Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna Meare

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Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare


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da war, um ihr über die schockierende Veränderung ihres Vaters hinwegzuhelfen?

      So vergingen für beide qualvolle Minuten. Fabian fehlte die Kraft zum Trösten. Er hatte ja nur immer Bewunderung und Liebe, nie selbst Trost gebraucht. Woher sollte er wissen, was ein Mensch in der schwersten Stunde seines Lebens brauchte? Er sah immer nur sich selbst. Wäre Annalena in der Nähe gewesen, hätte er ihr sogar Vorwürfe gemacht. Warum hatte sie ihn in diese Situation gebracht, die ihn doch völlig überforderte?

      Claudias Atem bebte. Sie konnte ihn nicht länger anhalten. Und dann nahm sie die Arme vom Gesicht und sah ihn mit einem leeren Blick an.

      Fabian erschrak. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß dieser Blick nie wieder von kindlicher Unbekümmertheit und schalkhafter Lebensfreude erfüllt sein würde. Das brachte ihn zur Besinnung.

      »Papa«, flüsterte Claudia in diesem Moment mit tränenerstickter Stimme. »Ist Mama jetzt im Himmel?«

      Er zuckte zusammen. Was war denn das für eine Frage? Wie konnte Claudia daran zweifeln?

      »Ja, selbstverständlich ist sie im Himmel. Ganz gewiß.«

      »Und wenn nicht, wo ist sie dann?«

      Er räusperte sich. Eine schluchzende Claudia hätte er an sich ziehen könne, bist sie sich beruhigte. Aber wie sollte er ihre Fragen beantworten? Was ging nur in ihr vor?

      »Unsere Mama war die beste Frau und Mutter der Welt. Der liebe Gott wird sie mit offenen Armen in sein Reich aufgenommen haben.«

      Es vergingen einige Sekunden, in denen Claudia seine Worte auf sich wirken ließ. Sie erkannte, daß ihr Vater nichts wußte und nichts begriff. Unwillkürlich atmete sie auf, was ihr wieder Schmerzen bereitete, so daß sie ihr Gesicht verzog. Das deutete Fabian falsch.

      »Deine Mama war ja nicht nur bildschön, mein Liebling. Sie hatte ein großes Herz und eine Seele voller Liebe. Ihre ganze Liebe galt dir und mir. Durch ihre Zärtlichkeit und ihr Mitgefühl brachte sie Sonne in unser Leben. Ja, mehr noch. Sie war unser Leben. Ohne sie hätte ich nicht die Kraft für meine Arbeit gefunden, und du wärst nicht ein so glückliches Kind.«

      Claudia war kein glückliches Kind. In diesen Minuten konnte sie sich nicht mal daran erinnern, jemals glücklich gewesen zu sein. Das Wissen um Annalenas Pläne bedrückte sie viel zu sehr. Sie schloß die Augen und sah Wolfgang Bosch vor sich. Und damit holte sie die jüngere Vergangenheit mit überwältigender Macht ein.

      »Papa, Mama hat…«

      Sie keuchte, so strengte sie jedes Wort an.

      »Sprich nicht, mein Liebling. Ich weiß doch, Mama hat uns ihre ganze Liebe gegeben. Sie hat sich so auf die Zeit im Haus an der Adria gefreut. Uns beide um sich zu haben, war ihr größtes Glück. Seit Wochen malte sie uns doch aus, wie wunderbar es sein würde, wenn ich euch besuche.«

      Claudias Rechte zitterte, als sie sie erhob, um das Gesicht ihres Vaters zu berühren. Seine Wange kratzte, er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Und doch fühlte sie die Wärme seiner Haut. Aber seltsam – er saß hier an ihrem Bett wie ein kleiner Junge, der die Welt noch gar nicht verstehen wollte.

      »Papa, Mama wollte…« Es mußte aus ihr heraus. Die Wahrheit erdrückte sie sonst.

      »Ja, unsere Mama wollte immer nur das Beste für uns beide, wollte uns immer nur glücklich sehen. Sie wollte schnell unten in unserem Haus sein. Weißt du auch, warum?«

      Claudia sah ihn stumm an.

      »Sie wollte dafür sorgen, daß der Flügel im Haus gestimmt wird, bevor du mit den Etüden von Chopin beginnst. Sie kannte dein feines Gehör, denn das hast du von mir.«

      Da schloß Claudia die Augen.

      »Laß mich allein, Papa«, flüsterte sie. »Bitte laß mich allein. Frau Doktor soll kommen.«

      Sie drehte den Kopf leicht zur Seite. Wie sollte sie mit der Last, die ihre Mama ihr im letzten Moment aufs Herz gelegt hatte, in der Gegenwart ihres Vaters fertig werden? Wie sollte sie es ihm jemals anvertrauen? Denn nichts von allem, was sie ihr aufgeladen hatte, konnte ohne klärende Worte jemals aus der Welt geschaffen werden.

