H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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an­ge­steckt zu sein. Je­der­mann an Bord des Schif­fes stand jetzt am Ge­län­der oder auf den Stüh­len und starr­te nach je­ner fer­nen Er­schei­nung, die, jetzt schon hö­her als die Bäu­me und die Kirchtür­me land­ein­wärts, wie in ei­ner ver­zerr­ten Nach­ah­mung der mensch­li­chen Gan­gart im­mer nä­her kam.

      Es war der ers­te Mars­mann, den mein Bru­der ge­se­hen hat­te und so stand er mehr er­staunt als er­schreckt da, und be­ob­ach­te­te den Ti­tan, wie er ent­schlos­sen den Fahr­zeu­gen nä­her rück­te, im­mer wei­ter und wei­ter, wie die Küs­te zu­rück­wich, im Was­ser wa­tend. Jetzt tauch­te jen­seits des Dü­nen­kamms in wei­ter Fer­ne ein zwei­ter Mars­mann auf, der über die ver­küm­mer­ten Bäu­me hin­weg­fuhr; und noch wei­ter zu­rück zeig­te sich ein drit­ter, der tief durch eine glit­zern­de Sumpf­flä­che wa­te­te, die halb zwi­schen Him­mel und Erde zu hän­gen schi­en. Sie alle stapf­ten der See zu, als ob sie die Flucht je­ner Men­ge von Fahr­zeu­gen ver­hin­dern woll­ten, die in dich­ten Hau­fen zwi­schen Foul­ness und dem Vor­ge­bir­ge Naze la­ger­ten. Trotz der keu­chen­den An­stren­gung der Ma­schi­nen des klei­nen Rad­damp­fers, trotz der Strö­me von Schaum, die sei­ne Rä­der zu­rück­lie­ßen, ent­fern­te sich das Schiff nur mit er­schre­cken­der Lang­sam­keit aus dem Be­reich je­ner un­heil­vol­len An­kömm­lin­ge.

      Nach Nord­wes­ten bli­ckend sah mein Bru­der, wie der rie­si­ge Halb­kreis von Schif­fen sich schon zu win­den be­gann un­ter dem her­an­na­hen­den Ent­set­zen. Je­des Schiff ver­such­te am an­de­ren vor­bei­zu­kom­men, um sich hin­ter die Breit­sei­te der grö­ße­ren Schif­fe zu ver­ber­gen, die Damp­fer pfif­fen un­auf­hör­lich und stie­ßen un­ge­heu­re Qualm­men­gen aus, Se­gel wur­den ge­hisst und Lan­dungs­boo­te schos­sen hin und her. Mein Bru­der wur­de von die­sem Bild und von der her­an­schlei­chen­den Ge­fahr so in An­spruch ge­nom­men, dass er für al­les, was auf ho­her See vor­ging, kei­ne Au­gen hat­te. So schleu­der­te ihn eine ra­sche Be­we­gung des Damp­fers (er hat­te plötz­lich ge­wen­det, um nicht in den Grund ge­fah­ren zu wer­den) kopf­über von dem Ses­sel, auf dem er stand. Rings um ihn her­um hör­te er Ge­schrei, das Trap­peln von Fü­ßen und freu­di­ge Rufe, die schwach er­wi­dert zu wer­den schie­nen. Der Damp­fer schoss vor­wärts, und mein Bru­der kol­ler­te über den Bo­den.

      Er sprang auf sei­ne Füße und sah nach dem Steu­er­bord. Nicht hun­dert Yard von ih­rem sto­ßen­den, schwan­ken­den Boot ent­fernt, sah er eine rie­si­ge, ei­ser­ne Mas­se, die wie eine un­ge­heu­re Pflug­schar das Was­ser teil­te und nach bei­den Sei­ten ge­wal­ti­ge Schaum­wo­gen schleu­der­te, die auf den Damp­fer stürz­ten, bis sei­ne Rä­der hilf­los in der Luft hin­gen, um gleich dar­auf das Ver­deck fast bis auf die Was­ser­flä­che hin­ab­zut­au­chen.

      Eine Flut von Gischt blen­de­te einen Au­gen­blick lang mei­nen Bru­der. Als sich sei­ne Au­gen wie­der ge­klärt hat­ten, sah er, dass das Un­ge­tüm schon vor­bei war und dem Lan­de zu­ras­te. Mäch­ti­ge Ei­sen­wer­ke tauch­ten aus dem Rie­sen­kör­per auf; ein Dop­pel­schorn­stein er­hob sich und spie einen zwei­fa­chen Schwall feu­ri­gen Rau­ches in die Luft. Es war das Tor­pe­do-Ramm­schiff »Thun­der Child«, das in ra­sen­der Schnel­lig­keit den be­droh­ten Schif­fen zu Hil­fe kam.

