Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller

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Handlungsfelder des Bildungsmanagements - Ulrich  Muller


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Praxisbeispiele, die Kennzeichnung der Aufgaben von Führungskräften mit der Metapher „Navigieren im permanenten Wildwasser“ und eine systematische Begriffsklärung. Vor diesem Hintergrund soll nun im Folgenden eine Skizze zu einem Rahmenmodell für Bildungsmanagement entwickelt werden, das in gewisser Weise eine „mentale Landkarte für das Navigieren im permanenten Wildwasser“ bietet. Das Modell dient der Veranschaulichung der komplexen Umfeldbedingungen – des „Terrains“ – und der Zusammenhänge, die das Handeln der Akteure bestimmen. Es bietet einen Ordnungsrahmen, in dem Aufgaben, Fragen und Problemstellungen des Bildungsmanagements verortet werden können, und stellt eine Begrifflichkeit zur Verfügung als Grundlage für die Kommunikation in der Organisation.

      In Situationen wie jenen, in denen sich die Protagonisten unserer Praxisbeispiele, Frau Margraf und Herr Aigner, befinden (vgl. 2.1), soll das in diesem Text entwickelte Rahmenmodell Orientierungshilfe bieten. Das zentrale Anliegen ist es, Führungskräfte bei der Bewältigung ihrer komplexen Aufgaben zu unterstützen, indem das Modell ihnen eine Orientierung über ihren Handlungsrahmen bietet. Gleichermaßen bietet das Modell eine systematische Grundlage, um sich als Studierender das Themen- und Aufgabengebiet des Bildungsmanagements zu erschließen.

       3.1 Bildungsmanagement als didaktisches Handeln

      Anknüpfungspunkte für ein erziehungswissenschaftliches Verständnis von Managementprozessen in Bildungsorganisationen und von Bildungsprozessen finden sich bereits in dem von Flechsig/Haller in den 1970er Jahren entwickelten Konzept des didaktischen Handelns. Die Autoren unterscheiden didaktisches Handeln vom Unterrichten und bezeichnen mit diesem weiter gefassten Begriff alle Aktionen, die auf die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen bezogen sind. Nach diesem Verständnis ist nicht nur die Tätigkeit des Lehrers oder Ausbilders ein didaktisches Handeln, sondern auch die Arbeit des Kultusministers, der neue Lehrpläne entwickeln lässt, die Arbeit des Redakteurs, der eine Sendung im Bildungsfernsehen betreut, oder aber auch die Tätigkeit des Autodidakten, der sich entschließt, die Sendung im Fernsehen anzusehen und mit Kollegen zu diskutieren (Flechsig & Haller, 1975: 10 ff.). Didaktisches Handeln umfasst also Prozesse der unmittelbaren Einwirkung auf Lehr-Lernprozesse (wie z.B. Unterricht) und Prozesse der mittelbaren Einflussnahme durch die Gestaltung der Umfeld- bzw. Bedingungsfaktoren von Bildungsprozessen.

      Didaktisches Handeln geschieht auf unterschiedlichen Handlungsebenen. Wir wollen für die folgenden Überlegungen vier solcher Ebenen unterscheiden, die mit den Kurzbegriffen Bildungspolitik, Institution, Didaktik und Kommunikation bezeichnet werden sollen.7

      Auf der ersten Ebene, der „Bildungspolitik, werden die Rahmenbedingungen von Bildungsarbeit gestaltet, z.B. durch die Verabschiedung von Gesetzen, Verordnungen etc. Hier agieren in erster Linie (Bildungs-)Politiker und Verbandsfunktionäre.

      Auf der zweiten Ebene, der „Institution, geht es um die Leitung und Gestaltung der einzelnen Organisation, also z.B. einer Schule, Erwachsenenbildungseinrichtung oder dem Bildungswerk eines Wirtschaftsverbands. Hier werden v. a. die oberen Führungskräfte von Bildungsorganisationen, also Schulleiter, Volkshochschulleiter, Leiter Personalentwicklung etc.8, tätig.

      Auf der dritten Ebene, der „Didaktik, werden die im engeren Sinne didaktischen Prozesse geplant und organisiert: das Jahresprogramm einer Erwachsenenbildungseinrichtung, das Schulcurriculum, ein neues Qualifizierungsprogramm für Führungskräfte. Hier agieren Fachbereichsleiter in der Erwachsenenbildung, Fachgruppensprecher in der Schule, Teamleiter in der betrieblichen Bildung.

      Auf der vierten und letzten Ebene schließlich, der „Kommunikation, ist der eigentliche Lehr-/Lernprozess angesiedelt: die Durchführung des einzelnen Kurses in der Erwachsenenbildung, der Unterricht in einer Schulklasse, die Moderation und Leitung eines Workshops in einem Betrieb. Die Akteure auf dieser Handlungsebene sind Dozenten, Trainer, Moderatoren, Lehrer etc.

