Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.Des Ganze war doch unnötig! Wie kann man einem Menschen so etwas antun?«, brüllte Toni fast.
Er gab den Erregten und hämmerte mit beiden Fäusten auf den Tisch.
»Nimm dich jetzt zusammen, Toni! Sonst zwingst du mich, dich auf eine andere Weise zum Schweigen zu bringen!«, schrie Roland und drohte Toni mit der Faust.
»Nun mal langsam, ihr Kampfhähne! Ich verstehe nix! Von was und wem redet ihr?«, fragte Bertl.
Toni tat, als würde er Bertram überrascht ansehen.
»Mei, ich glaube wirklich, du hast keine Ahnung!«
Toni schüttelte den Kopf.
»Des ist doch mal wieder typisch für deine Sturheit und deine Verbohrtheit, Bertl. Aber wundern, wundern tut des hier in Waldkogel niemand. Ich sage dir nur, dass du dich schämen sollst! Dass dich noch wagst, unter die Leut’ zu gehen, des ist oberdreist und zeugt von so einer Abgebrühtheit, dass es zum Himmel schreit!«
Roland hielt Toni an, sich zu mäßigen und zu schweigen. Er stand auf.
»Toni, es ist besser wir gehen jetzt! Toni, jetzt kein Wort mehr!«
»Naa, Roland, wir gehen net!«, schrie Toni zurück. »Wir gehen erst, wenn dem Dickschädel hier ein Licht aufgegangen ist, dem dummen Ochsen, diesem elenden!«, brüllte Toni aufs höchste erregt Roland an.
»Jetzt höre aber auf, Toni!« schrie Bertram Anwander Toni wütend an. »Des muss ich mir von dir in meinem eigenen Haus net bieten lassen. Du bist Gast hier! Wenn du nicht gleich dein dummes Maul halten tust, Toni, dann werfe ich dich raus!«
Toni grinste.
»Das kannst gerne machen! Ich halte dich net davon ab. Aber ich bezweifele, dass du, nachdem dir endlich gedämmert ist, was ich sagen will, dass du dann noch die Kraft hast, mich hinauszuwerfen. Dann wirst selbst jemanden brauchen, der dich stützen tut, so fertig wirst sein, Anwander!«
Roland, der sich wieder hingesetzt hatte, stand wieder auf.
»Ich will damit nichts zu tun haben! Ich halte mich da heraus. Außerdem habe ich Nicole mein Wort gegeben, dass ich es ihr überlasse.«
»Sicher hast du der Nicole ihr Wort gegeben, aber wie soll des alles weitergehen? Roland, ich habe dir gesagt, dass die Nicole nie den Mut aufbringt und sich immer weiter in Lügengeschichten verstrickt und du auch. Des ist keine gute Grundlage für eine glückliche Ehe. Außerdem, wie wollt ihr des bei eurer Hochzeit machen? Wer soll wegbleiben? Wie wollt ihr des erklären, dass die Eltern der Braut nicht dabei sind?«
Roland zuckte mit den Achseln. Bertram schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Roland und Toni bemerkten, dass Bertl und Martha sie überrascht anschauten. Ihre Frage, warum sie nicht bei Nicoles Hochzeit dabei sein konnten oder sollten, stand deutlich in ihren Gesichtern geschrieben. Toni und Roland unterdrückten mühsam ein triumphierendes Lächeln.
»Ruhe jetzt! Jetzt red’ ich, Toni!«, fuhr Bertl dazwischen. »Du sagt mir jetzt auf der Stelle, was los ist!«
Toni seufzte. Er tat, als gebe er sich geschlagen und tat, als müsse er einen Augenblick nachdenken. Dann sagte er:
»Gut, meinetwegen, Anwander. Aber ich rede net, ich stelle dir Fragen. Ich habe der Nicole nur versprochen, dass ich nichts sage. Ich habe ihr nicht versprochen, dass ich dir keine Fragen stelle, verstehst? Also…«
Toni seufzte erneut.
»Also, was kann der Grund für ein Madl sein, dass es plötzlich fortgeht? Was kann es für einen Grund haben, dass es denkt, es wird daheim nimmer glücklich? Was kann die Ursache sein, dass es daheim keinen Schutz und kein Verständnis und keine Liebe mehr bekommt? Sagt dir der Name Guido etwas?«
»Naa! Sagt dir der Name etwas, Martha?«, fragte Bertl seine Frau.
Nicoles Mutter schüttelte den Kopf. Sie sah plötzlich blass aus. Toni schmunzelte.