      Das Schiff dampf­te mit ei­ner der­ar­ti­gen Schnel­lig­keit vor­wärts, dass es in ei­ner Mi­nu­te den hal­b­en Weg zwi­schen dem Dampf­boot und den Mars­leu­ten zu­rück­zu­le­gen schi­en — eine sich im­mer mehr ver­rin­gern­de Mas­se, die sich schwarz von der zu­rück­tre­ten­den ho­ri­zon­ta­len Li­nie der Küs­te von Es­sex ab­hob.

      Plötz­lich senk­te der vor­ders­te Mars­mann sein Rohr und feu­er­te eine Büch­se schwar­zen Ga­ses auf das Pan­zer­schiff ab. Sie traf ihn auf der Back­bord­sei­te und prall­te in ei­nem tin­te­nar­ti­gen Strahl ab, der sich see­wärts wei­ter­wälz­te als ent­fal­te­ter Strom schwar­zen Rau­ches, dem das Pan­zer­schiff glück­lich ent­rann. Den Zuschau­ern auf dem tief im Was­ser fah­ren­den Damp­fer, wel­che über­dies die Son­ne im Ge­sicht hat­ten, schi­en es, als sei das Schiff schon mit­ten un­ter den Mars­leu­ten.

      Sie sa­hen, wie die un­ge­schlach­ten Ge­stal­ten sich trenn­ten und sich im­mer hö­her aus dem Was­ser ho­ben, in­dem sie sich ans Ufer zu­rück­zo­gen. Ei­ner von ih­nen er­hob jetzt den ka­me­ra­glei­chen Er­zeu­ger des Hit­ze­strahls. Er hielt ihn schräg nach ab­wärts ge­rich­tet, und so­fort fuhr eine Dampf­wol­ke auf, als der Strahl das Was­ser be­rühr­te. Er muss­te durch das Ei­sen des Schiffs­kör­pers ge­fah­ren sein, ähn­lich, wie weiß­glü­hen­des Ei­sen durch Pa­pier dringt.

      Das Zu­cken ei­ner Flam­me wur­de in dem auf­stei­gen­den Dampf sicht­bar, und der Mars­mann wank­te und tau­mel­te nach vorn. Im nächs­ten Au­gen­blick war er nie­der­ge­schla­gen und eine große Men­ge Was­ser und Dampf schoss Hoch in die Luft auf. Die Ge­schüt­ze des »Thun­der Child« don­ner­ten durch den Qualm, ei­nes nach dem an­de­ren; ein Ge­schoss klatsch­te dicht ne­ben dem Damp­fer ins Was­ser, prall­te in Rich­tung der an­de­ren flie­hen­den Schif­fe nord­wärts und zer­split­ter­te eine Fi­scher­bar­ke in Zünd­hölz­chen.

      Nie­mand aber schenk­te dem be­son­de­re Be­ach­tung. Beim An­blick des zu­sam­men­bre­chen­den Mars­man­nes stieß der Ka­pi­tän auf der Brücke un­ar­ti­ku­lier­te, gel­len­de Lau­te aus, und die zu ei­nem Hau­fen beim Steu­er­rad zu­sam­men-ge­dräng­ten Rei­sen­den schri­en wild durch­ein­an­der. Und noch ein­mal schri­en sie auf. Denn drü­ben, jen­seits des wei­ßen Tu­mults er­hob sich ein lan­ger, schwar­zer Rumpf und trieb kräf­tig wei­ter; Flam­men ström­ten aus sei­nen Mit­tel­tei­len, und die Ven­ti­la­to­ren und Schorn­stei­ne spien Feu­er.

      Er leb­te noch; sein Lenk­steu­er, scheint es, war un­ver­sehrt und sei­ne Ma­schi­nen ar­bei­te­ten. Er schoss ge­ra­de­aus auf einen zwei­ten Mars­mann los und war noch hun­dert Yard von ihm ent­fernt, als der Hit­ze­strahl sei­ne Wir­kung tat. Mit ei­nem hef­ti­gen Ge­tö­se und un­ter blen­den­den Blit­zen flo­gen sein Ver­deck und sei­ne Schorn­stei­ne in die Luft. Der Mars­mann wank­te bei der Hef­tig­keit des Zünd­schla­ges und im nächs­ten Au­gen­blick schoss das flam­men­de Wrack mit der gan­zen Wucht sei­nes stür­mi­schen Lau­fes vor­wärts, warf den Mars­mann nie­der und zer­malm­te ihn, wie ein Stück­chen Pa­pier. Mein Bru­der schrie un­will­kür­lich auf. Ko­chen­de Dampf­wol­ken hüll­ten al­les wie­der ein.


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