H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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      5 Dorf im Be­zirk Spelt­hor­ne der Graf­schaft Sur­rey <<<

      XIII. Wie ich mit dem Kuraten zusammentraf

      Nach­dem sie uns die­sen un­er­be­te­nen Un­ter­richt über die Un­voll­kom­men­heit der ir­di­schen Waf­fen er­teilt hat­ten, zo­gen sich die Mars­leu­te wie­der in ihr ur­sprüng­li­ches Haupt­quar­tier auf der Hor­sell-Wei­de zu­rück. In ih­rer Hast und über­dies mit den Res­ten ih­res zer­schmet­ter­ten Ge­fähr­ten be­la­den, über­sa­hen sie ohne Zwei­fel vie­le sol­che ver­streut lie­gen­de und un­nö­ti­ge Op­fer, wie ich es war. Hät­ten sie ih­ren Ka­me­ra­den im Stich ge­las­sen und hät­ten sie sich so­fort auf­ge­macht, so hät­te es zu je­ner Zeit zwi­schen ih­nen und Lon­don nichts ge­ge­ben, als Bat­te­ri­en von Zwölf­pfün­dern; und ohne Zwei­fel hät­ten sie die Haupt­stadt schnel­ler er­reicht als die Kun­de ih­res Her­an­na­hens. Ihre An­kunft wäre eben­so plötz­lich, er­schre­ckend und ver­nich­tend ge­we­sen, wie das Erd­be­ben, das ein Jahr­hun­dert vor­her Lissa­bon zer­stört hat­te.

      Doch sie hat­ten kei­ne Eile. Ein Zy­lin­der folg­te dem an­de­ren auf sei­ner Bahn von Pla­net zu Pla­net; alle vier­und­zwan­zig Stun­den er­hiel­ten sie Ver­stär­kun­gen. Un­ter­des­sen gin­gen die Mi­li­tär- und Ma­ri­ne­be­hör­den, die sich jetzt der un­ge­heu­ren Ge­walt ih­rer Geg­ner völ­lig be­wusst wa­ren, mit fie­ber­haf­tem Ei­fer ans Werk. Jede Mi­nu­te wur­de ein neu­es Ge­schütz auf­ge­pflanzt; be­vor noch die Däm­me­rung her­ein­brach, barg je­des Ge­hölz, jede Rei­he vor­städ­ti­scher Land­häu­ser an dem hü­ge­li­gen Ab­hang um King­ston und Rich­mond eine kampf­lus­ti­ge schwar­ze Mün­dung. Durch die ver­kohl­te und ver­öde­te Flä­che — in ei­nem Aus­maß von etwa zwan­zig Qua­drat­mei­len — die das Feld­la­ger der Mars­leu­te auf der Hor­sell-Wei­de um­schloss, durch die aus­ge­brann­ten und in Trüm­mern lie­gen­den Dör­fer mit ih­ren grü­nen Bäu­men, durch die schwar­zen und rau­chen­den Säu­len­gän­ge, die noch einen Tag vor­her Fich­tenan­pflan­zun­gen ge­we­sen wa­ren, kro­chen die treu­en Kund­schaf­ter mit den He­lio­gra­fen, wel­che den Ka­no­nie­ren das Her­an­na­hen der Mars­leu­te an­zei­gen soll­ten. Die Mars­leu­te aber wa­ren jetzt von der Be­deu­tung un­se­rer Ar­til­le­rie un­ter­rich­tet, sie kann­ten die Ge­fah­ren mensch­li­cher Nähe, und nicht ei­ner von ih­nen wag­te sich au­ßer­halb des Be­rei­ches ei­ner Mei­le vor je­dem Zy­lin­der, au­ßer um den Preis sei­nes Le­bens.

      Es schi­en, als ver­brach­ten die­se Rie­sen den frü­hen Nach­mit­tag da­mit, hin- und her­zu­wan­dern und den ge­sam­ten In­halt des zwei­ten und des drit­ten Zy­lin­ders – je­ner lag in Add­le­sto­ne-Golf links, die­ser bei Py­r­ford – in ihre ur­sprüng­li­che Gru­be auf der Hor­sell-Wei­de zu schaf­fen. Wei­ter drü­ben, bei dem ge­schwärz­ten Hei­de­kraut und den zer­trüm­mer­ten Ge­bäu­den, die sich weit und breit er­streck­ten, stand ei­ner als Wa­che, wäh­rend die üb­ri­gen ihre rie­si­gen Kriegs­ma­schi­nen ver­lie­ßen und in die Gru­be hin­ab­stie­gen. Sie ar­bei­te­ten bis spät in die Nacht hin­ein mit vol­len Kräf­ten, und die hoch­ge­türm­te Säu­le dich­ten grü­nen Rau­ches, die sich aus der Gru­be er­hob, konn­te von den Hü­geln bei Mer­row ge­se­hen wer­den und soll selbst von Ban­s­tead und Ep­som Downs be­merkt wor­den sein.

      Wäh­rend so die Mars­leu­te hin­ter mir sich für ih­ren nächs­ten Aus­fall rüs­te­ten, wäh­rend vor mir die Mensch­heit sich zum Kampf vor­be­rei­te­te, bahn­te ich mir un­ter un­säg­li­chen Schmer­zen und Mü­hen mei­nen Weg vom Feu­er und vom Rauch des bren­nen­den Wey­bridge nach Lon­don.