»Mir kommt es so vor, dass du langsam auf dem richtigen Weg bist, Martha! Des ist kein Wunder, es ist ja auch eine Frauenangelegenheit. Die Burschen haben des Vergnügen, und an den Madln bleibt es dann hängen. So heißt es! Ist es net so, Bertl?«
Bertram Anwander wurde blass wie frischgekalkte Wand im Hühnerstall.
»Toni … Toni … Toni«, Bertram Anwander kam ins Stottern. »Toni …, du willst … doch … da … damit net sagen, dass unser Madl …, ich meine …, des kann doch net sein …, oder?«
Martha schaute ihren Mann an.
»Des Madl auf dem Bild, dem Foto, hat des was mit der Nicole zu tun, Roland? Sage es geradeheraus!«, flehte Martha.
Roland schaute in seinen Bierseidl.
»Also doch! Unser Madl hat ein kleines Madl! Richtig?«
Marthas Stimme wurde immer leiser.
»Was willst du damit sagen, Martha?«, fragte ihr Mann.
»Mei, Bertl, begreifst denn immer noch net? Die Nicole war schwanger, als sie nach Berlin ging. Des muss es gewesen sein. War es so, Toni?«
»Ja, es war so! Jetzt, da ihr selbst draufgekommen seid, kann ich es sagen. Die Nicole ist Mutter. Das Kindl ist ein Mädchen und heißt Sabine. Ein liebes braves Kindl ist es!«
»Aber warum ist die Nicole dann fort? Warum hat sie net geheiratet?«, empörte sich Bertram.
»Bist ein Depp, ein blöder Esel, Bertl! Ich hatte es all die Jahre für möglich gehalten, dass so etwas dahinterstecken könnte. Du bist jetzt still, Bertl. Jetzt red’ ich! Wer ist der Vater?«, fragte Martha.
»Ich bin es nicht, Martha«, antwortete Roland. »Ich werde das Kind adoptieren. Ich liebe die kleine Sabine sehr. Ich bin glücklich, solch eine Tochter zu bekommen. Die Geschichte von Sabines Vater soll Nicole dir selbst erzählen, wenn sie darüber reden will.«
»Und du bist schuld, Bertl«, brüllte Martha ihren Bertl an. »Du mit deiner Sturheit, deinem Starrsinn, deiner Überheblichkeit! Immer hast auf andere herabgeschaut, die mal ein bissel anders gewesen sind. Hast mit dem Finger auf sie gedeutet und hast den moralischen Übermenschen gegeben. Wenn mal wieder ein uneheliches Kindl in Waldkogel zur Welt kam, dann hast dich tagelang laut entrüstet. Hast keinen anderen Gesprächsstoff mehr gehabt. Geschimpft hast, verurteilt hast du die Mutter und das Kindl. Deshalb ist die Nicole fort. Es war ihr unmöglich, dir des einzugestehen und unter die Augen zu treten. Mei, ich wäre an ihrer Stelle auch gegangen! Statt mit dir und dem unehelichen Kind unter einem Dach zu leben, hätte ich auch die Fremde vorgezogen. Du trägst ganz allein die Schuld daran!«
Bertram Anwander begriff erst jetzt. Er sackte in sich zusammen, schlug die Hände vor das Gesicht und stöhnte.
Nicoles Mutter stand auf. Sie holte ihr Umschlagtuch und band es sich um die Schultern. Sie betrachtete ihren zusammengesunkenen Mann.
»Des war längst fällig, dass dich jemand wieder auf den Boden holt! Du musst jetzt damit fertig werden, dass du selbst der Großvater von einem Bastard bist, wie du immer gesagt hast.
Es gibt doch noch eine höhere Gerechtigkeit, und die hat dir eine Lektion erteilt. Ja, jetzt schaust! Des gönne ich dir. Ja, ja, wie heißt es? ›Wer hoch hinaus will, der wird tief fallen‹. Aber ich mache mir nix draus. Ich gehe jetzt auf die Berghütte zu meinem Madl und meiner Enkelin. Wenn du Frieden haben willst, dann musst einen Weg finden. Pfüat di, Bertl!«, sagte Martha hart. »Ab heute weht hier ein anderer Wind, das schwöre ich dir! Du solltest dem Toni auf Knien danken, dass er Licht in die dunkle Sach’ gebracht hat!«
Die Bäuerin winkte Toni und Roland zu.
»Aufi, gehen wir! Ich hab’s eilig. Ich war einst eine junge, eine sehr junge Mutter, und jetzt bin ich eine junge Großmutter. Ich freue mich so! Was für ein Geschenk!«
Sie gingen zum Auto, stiegen ein und fuhren davon. Unterwegs erzählten Toni und Roland Martha, dass sie den Streit vorher abgesprochen hatten, weil sie keinen anderen Weg sahen, Bertl und ihr, von Nicole und