APEX. Ramez Naam

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APEX - Ramez  Naam


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kämpfte dagegen an, einen zu starken Ruck auszulösen, der die Kinder durch den Kabinenraum schleudern würde.

      Sie spürte das Flugzeug leicht erbeben, als die Täuschkörper in die dünne Luft in achttausend Metern Höhe abgefeuert wurden, ihren Radar hochschossen und die Raketen ablenkten.

      Sam drückte den Steuerknüppel nach vorne durch, in Richtung der Wolkendecke, die sich unter ihnen befand, hinunter in den Sturm. Sie würden an Höhe verlieren, würden an Reichweite verlieren, aber zumindest könnten sie den burmesischen Angreifern entkommen.

      »Sie haben den Köder gefressen!«, sagte Feng. Sam fühlte, wie die Zwillingsexplosionen das Flugzeug erschütterten als die radargeleiteten Raketen die Täuschkörper trafen und explodierten. Einen kurzen Moment später konnte sie sie auch hören und lächelte angespannt. Die Wolken waren immer noch tausend Meter unter ihnen.

      Sie hielt diesen Kurs, löste sich langsam vom alten und steuerte auf die Wolken zu.

      PIIIIIIEEEEEEEEEEEEEEEP.

      RAKETENABSCHUSS.

      »Hitzesucher«, sagte Feng. Sams Magen drehte sich um. Ihre Augen suchten nach der Turbinenabdeckungsanzeige. Zu achtzig Prozent geschlossen. War das genug? Wenn die Raketen sie sehen können, würden sie Leuchtgeschosse abfeuern müssen. Aber wenn die Tarnkappen bereits ausreichend gut waren, würden die Leuchtgeschosse die Angreifer zu ihrer Position navigieren. Sie drehte sich zu Feng um und sah ihn konzentriert auf die nun komplett passiven Sensorbildschirme starren.

      »Sie kommen auf uns zu!«, fluchte Feng.

      Seine Finger bewegten sich wie ferngesteuert und schossen Raketen ab.

      Sam riss den Steuerknüppel in die andere Richtung, diesmal energischer. Sie hörte ein Kreischen aus dem hinteren Bereich des Flugzeuges, den dumpfen Aufprall eines Körpers. Sie ließ jedoch keinen Gedanken zu an das, was da geschehen sein könnte. Sie mussten am Leben bleiben.

      Der nächste Schlag war so laut, dass sie dachte, sie wären getroffen worden. Dann ein weiterer. Das Flugzeug erbebte kurz und flog dann ruhig weiter. Sam drückte den Steuerknüppel nach vorne und schwenkte wieder zurück. Nicht einmal mehr fünfhundert Meter bis zu den Wolken unter ihnen. Ihre Augen scannten die Bildschirme.

      Zu einhundert Prozent geschlossen! Die Chamäleonfunktion war komplett grün! Sam drehte sich zu Feng und sah, wie er die Bildschirme beobachtete.

      »Sie sind uns auf den Fersen«, sagte er. »Ihr Radar ist auf uns gerichtet. Sie strengen sich an. Aber sie können uns nicht sehen.« Er schaute auf und grinste sie an. Dann erleuchtete ein greller Blitz das Cockpit. Donner schlug auf sie ein, während Blitze die Wolken vor ihnen durchbrachen. Der Einschlag ließ die Chamäleonfunktion für einen Moment aussetzen. Das Flugzeug erbebte erneut. Die Konsolen färbten sich rot. Warnsignale ertönten. Auf einem der Displays blinkten rote Strahlen, die von ihren Angreifern, die sich hinter ihnen befanden, direkt auf sie gerichtet waren.

      »Wir werden beschossen!«, schrie Feng. »Sie haben uns entdeckt! Ausweichmanöver nach rechts!«

      KOLLISIONSWARNUNG!

      Scheiße!, dachte Sam. Auf ihrem taktischen Display schoss ein Pfeil an ihnen vorbei. Das Flugzeug erbebte erneut und sie kämpfte mit der Steuerung.

      »Sie haben uns aufgespürt«, sagte Feng. »Sie kommen wieder auf uns zu.« Sam drückte den Steuerknüppel stärker nach vorne durch in Richtung Wolkendecke. Aus dem Augenwinkel sah sie auf dem taktischen Display, wie sich die feindlichen roten Pfeile ihnen näherten und auf sie zusteuerten.

      »Unsere Chamäleontechnologie am rechten Flügel ist außer Gefecht!«, sagte Feng. »Wir sind auf dem Radar sichtbar.«

      RAKETENABSCHUSS.

