Der Bierzauberer. Günther Thömmes
Читать онлайн книгу.Für die Arbeit draußen gab es lange Mäntel aus haarigem Stoff mit Kapuze, die schützten sowohl gegen Kälte als auch gegen Sonne. Weiterhin erhielt er zwei Hemden, Strümpfe, Gamaschen und Pantoffeln und für den Winter ein Schaffell.
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Vorbei war ab jetzt die Zeit, in der ein Brautag ein außergewöhnliches Ereignis war. Die Brüder im Kloster waren durstig und Bier war ihr hauptsächlicher Durstlöscher. Dreimal in der Woche wurde hier gebraut und an den anderen Tagen musste Niklas sauber machen oder die Vorräte auffüllen.
Und als wäre dies alles nicht genug, wurde er zudem regelmäßig zur Aushilfe zu anderen Brüdern geschickt.
Unter anderem erfuhr er etwas über die verschiedenen Zeiten für die Aussaat von Getreide. Sein Vater hatte eigentlich Jahr für Jahr das gleiche Getreide angebaut und ein Drittel des Ackers immer brach liegen lassen. Hier lernte er, dass es sowohl Sommergetreide als auch Wintergetreide gab.
Im Frühjahr säte man aus, was als Pferdefutter und zur Bierherstellung verwendet wurde: Hafer und Gerste vor allem.
Und im Herbst säten die Brüder Roggen und Weizen, das waren die ›Brotsorten‹.
Nebenbei wurden kleinere Mengen Hirse und Emmer angebaut.
Die wenigen Male, die er mit draußen auf den Feldern war, dachte Niklas an zu Hause und er wurde etwas wehmütig. Aber das ging schnell vorbei.
Denn er hatte es gut getroffen. Bruder Thomas war ein erfahrener Brauer und zudem ein gemütvoller, demütiger Mensch. Er wurde selten wütend, sogar wenn Niklas einen groben Fehler machte. Gleichzeitig zeigte er Niklas eine ganze Menge Tricks und Kniffe, auf die er niemals von allein gekommen wäre.
Er kannte verschiedene einfache Handgriffe, mit denen man über einen Hebel einen Bottich in einen anderen ausleeren konnte, sodass es fast keine Arbeit war.
Er verwendete mehr verschiedene Kräuter als seine Mutter und wusste auch besser über deren Wirkungen Bescheid.
Zuweilen zeigte er ihm einige Kräuter etwas genauer und sagte Sachen wie:
»Dies wird Wermut genannt; wenn du es dem Bier beigibst, tötet es Würmer, vertreibt die Verstopfung, stärkt den Magen und bekämpft Gelbsucht und Wassersucht. Und schlafen kann man danach wie ein Bär im Winter.«
Thomas zerrieb ein Stück einer Rispe zwischen seinen Fingern und ließ Niklas daran riechen und schmecken. Der aromatische Geruch passte überhaupt nicht zu dem extrem bitteren Geschmack. Der Wermut brannte Niklas auf der Zunge und er wandte sich schaudernd ab.
Thomas lachte und sagte:
»Im Bier entfalten viele Kräuter ein anderes Aroma, als wenn du es direkt mit der Zunge schmeckst. Lass dich einmal überraschen.«
Zu jedem dieser Kräuter hatte er ein Sprüchlein parat, die Niklas teilweise von seiner Mutter her kannte.
»Wacholder zum Beispiel, das hängst du in einem Säcklein ins Bier, wenn es schon vergoren ist; er macht das Bier sehr gesund, vertreibt die Steine aus dem Körper und ist gut bei Leiden an Niere und Blase. Er wirkt auch gut wider Vergiftungen.«
Der würzig-süßliche Geruch erinnerte Niklas an daheim und er musste schlucken, weil ihn so etwas wie Heimweh überkam.
Thomas warnte ihn eindringlich davor, eine Zutat ohne weitere Prüfung zum Bier zu geben, nur weil sie vielleicht gut roch.
»Es gibt eine Menge Kräuter, welche die Sinne verwirren, den Rausch verstärken oder den Körper richtig vergiften. Also sei vorsichtig mit dem, was du zum Bier dazugibst! Wenn du lange genug bei mir bleibst, werde ich dir noch so einiges zeigen.«
Auch beim Essen erzählte er gerne über Kräuter und Pflanzen.
»Die Kräuter hingegen, die uns der Herrgott zum Essen geschenkt hat, wie Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Senf oder Petersilie, die lass in jedem Falle raus aus dem Bier! Es wäre eine Sünde, sie für einen anderen Zweck zu entfremden.«
Niklas beschloss bald, so schnell wie möglich alles über Kräuter und ihre guten und schlechten Wirkungen zu lernen.
