanzfläche, gerade als Gottfried Gesche besonders auffällig an sich presste, und trat warnend mit den Worten zu ihrer Tochter: »Ich glaube, dein Mann ist unzufrieden mit dir. Du gefährdest deinen guten Ruf. Führst dich auf wie eine Dirne. Einfach skandalös.«

      Doch die befürchtete Auseinandersetzung blieb aus. Miltenberg hatte sehr wohl seine Frau und Gottfried im Auge behalten, und lediglich das Übermaß des zu reichlich genossenen Weines trug die Schuld daran, dass er sich zur Tanzfläche begab.

      Mit unsicherem Gang, den er hinter einer übertriebenen Steifheit verbarg, torkelte er auf die Gruppe Neugieriger zu, die sich um Gesche und ihre Mutter gebildet hatte. Auf den Gesichtern ein verstecktes schadenfrohes Grinsen, rückte die Gruppe auseinander und ließ ihn durch. Der reichlich genossene Alkohol hing wie Blei in seinen Beinen und behinderte ihn beim Gehen. Er stolperte und stürzte unbeholfen auf Gottfried zu. Scherzhaft drohte er ihm mit dem Finger: »Mein Freund, ich muss mit ansehen, wie du meine Frau vor den Lästermäulern kompromittierst. Madame ist mein Weib und eine Dame.«

      Schwankend und mit einem blöden Blick, sah er auf Gesche herab, die unter der Schminke erbleichte. Es schien, als versuchte er, sich zu erinnern. Doch dann grinste er Margarethe in das verblüffte Gesicht, verbeugte sich linkisch vor ihr bis zum Boden, was zur allgemeinen Erheiterung im Saal beitrug, und lallte: »Aber Madame Timm. Ihr hier auf der Tanzfläche allein ohne Euren Gatten?« Im gleichen Augenblick suchte er Halt und umfasste tollpatschig Gesches Hüfte. Am Druck seiner Hände spürte Gesche, dass er nicht so betrunken war, wie er vorgab, und hinter der Maske des Trunkenboldes lediglich seine Unsicherheit verbarg.

      »Aber wir werden uns den Nachhauseweg nicht verderben lassen, Madame«, grinste er und zog Gesche mit dem Recht des Ehemannes an seine Seite. Zu Gottfried gewandt, sagte er: »Mein Freund, du hast doch sicher noch eine Flasche von dem köstlichen Wein aus dem Elsass in deinem Haus. Wie hieß er doch gleich …?« Als spüre er bereits den köstlichen Tropfen auf der Zunge, verzog er genüsslich das Gesicht und verdrehte die Augen.

      Ohne Margarethe und die anderen belustigten Paare noch eines Blickes zu würdigen, drehte er ihnen den Rücken zu, reichte Gottfried den freien Arm und schwankte, ganz in brüderlicher Herzlichkeit, den Freund links untergehakt und Gesche rechts, dem Ausgang zu.

      Am nächsten Morgen eilte Vater Timm zu seiner Tochter, um ihr die heftigsten Vorwürfe zu machen. Selbst in den Tagen ihrer Kindheit hatte Gesche ihn noch nie so zornig erlebt. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, seinen Zylinder aufzusetzen. Ohne einen Morgengruß, in dunkler Weste, mit speckigen eingetrockneten Flecken auf den Aufschlägen, die losen Hemdsärmel hochgekrempelt, stürzte er, ohne sich anzumelden, durch die offene Tür und schimpfte laut: »Was soll ich nur von dir halten, meine Tochter. Dein gestriges Betragen auf dem Tanzboden ist ganz und gar nicht nach meinem Wunsch gewesen. Du hast deinen Ehemann gänzlich vernachlässigt! Hast dich viel lieber mit diesem Gottfried, diesem Hallodri, amüsiert. Solange ich lebe, gehst du mir nicht wieder in eine solche Gesellschaft. Eine Frau sollte ihren Mann nicht so behandeln, wie ich es gestern gesehen habe. Was habe ich mir da nur großgezogen? Was sollen nur die Leute von uns denken?«

      Die letzten Worte verklangen in einem hilflosen Stöhnen. Die Enttäuschung machte ihn


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