      Ausgehend von diesem Modell, wollen wir im Folgenden Bildungsmanagement als didaktisches Handeln verstehen, das vorwiegend auf den beiden Handlungsebenen Institution und Didaktik vollzogen wird9. Konzeptionell soll für diese beiden Handlungsebenen Bildungsmanagement in zwei spezifischen Handlungsformen entwickelt werden (vgl. Abbildung 2): Das Bildungsbetriebsmanagement (Handlungsebene Institution) zielt auf die Leitung einer Bildungsinstitution im Sinne einer betrieblichen Einheit (z.B. einer Schule, einer Volkshochschule oder eines betrieblichen Bildungswerks). Das Bildungsprozessmanagement (Handlungsebene Didaktik) bezieht sich auf die Entwicklung und Steuerung des Kernprozesses einer Bildungsorganisation, nämlich Bildungsangebote zu planen, anzubieten und durchzuführen und so Lernen zu initiieren, zu ermöglichen, zu organisieren und zu begleiten. Beide Handlungsformen erfolgen vor dem Hintergrund und unter den Bedingungen einer Welt im Wandel, wie es die Abbildung 3 andeutet.

       Abbildung 2: Bildungsmanagement als didaktisches Handeln

      Quelle: Müller, 2007: 108

       3.2 Ein allgemeines Managementmodell

      Im Hinblick auf die managementwissenschaftliche (bzw. betriebswirtschaftliche) Fundierung stellt sich zunächst die Frage, ob für das Bildungsmanagement ein neuer, spezieller Managementansatz entwickelt werden muss. Weber u.a. argumentieren z.B. mit den Besonderheiten von Weiterbildungsorganisationen für ein eigenständiges Führungsmodell für die Weiterbildung (Weber, Senn & Fischer, 2006: 7). Das im Folgenden dargestellte Rahmenmodell für Bildungsmanagement stützt sich dagegen im Wesentlichen auf einen allgemeinen Management-Ansatz: das „Neue St. Galler Management Modell“ (vgl. Rüegg-Stürm, 2004), auf dessen Grundlage auch ein umfassendes, fünf-bändiges Lehrwerk vorliegt (vgl. Dubs, Euler, Rüegg-Stürm & Wyss, 2009). Dieser Ansatz wird im Hinblick auf Leitungsaufgaben in Bildungseinrichtungen erweitert und spezifiziert.

      Das St. Galler Management Modell wurde und wird seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts an der Universität St. Gallen entwickelt und wird in seinen verschiedenen Varianten immer wieder als Referenzmodell für das Bildungsmanagement genutzt (vgl. Krüger, 2016: 170). Das im Folgenden verwendete „Neue St. Galler Management Modell“ stellt die dritte Generation dar und wurde bereits in Modellen für die Schule (vgl. Dubs, 2005 und Seitz & Capaul, 2007) und in sektoren-übergreifenden Modellen (vgl. Müller, 2007 und Seufert 2013) adaptiert10.

      Das neue St. Galler Management Modell basiert auf einem systemisch-konstruktivistischen Managementansatz, der in besonderer Weise anschlussfähig für eine erziehungswissenschaftliche Betrachtung von Managementprozessen erscheint. Die Autoren des Modells verstehen eine Unternehmung oder Organisation als ein komplexes System, das von einer Umwelt unterscheidbar ist. Das System selbst besteht aus einer Vielzahl von Systemelementen, zwischen denen wiederum vielfältige Beziehungen und Wechselwirkungen bestehen (Rüegg-Stürm, 2004: 17 ff.). Mithilfe des Managementmodells soll es möglich sein, in diese komplexe Struktur Ordnung zu bringen, logische Verbindungen und gewisse Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen und damit Orientierungen zu ermöglichen (ebd.: 13). Das Modell unterscheidet sechs zentrale Begriffskategorien: Umweltsphären, Anspruchsgruppen, Interaktionsthemen, Ordnungsmomente, Prozesse und Entwicklungsmodi (vgl. ebd.: 21). Die nachstehende Abbildung zeigt das Modell im Überblick.

       Abbildung 3: Das neue St. Galler Management-Modell

      Quelle: Rüegg-Stürm, 2004: 22

      Das Modell versteht unter Umweltsphären die wichtigsten Kontexte, in die eine Organisation eingebettet ist und unterscheidet dabei die vier Sphären Gesellschaft, Natur, Technologie und Wirtschaft.

      Als Anspruchsgruppen (oder Stakeholder) werden Menschen und Organisationen bezeichnet, die für die Organisation relevant sind oder die sie aus normativen Erwägungen für sich als relevant erklärt. Eine Organisation ist nicht aus Selbstzweck tätig, sondern erbringt ihre Leistungen in Interaktion mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen (Rüegg-Stürm, 2004: 29). Mit diesen Anspruchsgruppen steht die Unternehmung in vielfältigen


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