      Sam bekam weiche Knie, als sie den Steuerknüppel noch weiter nach vorne presste. Sie befanden sich im Sturzflug. Die Maschine bebte, als Feng ihre letzten zwei Radartäuschobjekte abwarf.

      Das Cockpit vibrierte stark um sie herum. Viel zu früh. Sogar noch bevor sie den ersten gewaltigen Knall hörte. Dann den zweiten. Der Steuerknüppel brach erneut aus und sie kämpfte darum, das Flugzeug unter Kontrolle zu bringen. Dann zwei weitere Explosionen, als die Raketen gegen die Köder knallten.

      Was zum Teufel?

      Daraufhin ertönte das Funkgerät erneut, diesmal mit einer neuen Stimme. Und mit einem anderen Akzent.

      »ACHTUNG FLUGZEUG DER KÖNIGLICHEN LUFTWAFFE MYANMAR. Hier ist Kapitän Ajay Nair, östliches Kommando der indischen Luftwaffe …«

      »Überschall«, sagte Feng. Sam wandte sich zu ihm um und sah, wie sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete.

      »Indische Kampfflugzeuge«, beendete der chinesische Soldat seinen Gedanken.

      »… diese Maschine befindet sich nun in unserem Zuständigkeitsbereich«, sagte die neue Stimme weiter. »Brechen Sie Ihre Verfolgung ab.« Sam hielt ihren Atem an. Sie könnten immer noch auf sie schießen, könnten es immer noch drauf ankommen lassen. Auf dem Display kehrten die zwei roten Pfeile um, zurück Richtung Myanmar. Dann tauchten zwei neue Pfeile auf, als sie ihre eigene Chamäleonfunktion deaktivierten. Zusätzlich erschienen mehrere, kleinere Pfeile. Mindestens ein Dutzend davon poppte auf dem ganzen Bildschirm verteilt auf.

      »Sie haben Drohnen bei sich«, sagte Feng.

      Sam atmete auf. Aus dem Augenwinkel konnte sie Fengs Grinsen breiter werden sehen. Dann pulsierten Töne durch das Cockpit. Flackernde rote Warnlichter leuchteten über den ganzen Bildschirm verteilt auf.

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      RAKETENERFASSUNG

      Ihr Herz schnürte sich zusammen. Mehrere indische Radare waren nun auf sie gerichtet. Sie spürte Fengs Anspannung neben sich. Die neue Stimme sprach erneut, nun in einem kühlen Tonfall.

      »Unidentifizierter Falcon 9X aus Apyar Kyun, hier ist Ihr neuer Kurs. Weichen Sie nicht von ihm ab.«

      Mit Lichtgeschwindigkeit breiteten sich die unverschlüsselten Funkübertragungen des Shiva Prasad Privatjets in die unendlichen Weiten der Umlaufbahn aus. Ein beachtlicher Großteil ihrer Energie war verloren gegangen, ins All ausgestrahlt oder von der Atmosphäre oder gar den dunklen Gewässern der Andamansee absorbiert worden. Aber kleine Bruchteile dieser Energie waren von Antennen aufgesammelt und in Daten rückübersetzt worden: In einer getarnten Lauschboje, die in den Gewässern unter ihnen umherdümpelte; in einem vermeintlich privaten Wohnhaus inmitten des sich unter indischer Besatzung befindlichen Dorfes Port Blair auf den Andaman Inseln; und in einer Handvoll Spezialsatelliten, nicht größer als eine menschliche Faust, die in einer erdnahen Umlaufbahn umherschwirrten.

      Von da aus wurden die Informationen kategorisiert, priorisiert und zu verschiedenen privaten Organisationen und Regierungsinstitutionen weitergeleitet.

      »Indischer Stützpunkt, wir haben Kaden Lane auch bekannt als ›Synapse‹ an Bord, Mitentwickler von Nexus 5 … wir suchen Asyl …«

      Innerhalb weniger Minuten hatten diese Worte ihren Weg um die ganze Welt gemacht.

      Kade kollabierte auf dem Kabinenboden, mit dem Rücken an den Flugzeugwänden. Seine Schmerzen und die Erschöpfung übermannten ihn.

      Auf dem Sitz vor ihm drückte die zwölfjährige Sarai das jüngste der Kinder, den einjährigen Aroon, sanft an sich.

      Das Chaos und der Schrecken des Kampfes bei der Insel Shiva waren zu heftig für diese Kinder gewesen. Ihre Angst der letzten Minuten war mindestens genauso schlimm. Aber sie hatten es überstanden. Und das hatten sie vor allem Sarai zu verdanken. Sie hatte sie alle in einer Vipassana Meditation versammelt, die Sam ihr beigebracht hatte.

      Kade


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