      Ich sah ein sehr klei­nes ver­las­se­nes Boot in ziem­li­cher Ent­fer­nung fluss­ab­wärts trei­ben. Und nach­dem ich den größ­ten Teil mei­ner durch­näss­ten Klei­dungs­stücke ab­ge­wor­fen hat­te, eil­te ich ihm nach, er­reich­te es und ent­kam so der Ver­wüs­tung. Es wa­ren kei­ne Ru­der im Boot, aber ich be­schloss, zu plät­schern, so­weit es mei­ne ver­brüh­ten Hän­de er­laub­ten. So ge­lang­te ich nur sehr müh­sam mich wei­ter­trei­bend, den Fluss hin­ab nach Hal­li­ford und Wal­ton; da­bei blick­te ich mich un­auf­hör­lich um, wie man wohl be­grei­fen wird. Ich folg­te dem Fluss, in­dem ich mir sag­te, dass das Was­ser mir die bes­te Ge­le­gen­heit zum Ent­kom­men bie­ten wer­de, wenn jene Rie­sen wie­der­kehr­ten.

      Das hei­ße Was­ser, das sich bei dem Sturz der Mars­ma­schi­ne ge­bil­det hat­te, floss mit mir strom­ab­wärts, und so konn­te ich fast wäh­rend ei­ner Mei­le nur we­nig von bei­den Ufern er­bli­cken. Ein­mal je­doch ge­wahr­te ich eine Rei­he schwar­zer Ge­stal­ten, die aus der Rich­tung von Wey­bridge über die Wie­sen eil­ten. Hal­li­ford schi­en gänz­lich ver­ödet zu sein, und ei­ni­ge dem Fluss zu­ge­wen­de­te Häu­ser stan­den in Flam­men. Es be­rühr­te mich selt­sam, den Ort so fried­lich da­lie­gen zu se­hen, so ver­las­sen un­ter dem hei­ßen blau­en Him­mel, und wie doch der Rauch und klei­ne Feu­er­fä­den ker­zen­ge­ra­de in die schwü­le Luft des Nach­mit­tags auf­stie­gen. Ich hat­te nie noch vor­her Häu­ser ohne den Zu­lauf ei­ner im Wege ste­hen­den Men­schen­men­ge bren­nen se­hen. Ein we­nig wei­ter rauch­te und glüh­te das aus­ge­dorr­te Schilf am Ufer, und eine Feu­er­li­nie, die land­ein­wärts führ­te, kroch gie­rig über ein ver­spä­te­tes Heu­feld.

      Lan­ge Zeit trieb ich so hin; ich war von Schmer­zen ge­pei­nigt und er­schöpft nach all dem Schreck­li­chen, das ich er­lebt; und die Hit­ze auf dem Was­ser war fast un­er­träg­lich. Dann über­fiel mich wie­der die Furcht, und ich nahm mein Plät­schern wie­der auf. Die Son­ne ver­seng­te mei­nen blo­ßen Rücken. End­lich, als nach der Krüm­mung die Brücke von Wal­ton mir ent­ge­gen­blick­te, be­sieg­ten Fie­ber und Schwä­che mei­ne Furcht; ich lan­de­te am Midd­le­sex-Ufer und leg­te mich, fast zu Tode er­schöpft, im lan­gen Gras nie­der. Es war, wie ich ver­mu­te, etwa vier oder fünf Uhr. Ich er­hob mich bald wie­der, ging eine hal­be Mei­le wei­ter, ohne ei­ner le­ben­den See­le zu be­geg­nen, und leg­te mich dann wie­der in den Schat­ten ei­ner He­cke. Ich er­in­ne­re mich dun­kel, wäh­rend die­ses letz­ten an­stren­gen­den Mar­sches mit mir selbst ge­spro­chen zu ha­ben. Ich war auch sehr durs­tig und be­reu­te es bit­ter, nicht mehr Was­ser ge­trun­ken zu ha­ben. Es ist auch ei­gen­tüm­lich, dass ich et­was wie Är­ger über mei­ne Frau emp­fand; ich kann es mir nicht er­klä­ren; aber mein ohn­mäch­ti­ges Ver­lan­gen, Lea­ther­head zu er­rei­chen, brach­te mich über die Ma­ßen auf.

      Ich ent­sin­ne mich nicht mehr deut­lich der An­kunft des Ku­ra­ten. Ich schlum­mer­te also wahr­schein­lich. Ich wur­de sei­ner erst ge­wahr als ei­nes Ge­schöp­fes, das mit ruß­be­deck­ten Hem­d­är­meln da­saß und mit sei­nem auf­wärts­ge­rich­te­ten, glat­tra­sier­ten Ge­sicht auf ein schwach fla­ckern­des Licht starr­te, das am Him­mel tanz­te. Es war ein Him­mel, über und über be­sät mit fei­nen dau­nen­fe­der­glei­chen Wölk­chen, die von der sin­ken­den Hoch­som­mer­son­ne ro­sig an­ge­haucht wa­ren.

      Ich setz­te mich auf, und beim Geräusch mei­ner Be­we­gung blick­te er rasch nach mir.

      »Ha­ben Sie et­was Was­ser?«, frag­te ich ohne Be­grü­ßung.

      Er


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