Aber was wohl das Interessanteste am Brauen mit Bruder Thomas war: Hier wurden keine Laibe mehr gebacken, um den ›Bierteig‹ herzustellen. Bruder Thomas mischte das Getreide direkt mit dem Wasser. Es wurde nur vorher zerstoßen, in einem großen Mörser, den er nach einiger Übung zu bedienen lernte.
Als Niklas beim ersten Mal vorlaut anmerkte, das könnte nach seiner Erfahrung nicht funktionieren und sauer werden, da lachte sein Meister und sagte:
»Lassen wir es doch einfach darauf ankommen.«
Es klappte nicht nur vorzüglich, das Bier war sogar sehr viel besser als alles, was sich Niklas vorher hatte vorstellen können. Es war nicht mehr so trüb und matschig wie das Bier, das er von zu Hause her kannte. Im Vergleich zu diesem hier hatte das Bier seiner Mutter regelrecht erdig-muffig gerochen und geschmeckt.
Dunkelbraun, aromatisch-süß duftend, stand es hier im Bottich und roch einfach verlockend.
Obwohl das Aufreißen der Brotlaibe entfiel, lernte er, dass man als Brauer letzten Endes immer mit Hitze zu tun hat und deswegen gelegentlich verbrannt wird. Die heiße Maische lief ihm manchmal über die Hand oder die Hose; besonders beim Umfüllen von einem Bottich in den nächsten passierte dies häufig. Nach ein paar Monaten hatte Niklas Hornhaut und dicke Schwielen an den Händen. Eine Folge sowohl der Verbrennungen als auch der harten körperlichen Arbeit.
Im Lauf der ersten Wochen erkannte Niklas dann, dass das Getreide keine einfache Gerste war. Es sah aus wie Gerste, nur etwas dunkler, roch wie Gerste, jedoch war etwas anders.
Dann fiel ihm auf, dass der Zugang zum Getreideboden immer abgesperrt war. Was mochte dort Geheimnisvolles vorgehen? Auf sein Fragen und Drängen wich Bruder Thomas immer aus:
»Der Tag kommt noch früh genug, an dem ich dich darin einweihen werde.«
Wann dieser Tag kommen würde, darüber schwieg er sich aus.
So vergingen die ersten Monate und der erste Winter ging vorbei. Die Mönche tranken fleißig Bier und gelegentlich schaute einer von ihnen im Brauhaus vorbei und sprach ein Lob aus.
Das konnte allerdings daher rühren, dass das Bier zur Fastenzeit und zur Vorweihnachtszeit stärker eingebraut wurde, da im Kloster die Fastenregeln nur für feste Nahrung galten.
Thomas war auch hier nicht um Antwort verlegen:
»Eine der ältesten Regeln unseres Klosterlebens ist ›Liquida non frangunt ieuneum – Flüssiges bricht das Fasten nicht‹. Das hat uns Brauer immer beliebt gemacht.«
Und gefastet wurde viel im Kloster. Zu den regelmäßigen Fasttagen kamen noch außerordentliche Fastenzeiten hinzu, die vom Abt angekündigt wurden. Bestimmte Heiligentage oder ein Gedenken an einen Märtyrer. Niemand durfte bis nach der Messe essen oder trinken, Fleischgenuss war auf jeden Fall untersagt, auf den Feldern und in den Gärten durfte nicht gearbeitet werden.
Es gab harte Bußen für Vergehen gegen die Fastenregeln, die schlimmsten waren jahre- oder sogar lebenslange Abstinenz von aller Nahrung außer Wasser und Brot. Die Abstinenz von Bier aber wäre für die meisten Mönche am tragischsten gewesen. Daher schlug nur selten einer über die Stränge.
Thomas wusste, dass dies nicht überall so war.
»Aber glaube mir, draußen auf dem Land und in den Städten, sogar in anderen Klöstern, geht es in der Fastenzeit nicht so ruhig zu wie bei uns. Der Erzbischof und Kurfürst von Trier hat erst kürzlich verlautbaren lassen: ›Ist ein Priester so betrunken, dass er die Psalmen nur noch lallt, soll er zwölf Tage von Brot und Wasser leben. Ist ein Mönch so voll, dass er speit, soll er 30 Tage Buße tun. Ist ein Bischof so besoffen, dass er in die Hostie kotzt, muss er 90 Tage büßen.‹ Dieser Spruch hat schnell die Runde durch das ganze Reich gemacht. Und da ist etwas dran!«
In dieser Zeit geschah es zum ersten Mal, dass Niklas einen Krug zu viel trank. Sie hatten den ganzen