      »Du wirst bald wieder gesund werden«, sagte Fabian noch. »Denke nicht, daß ich dich hier lange allein lasse. Ich werde einige Konzerte absagen, damit ich dich häufig besuchen kann. Und ich will alles tun, um ein wenig Glück in unsere Zukunft zu zaubern.«

      Er war ein großer Zauberer auf dem Dirigentenpult. Aber jetzt wirkte der Zauber nicht. Das Wort Glück grub sich schmerzhaft in ihr Inneres, und ein schluchzender Laut entrang sich ihr.

      »Frau Doktor soll kommen. Sie heißt Hoffmann, Papa. Astrid Hoffmann.«

      »Die Ärzte und Schwestern hier tun alles, damit es dir bald bessergeht. Wie heißt die Ärztin? Hoffmann?« Er seufzte. »Gut, gut, mein Liebling. Ja, ich hole sie gleich.«

      Aber er blieb sitzen und überlegte, wem er nun sein Leid klagen konnte. Ob Wiebke Lohmer und Bella Crusius ihm über die innere Leere hinweghelfen konnten? Sofort verwarf er den Gedanken wieder. Beide würden sich Hoffnungen auf eine Zukunft an seiner Seite machen. Jetzt, da er Witwer war, lauerten einige Frauen auf ihre Chance. Wie viele unangenehme Frage- und Antwort-Spiele kamen da auf ihn zu!

      Die Tür öffnete sich und eine junge Ärztin trat ein. Fabian war trotz allem galant genug, sich sofort zu erheben. Sie reichte ihm die Hand.

      »Hoffmann, Astrid Hoffmann.«

      Obwohl es überflüssig war, nannte Fabian nun auch seinen Namen und nickte dankend, als Annalena ihm ihr Mitgefühl über den Tod seiner Frau aussprach. Aber sie sah ihm kaum in die Augen. Ob sie an seinen väterlichen Eigenschaften zweifelte und fürchtete, er habe Claudia keinen Trost zusprechen können?

      Gleich darauf schaute sie zu Claudia hinüber. »Ihre Tochter wird jetzt schlafen. Ich habe Dienstschluß, bleibe aber hier.«

      »Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen. Sie hat schon nach Ihnen gefragt.«

      So geräuschlos wie möglich wollte er sich aus dem Staub machen. Er sehnte sich nach der frischen Luft. Die brauchte er jetzt, um Energien für die Aufgaben zu tanken, die auf ihn warteten. Das Begräbnis für Annalena, die Fragen der Presse und seines Managers, die lästigen Anrufe seiner Verehrerinnen. Und das alles in der Leere seines Hauses!

      »Ich bin am Ende«, flüsterte er der Ärztin noch zu, als müsse er damit seine Eile entschuldigen. »Meine Frau war mir alles. Mein Glück, mein Schicksal, mein Leben.«

      Astrid nickte. »Ich weiß. Was ich für Claudia tun kann, werde ich versuchen. Ich verspreche es Ihnen, Herr Ossiander.«

      »Aber… aber Claudia wird doch wieder gehen können?«

      »Sicher. Es wird nur eine gewisse Zeit vergehen.«

      Er nickte, dann bedeckte er Claudias Gesicht mit zärtlichen Küssen und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzusehen.

      Astrid griff nach ihrer Hand. Und als ob sich dadurch Schleusen öffneten, ergoß sich ein Strom von Tränen über Claudias Gesichtchen. Und Astrid schmiegte ihre Wange an die ihrer kleinen Patientin und begann ebenfalls zu weinen, als könnte sie damit ihr Gewissen erleichtern.

      *

      Drei Tage später, an einem trüben, aber sommerlich warmen Sommertag verließ Astrid Hoffmann nachmittags die Klinik, um sich eine Stunde später inmitten einer unübersehbaren Menge von Trauergästen zur letzten Ruhestätte von Annalena Ossiander zu begeben. Es war eine würdige Feier und der Pfarrer schloß die kleine Claudia in sein Gebet ein, in dem er Gott um gütige Menschen bat, die der Halbwaise auf ihrem Weg ins Leben voller Liebe zur Seite stehen konnten.

      Astrid sah zu Fabian Ossiander hinüber. Umgeben von Menschen, die sie nicht kannte, und gestützt von zwei schlanken und in elegante schwarze Kostüme gehüllte Frauen, schien sein Gesicht grau und erstarrt. Nichts an ihm erinnerte an den verehrten und vergötterten Meister, der mit seiner genialen Kraft Millionen Menschen in der Welt verzauberte, wie sie es einige


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